Bielefelder Polizist: "Man hat versucht, uns mit Kot zu beschmeißen"

Justin Langosch, Sie sind 30 Jahre alt und bei der Hundertschaft NRW, die in der Lerchenstraße in Bielefeld stationiert ist. Sie sind seit rund drei Jahren dabei. Was war Ihr schlimmster Einsatz? Langosch: Es gibt mehrere, die hängen bleiben – und immer wieder Einsätze, die nicht spurlos an einem vorbeigehen. Zum Beispiel, als wir im Hambacher Forst eingesetzt wurden. Man hat versucht, uns mit Kot zu beschmeißen. Ich habe selber erlebt, dass ein Eimer voll mit Kot auf uns geschüttet und mehrere Kotbeutel auf uns geworfen wurden. Zum Glück wurden wir nicht getroffen. Wie gehen Sie damit um? Langosch: Ich weiß, dass das nicht persönlich gegen mich ging. Aber schön ist dieses Gefühl natürlich nicht. Nach solchen Einsätzen und belastenden Situationen ist es wichtig, mit den Kollegen Gespräche zu führen, um das Erlebte richtig einzuordnen. Das Land und die Behörde stellen Mitarbeiter zur Verfügung , die die Kollegen in besonders belastenden Situationen betreuen. Der jüngste Polizei-Einsatz am Kesselbrink hat in der Stadt zu Kontroversen geführt. Werden auch Sie bei der Hundertschaft für Ihr Einsatz-Verhalten mitunter öffentlich kritisiert und wie gehen Sie damit um? Langosch: Bei den jüngsten Demonstrationen am Kesselbrink wurden einige Parolen gegen die Institution Polizei angestimmt. Auch werden die Maßnahmen der Polizei in der Öffentlichkeit mitunter kritisiert. Die Kritik richtet sich dabei meist gegen die Institution Polizei und nicht persönlich gegen mich. Im Bereich unserer Fortbildungen bereiten wir uns auf diese Umstände vor und so kann ich gelassen und professionell damit umgehen. Wir alle kennen Bilder von Ausschreitungen bei Fußballspielen, wenn Hooligans Polizisten angreifen. Haben Sie das auch mal am eigenen Leib erlebt? Langosch: Ja, das kommt vor. Zum Beispiel, wenn vor einem Stadion plötzlich Brisanz aufkommt und wir Fanlager voneinander trennen müssen. Da wurde ich auch schon mal direkt aus einer großen Menge heraus angegriffen. Was fühlen Sie in so einem Moment? Langosch: Ich möchte in dieser Situation meinem Beruf nachkommen, Ordnung und Recht durchsetzen, werde aber direkt angegriffen. Da muss ich mich schon kurz sammeln. Ich will ja auch auf meine Kollegen achten, um die Lage gemeinsam zu bewältigen. Natürlich kommt da Thermik in mir auf. Das sind Momente, in denen ich grundsätzlich nicht viel Zeit habe, um über Gefühle nachzudenken und ich das Abwenden von Gefahren im Vordergrund sehe. Hatten Sie Angst? Langosch: Nein, Angst würde ich das nicht nennen. Eher Unwohlsein und Respekt. Es gibt immer wieder Lagen, in denen ich auch angespannt bin und in denen ich mich unwohl fühle. Meist, wenn ich nicht weiß, wie sich eine Situation entwickeln wird. Zum Beispiel? Langosch: Beim Ruhrpott-Derby zwischen Dortmund und Schalke ist auf dem Stadion-Vorplatz immer viel los. Es ist ein enormer Aufwand für uns, die Fanlager zu trennen. Und ich erinnere ich, dass ich es zum Teil schon negativ empfand, wie sich manche Menschen dort verhalten. Das waren Situationen, als Familien, Frauen und Kinder bei einem einfachen Fußballspiel bedroht wurden und wir daraufhin eingreifen und schlichten mussten. Nehmen Sie solche Erlebnisse mit nach Hause? Langosch: Beruflich nehme ich schon Dinge mit nach Hause, oft Schicksale von Menschen. Aber Einsätze bei Großveranstaltungen wie Fußballspiele weniger. Ich bin selber begeisterter Fußballfan. Für mich gehört das dazu, Fans zu sehen, die diesen Tag genießen. Ich freue mich auf diese Dienste. Wie bereiten Sie sich auf solche Einsätze vor? Langosch: Das machen wir regelmäßig unter der Woche im Team. Wir trainieren taktische Aspekte, gehen rechtliche Fragen durch und wir bauen dabei jeden Tag eine Sporteinheit ein, wie Joggen oder Fitness- und Kraftübungen. Vor den Einsätzen bewerten wir die Lage in Bezug auf die Fanlager und die jeweilige Örtlichkeit, um im Vorfeld Gefahren zu erkennen und zu minimieren. Was passiert, wenn ein Kollege verletzt wird? Langosch: Das ist immer eine schwierige Situation. Wir kennen uns sehr gut und arbeiten eng zusammen. Durch Erfahrung und Training sind wir auf solche Situationen vorbereitet, um besonnen und mit den notwendigen Maßnahmen zu reagieren. Hierbei steht für uns natürlich die Deeskalation und Kommunikation im Vordergrund. Nimmt Gewalt gegen Sie zu? Langosch: Es ist schwierig persönlich abzuzählen, wie oft es zu Gewaltanwendungen kommt. Aber es gibt Statistiken über Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte. Demnach nimmt die Gewalt zu. Welche Rolle spielt die körperliche Verfassung bei der Hundertschaft? Langosch: Darauf wird großer Wert gelegt und das mag ich an diesem Beruf. Wir haben oft 12 bis 16 Stunden-Dienste, davon schnell mal 8 Stunden in voller Schutzausrüstung, die rund 20 Kilogramm wiegt. Die können wir nicht einfach zwischendurch ablegen und sie erst dann anlegen, wenn zum Beispiel plötzlich eine Flasche geflogen kommt. Außerdem begleiten wir bei Demos und Fußballspielen die Teilnehmer und Fans auch über längere Zeiträume zu Fuß. In der Regel haben wir dynamische Lagen, die unterschiedliche Anforderungen an die körperliche Kondition eines jeden Einzelnen stellen. Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von der eines Streifenpolizisten? Langosch: Auf Streife bewältigen wir Einsätze innerhalb einer Stadt zu zweit. Bei der Hundertschaft sind wir für Großlagen und Veranstaltungen in NRW, zum Teil für ganz Deutschland zuständig. Wir rücken bei Razzien, Durchsuchungsmaßnahmen und Personensuchen aus. Mich hat gereizt, eine andere Arbeit bei der Polizei kennenzulernen, bei der wir in größeren Gruppen zusammenarbeiten. Was schätzen Sie daran? Langosch: Aufgrund der körperlichen Belastung wird einem in der Hundertschaft die Möglichkeit geboten, sich vielseitig fit zu halten und viel Sport machen. Man sollte flexibel sein und man hält sich oft in großen Menschenmengen auf. Gerade für junge Kollegen ist das interessant. Ich bin ein spontaner Typ und bringe all diese Sachen mit. Deshalb gefällt es mir hier so gut. Wie alt sind Ihre Kollegen? Langosch: Die jüngsten sind Anfang 20, die Ältesten über 50. Es heißt, dass der Respekt gegenüber Polizisten nachlässt. Können Sie das bestätigen? Langosch: Ich habe die Einsatzlagen auf Streife erlebt, in denen ich beleidigt wurde. Jetzt bin ich oft bei Fußballspielen, in denen viel Alkohol im Spiel ist. Wir werden da definitiv auch beleidigt und angegangen. Die Hemmschwelle der Gewaltbereitschaft gegenüber uns hat gefühlt abgenommen. Aber vielleicht bin ich zu kurz dabei, um das beurteilen zu können. Und was ist toll an Ihrem Beruf? Langosch: Ich kann wirklich sagen, dass kein Tag wie jeder andere ist. Ich kann sehr gut damit umgehen, dass sich Vieles spontan verändert. Und die Arbeit im Team macht Spaß. Ich werde noch eine Weile hier bleiben.

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