Christoph-13-Team bepöbelt - Luftretter erleben immer mehr Kritik

Bielefeld. Auf dem Weg zu einem Menschen in Not landete Rettungshubschrauber Christoph 13 am frühen Abend des 24. April auf einer Wiese innerhalb dichter Bebauung in Stieghorst. Während Notarzt und Notfallsanitäter zum Patienten eilten, raunzten Anwohner den Piloten an, weil er von einem angrenzenden Abbruchhaus Mörtel, Staub und Kalk aufgewirbelt hatte. Wasser gegen Steine und Staub Viele Bielefelder schüttelten aufgrund dieser Nachricht den Kopf. Ein Schaden an den Nachbarhäusern war nicht festzustellen, trotzdem rückte extra ein Löschfahrzeug der Feuerwehr an, um die Umgebung ausreichend zu wässern. Mit dem Wasser wollte man verhindern, dass beim Start von Christoph 13 nicht noch mehr Staub und Dreck aufgewirbelt wird. Ein ungewöhnlicher Service für verständnislose Anwohner. Fehlendes Verständnis Nach Angaben von Jörn Bielinski, Leiter der Abteilung Rettungsdienst bei der Berufsfeuerwehr Bielefeld, sind Fälle, bei denen die Besatzung in Bielefeld regelrecht angegangen worden ist, die absolute Ausnahme. Die Verständnislosigkeit der Bürger nimmt aber dennoch zu, sagt Polizeihauptkommissar Andreas Kümer von der Fliegerstaffel der Bundespolizei. Hubschrauber wie Bielefelds Christoph 13 werden von Piloten der Bundespolizei geflogen. Und die landen ihre schweren Helikopter mit einer erstaunlichen Präzision. &bdquo;Trotzdem erleben wir eine zurückgehende Bereitschaft, Einschränkungen zu erdulden", sagt der erfahrene Pilot. &bdquo;Wir kommen zunehmend in einen Rechtfertigungsdruck." Angst um die Wäsche So kämen teilweise noch während des Landevorgangs bereits Menschen auf den Rettungshubschrauber zugestürmt, um deutlich zu machen, dass der Pilot doch bitte woanders landen solle. &bdquo;Da geht es um die frisch aufgehängte Wäsche, um den gerade geharkten Rasen oder auch um die nun verdreckten Autos." Dass Notarzt, Sanitäter und Pilot wegen eines dringenden Notfalls gelandet sind, scheint die Kritiker kaum zu rühren: &bdquo;Sie fordern, dass wir doch 500 Meter weiter hinten hätten landen können." Landeplatzwahl Dabei wäge der Pilot genau das bei jeder Landung ab, erklärt Bielinski: &bdquo;Ist der Rettungswagen bereits vor Ort und die Erstversorgung gesichert, kann sich das Luftrettungsteam eher eine kleine Verzögerung erlauben. Dann dürfe der Hubschrauber auch mal auf der anderen Straßenseite landen." Geht es aber um Leben oder Tod sind Freiflächen, die zu weit weg liegen, keine Alternative. &bdquo;Da darf die Landung auch mal ein paar vertretbare Probleme machen. Das ist eine Güterabwägung", sagt Kümer. &bdquo;Wenn dafür ein Mensch überlebt, muss man auch einmal dreckige Wäsche ertragen können." Aus Gedankenlosigkeit oder Gleichgültigkeit mache das kein Pilot. Teamlandung Bielinski betont, dass vor allem bei unbekanntem Terrain, das gesamte Luftrettungsteam an der Landung beteiligt sei. &bdquo;Der Luftrettungssanitäter öffnet 25 bis 20 Meter über dem Boden die Seitentür, um unter dem Helikopter blicken zu können." Auch der Notarzt ist beim Anflug am rechten Fenster Teil der Teamentscheidung. &bdquo;Es wird mit dem Sechs-Augen-Prinzip gelandet." So könnten Autos, Personen oder Gegenstände, die doch noch in der Landezone auftauche, frühzeitig gesehen und gemeldet werden. &bdquo;Dann bricht der Pilot den Anflug ab und startet durch." Schadensfall Ist tatsächlich etwas passiert, haben die Piloten Formulare dabei, um den Schaden zu dokumentieren. &bdquo;Bei gravierenden Fällen rufen wir ohnehin die Polizei." Typische Schäden seien Lackschäden am Auto oder umgestürzte Roller oder Leichtkrafträder. In den meisten Fällen reiche es aber, um Verständnis zu bitten. Dass die Feuerwehr Schaden abwenden muss, wie zuletzt in Stieghorst mit Wasser, ist eine große Seltenheit. Allerdings war nach einer Landung auf einem Stoppelfeld auch einmal die Drehleiter im Einsatz: &bdquo;Damals hatte der Hubschrauber abgemähtes Stroh auf drei Dächer geblasen", erinnert sich Bielinski. Die Halme sind größtenteils in den Dachrinnen gelandet." Mit Hilfe der Leiter konnte die Feuerwehr Schaden durch verstopfte Fallrohre abwenden. Positives Kümer betont: &bdquo;Es gibt auch superpositive Fälle." So erlebe man auch Menschen, die den Schaden auf ihre Kappe nehmen: &bdquo;Als ein Fenster durch den Wind zugeschlagen war, sagte der Betroffene: ’Das war meine eigene Schuld. Ich habe den Hubschrauber ja ankommen gesehen." Ähnlich reagierte auch der Besitzer des Abbruchhauses, dessen Dreck in Stieghorst aufgewirbelt wurde. Ihm tat der Vorfall sichtlich leid. Doch die direkten Anwohner machten dem Piloten lautstark Vorwürfe. Betrug Offenbar nutzen einige auch die Landungen von Rettungshubschraubern für betrügerische Zwecke aus. So berichtet Kümer, dass Autobesitzer, die ihre Fahrzeuge an einem Golfplatz geparkt hatten, später Lackschäden gemeldet hätten. &bdquo;Zum Glück war ein Rettungssanitäter Autofan. Er hatte Fotos von den wertvollen Fahrzeugen gemacht." Seine Fotos bewiesen später, dass der Schaden auf der falschen Seite entstanden war: &bdquo;Der Dreck hätte vom Hubschrauber kommend um die Kurve fliegen müssen." In einem Fall in Hamburg hatte eine Wohnungsbaugesellschaft sogar Schaden an mehreren Garagen angezeigt. &bdquo;Später stellte sich heraus, dass der Hubschrauber zwar im engen Bebauungsgebiet gelandet war, aber in einem Wendehammer zwei Blöcke weiter. Hier wurde wegen Betrugs ermittelt." 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