Der Bielefelder Gastrobranche fehlen die Gäste

Bielefeld. Seit dem 11. Mai haben viele Gaststätten, Restaurants und Cafés auch in Bielefeld wieder geöffnet - mit deutlich reduzierter Platzzahl und unter strengen Corona-Auflagen. Vom Normalbetrieb sind fast alle weit entfernt. Abstandsregeln, Hand- und Tischdesinfektion, das Aufnehmen von Gäste-Adressen - zu den Kerntätigkeiten kommen neue Aufgaben, die viel Flexibilität vom Personal erfordern. Die Gäste aber, die kommen, seien sehr kooperativ, sagt Mario Amato, Chef des "Il Monastero" am Klosterplatz. Auch, wenn es um das Ausfüllen der Adresslisten gehe. Dennoch erlebt er eine "starke Zurückhaltung" bei vielen, wieder ungezwungen ins Restaurant zu gehen. Noch fehlen ihm rund 70 Prozent der Gäste, verglichen mit der Zeit vor der Krise. Selbstverständlich hält man sich im Monastero an die Abstands- und Hygieneregeln. Teile des Restaurants sind abgesperrt. Auch draußen sind die Tische auf Abstand gestellt, die Platzzahl ist um 50 Prozent verringert. Ein Teil seiner Mitarbeiter sei in Kurzarbeit, nur vier von elf versehen zeitgleich ihren Dienst. Er habe "Respekt" vor dem Virusgeschehen. Besonders, da er die Verhältnisse in seiner italienischen Heimat vor Augen habe, so Amato. Dennoch wünscht sich der Gastwirt mehr Mut und Vertrauen der Menschen, sich wieder in ein Lokal zu wagen. Um den Umsatz draußen erhöhen zu können, hat Amato einen Antrag auf Ausweitung der Außengastronomie gestellt: "Das würde uns wirklich helfen." Starke Zurückhaltung bei den Gästen Nicola Schmidtmeier (54), langjährige Servicekraft im "Alt-Bielefeld", gehört dort "zum Inventar", wie sie sagt. Am Sonntagmittag hat sie eine Gruppe Arminia-Fans zu bewirten, die sich das Spiel gegen den HSV im Fernsehen anschaut und sich über "ein frisch gezapftes Pils freut". Die Stimmung wirkt ausgelassen. Dennoch, so Schmidtmeier, sei die Lage alles andere als gut. Zurzeit erwirtschafte das Lokal nur etwa ein Viertel des früheren Umsatzes. "Die Leute trauen sich nicht so recht", hat sie beobachtet, wenngleich gerade ältere Stammgäste wieder zum Essen kommen: "Manche sind es einfach leid, irgendwo alleine zu essen", berichtet sie. Laufkundschaft fehlt Vier Mitarbeitern musste indes gekündigt werden, der Chef koche jetzt meist selbst. Sorge machen ihr ausbleibende Touristen, die sich sonst gerne mal draußen niederlassen. Wirklich helfen, ist sich Schmidtmeier sicher, könne der kriselnden Branche nur eine bundesweite Finanzspritze. Denn: Auch die Miet- und Betriebskosten laufen ja weiter, egal, wie viele Gäste kommen. Nachdem das Café Knigge zu Beginn der Krise drei Wochen geschlossen hatte, lief ein Außer-Haus-Betrieb an. "Coffee to go und Frozen Yogurt gingen gut", sagt Ariane Haxha, Filialleiterin an der Obernstraße. Nun kämen viele Stammgäste zwar wieder ("Der Rückenwind tut gut"), Laufkundschaft lasse aber zu wünschen übrig. Auch bei Knigge gibt es Kurzarbeit, Kündigungen seien aber bislang ausgeblieben. 50 Prozent geringeres Platzangebot Im Stahlberg am Alten Markt profitiert man offenbar von der zentralen Lage in Bielefelds "guter Stube". Mitarbeiter Jerome Lause (22) hat beobachtet, dass "viele sich freuen, nicht immer selbst kochen zu müssen". Gutes Wetter füllt den Außenbereich schon recht gut. Allerdings könne man wegen des Abstandsgebots nur rund 50 Prozent der früheren Plätze anbieten. Auch beanspruche das ständige Desinfizieren von Tischen, Geräten und sich selbst das Personal ganz ordentlich. "Das, was Gastronomie ausmacht, ist eingeschränkt", so Lause. Von einer "teils beklemmenden Situation" in der Gastrobranche spricht Regina Tönsing, Dehoga-Hauptgeschäftsführerin in Bielefeld. "Den Menschen sitzt die Furcht im Nacken, sich ausgerechnet in dem Lebensbereich, der mit Leichtigkeit und Entspannung zu tun hat, mit dem Virus zu infizieren", sagt sie. Die Rollen hätten sich verkehrt: Gäste, die in der Regel König seien, müssten nun den Anweisungen des Personals folgen, etwa ihre Adressen herausgeben. Und dann liege hier und da "ein leichter Geruch nach Desinfektionsmitteln in der Luft". Appell an alle Bielefelder Nur für einen Kaffee im Lokal die Adresse angeben zu müssen, das tolerierten nicht alle, so Tönsing, die einen Widerspruch zum Handel sieht, "wo jeder im Gemüse herum grabbeln darf, ohne seine Adresse zu hinterlegen". Viele Gastronomen könnten und wollten kein Personal einsparen, sondern Präsenz zeigen: "Wirtschaftlich rechnet sich das oft nicht", so Tönsing. Sie appelliert nachdrücklich an alle Bielefelder, wieder ins Restaurant, in die Kneipe und ins Café zu gehen: "Damit es diese auch in ein paar Monaten noch gibt."

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