Der erste Schultag nach der Corona-Pause - so lief's in Bielefeld

Bielefeld. Das Coronavirus bestimmt derzeit unseren Alltag. Nachdem am 13. März kurzfristig alle Schulen geschlossen wurden, durften am Donnerstag die Schüler der Abschlussjahrgänge wieder kommen – unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Wollen auch Sie berichten, wie Sie Ihren Alltag in der Corona-Krise meistern? Dann schreiben Sie an bielefeld@nw.de. Viele Fragen und wirre Gedanken Heute ist mein erster Schultag; mein erster Schultag an der Luise, seit uns Corona vor Wochen zum Unterrichtsstopp gezwungen hat. Viele Fragen und wirre Gedanken gehen mir durch den Kopf: Habe ich zu Hause wirklich genug gelernt? Schaffe ich meinen geplanten Abschluss? Muss ich Angst vor Corona haben? Als ich am 13. März erfuhr, dass ich für eine unbestimmte Zeit nicht mehr in meine Schule darf, habe ich Panik bekommen. Große Sorgen machten sich breit. So kurz vor meinen Abschlussprüfungen, für die ich doch seit Jahren lerne und von meinen Lehrern vorbereitet wurde. Meine Angst, alleine in dieser Situation zu sein und dass alles verloren ist, hat mir meine Schule schnell genommen. Viele Gespräche mit unserer Klassenlehrerin, den Fachlehrern und der Schulleitung haben mich beruhigt. Zu jeder Zeit hatten und haben wir die Lehrer als Ansprechpartner – Donnerstag auch wieder von Angesicht zu Angesicht. Zwar haben wir uns auf der E- Learningplattform, in Chats, per E-Mail und in Telefon- und Videokonferenzen getroffen, dennoch war jeder für sich allein. Ich bin froh, dass ich diese Unterstützung habe; an allen Tagen der Woche und auch in den Ferien waren und sind die Lehrer für uns da. Zu Hause war das Gefühl ,,ich bin jetzt nicht in der Schule sehr intensiv. Ich habe schnell bemerkt, welche große Bedeutung die Luisengemeinschaft für mich hat. Donnerstag wurden wir, wie gewohnt herzlich, aber diesmal mit Abstand empfangen und eingewiesen. Trotz dieser komischen Situation – oder gerade deshalb? – ist mir bewusst geworden, dass diese Zeit uns noch mehr zusammengeschweißt hat. Julia Krumme (15), 10c der Luisenrealschule Viele Schüler kamen mit Mundschutz Viele sind bei uns am Donnerstag mit Mundschutz gekommen, die Wege in die Räume waren genau markiert. &bdquo;Nur eintreten, wenn man sich wirklich gesund fühlt" und Hygienehinweise standen auf Schildern. Gründlich Händewaschen ist selbstverständlich. Damit alle genug Abstand halten können, wurden die Kurse geteilt. Ich denke, die Abiturvorbereitung in der Schule wird vielen Schülern nochmal mehr Sicherheit geben, man kann nochmal ausgiebig Fragen stellen, nachdem man jetzt die ganze Zeit doch sehr auf sich selbst gestellt war. Es war trotzdem eine schwierige Entscheidung, wieder zur Schule zu gehen. Wir dürfen zwar frei wählen, ob wir jetzt nochmal wieder zur Schule gehen oder nicht. Man will nichts versäumen, hat aber auch immer die Ansteckungsgefahr für sich und seine Familie im Kopf. Was ich persönlich unfair geregelt finde, sind die drei Abiturprüfungstage hintereinander. Da hätte es Alternativen gegeben. Zudem sind die Bedingungen nicht gleich fair für alle, der psychische Druck ist für einige sehr hoch. Zum Beispiel für Schüler, die mit Risikopatienten in ihrem Umfeld zu tun haben. Andere Schüler hatten in ihrem familiären Umfeld jetzt keine optimalen Bedingungen, um gut lernen zu können. Lavinia Rodax (19), Abijahrgang 2020, Oberstufenkolleg Ein völlig neuer Stundenplan Nach Abschluss extrem umfangreicher Vorbereitungsmaßnahmen durch Lehrkräfte, Schulbüro und Hausmeister haben wir am Donnerstag in einem gestuften Verfahren den Unterricht für Schüler aufgenommen, die eine Prüfung (Abschluss) machen müssen oder möchten. Die &bdquo;To-do-Liste" beschränkt sich dabei nicht nur auf die Umsetzung der erforderlichen Hygienemaßnahmen in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, sondern ist auch in sehr großem Umfang organisatorischer Art. Es wurden Tische und Stühle gerückt, verstaut und gereinigt, die Abstände vermessen und Kleinlerngruppen aus den einzelnen Klassen gebildet, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Darüber hinaus musste in sehr kurzer Zeit ein völlig neuer Stundenplan erstellt werden, um alle räumlichen und personellen Anforderungen berücksichtigen zu können. Die erschienenen Schüler waren mehrheitlich über das Unterrichtsangebot zur Prüfungsvorbereitung erfreut und kamen nach der langen Pause gerne zur Schule. Einige wenige Schüler konnten aus verschiedenen, mehrheitlich aus gesundheitlichen Gründen, heute und zukünftig nicht teilnehmen, sie werden weiter digital mit Unterrichtsinhalten versorgt. Während der gesamten Unterrichtszeit des Donnerstages war die ungewöhnliche Ruhe im Schulgebäude einerseits unbehaglich, andererseits beruhigend. Denn nur mit einer überschaubaren Zahl von Schülern können wir die vorgegebenen Regeln einhalten. Es handelte sich um eine unverzichtbare &bdquo;Generalprobe", denn am kommenden Montag sehen wir uns als Lehrkräfte ca. 350 Schülern – bei räumlicher Vollauslastung – gegenüber, die größtenteils ihrer Berufsabschlussprüfung entgegenfiebern und für deren Gesunderhaltung wir durch die Schulöffnungen verantwortlich gemacht worden sind. Alles in allem ist die &bdquo;Generalprobe" gelungen, jedoch gehen die Lehrkräfte mit sehr gemischten Gefühlen, teilweise auch Ängsten in den Unterricht und müssen hier auch noch unterstützend auf Schüler einwirken, die ebenfalls ihre Ängste und Sorgen mit in die Schule bringen. Mike Nolte, Leiter des Carl-Severing-Berufskollegs für Handwerk und Technik Es war eine Punktlandung Nach Wochen des Social-Distancing und ohne Schüler war am Donnerstag in der Luise Start. Schon? Endlich! Sind das verrückte Wochen gewesen. Es war eine Punktlandung. Die Raumplanungen waren gut, das Schichtsystem funktioniert, die Schüler waren diszipliniert. Der Riesenaufwand hat sich gelohnt. Als Leiter der Luisenrealschule war ich seit dem Zeitpunkt kurz vor den Schulschließungen von einem Moment auf den anderen im Krisenmodus. Von früh morgens bis spät abends ist da die Verantwortung für das physische und psychische Wohlergehen der 850 Schüler, der etwa 80 Lehrer und der übrigen Mitarbeiter. Alle müssen lernen, dabei steht vor allem die Gesundheit der Menschen im Vordergrund. Prioritäten verschieben sich. Herausforderungen nimmt man wie selbstverständlich sofort an. Ganz viele Entscheidungen müssen täglich kurzfristig häufig ohne eindeutige Informationslage getroffen werden. Notfallbetreuung, Lernangebote, Planung des Präsenzunterrichts, Hygienemaßnahmen sichern. Eine Flut von E-Mails kommt in kürzester Zeit. Da hätten früher zwei Briefkästen nicht ausgereicht. Alle Informationen sorgfältig aber schnell filtern, nach Wichtigkeit sortiert und strukturiert aufbereitet weiterleiten. Transparenz und Kommunikation sind noch wichtiger als sonst. Möglichst Vorbild sein und Ruhe ausstrahlen. Vieles überrascht positiv. Wo Schule vorher noch eine Bastion des Analogen war, sind plötzlich Videokonferenzen mit Schülern und Arbeiten auf digitalen Lernplattformen Alltag. Genau das gilt es zukünftig zu bewahren. Die normalen Aufgaben wie die Planung für das neue Schuljahr gehen natürlich die ganze Zeit weiter. Und Donnerstag? Da sind die 10. Klassen endlich mit dem Präsenzunterricht gestartet. Zwei Gedanken dominieren: &bdquo;Endlich geht’s los" und &bdquo;schon jetzt"? Unglaublich, was in kurzer Zeit der Vorbereitung von Beteiligten gestemmt wurde. Gut, dass die Regierung uns in der konkreten Umsetzung nur grobe Rahmen setzt und Luft für intelligente Lösungen vor Ort lässt. Gut, dass gleichzeitig klare Vorgaben hinsichtlich Hygiene und Schutzmaßnahmen getroffen werden. Und eigentlich können wir stolz sein, wie wir das an der Luise gemeinsam hinbekommen haben und bei aller Schnelligkeit das Menschliche bewahrt haben. Toll, dass auch Eltern das zurückmelden. Das schafft man nicht allein. Gut, dass ich leistungsfähige Kollegen an meiner Seite habe, mit denen man Krisenszenarien besprechen und dialogisch lösen kann. Gut, dass ich ein engagiertes Kollegium habe, das sich über die Maße kreativ und verantwortungsvoll um die Belange der Schüler kümmert und vereinbarte Dinge umsetzt. Auch wenn für das Private gerade leider wenig Zeit bleibt, bin ich sehr dankbar, dass ich zu Hause mit meiner Frau jemanden habe, mit dem ich die Tageseindrücke auch mal teilen kann. Gespannt bin ich, ob und wie Bielefeld sich in ein paar Wochen oder Monaten verändert. Eins ist jetzt schon deutlicher als je zuvor: Schule sind die Menschen, die in ihr lernen und leben. Sven Pachur (57), Schulleiter der Luisenrealschule

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