Corona: Sängerin fühlt sich wie in einem schlechten Hollywoodfilm

Bielefeld. Das Coronavirus bestimmt derzeit unseren Alltag. Die vielen Geschichten rund um unser Leben mit dem Virus fasst die Neue Westfälische in dieser täglichen Rubrik zusammen. Homeoffice bringt ihr nichts Wie jeden Tag betrete ich kurz vor 10 Uhr die Bühnenpforte des Stadttheaters. Im Vorbeigehen grüße ich den Pförtner. Mein Blick schweift über den ausgehängten Tagesplan: szenische Proben zu Faust von Charles Gounod, 10 bis 13 Uhr. Zwei Stockwerke höher auf der Probebühne 1 beginnen wir dann Punkt 10 Uhr mit einem großen Stab an Sängern, der Regie, einer Pianistin/einem Pianisten, Assistenten, Hospitanten und dem Dirigenten, die angesetzten Szenen phantasievoll zum Leben zu erwecken. Auf dem Weg nach Hause, wo mich mein drei Monate altes Baby und mein Mann zum Mittagessen erwarten, verweile ich noch einen kurzen Augenblick in der Kantine des Theaters und unterhalte mich mit verschiedenen Kollegen. Gegen 16.25 Uhr geht es für mich wieder zurück ins Theater. Heute Abend steht &bdquo;Die Hochzeit des Figaro" von Mozart auf dem Programm. Abendvorstellung im Großen Haus. 17.15 Uhr: Die Maskenabteilung verwandelt mich in einen jungen Mann; ich singe die Figur Cherubino. 18.20 Uhr: Nachdem mir die Ankleiderinnen beim Anziehen des Kostüms geholfen haben, singe ich mich in meiner Garderobe ein. 19 Uhr: Ich begrüße die Kollegen auf und hinter der Bühne und schaue nochmals, ob sich alle meine Requisiten am richtigen Platz befinden. Dann endlich 19.30 Uhr: Der Vorhang hebt sich, gleißendes Licht flutet die Bühne, über 600 verheißungsvolle Augenpaare schauen mich an und der Dirigent hebt den Taktstock. Das war am 15. Februar 2020. Seitdem hat sich vieles verändert und der wesentliche Bestandteil für mich als Opernsängerin fehlt: der künstlerische Austausch mit den Kollegen sowie vor allem auf der Bühne mit dem Publikum. Derzeit habe ich den Eindruck, dass ich mich in einem schlechten Hollywoodfilm befinde. Ich kann der Situation wirklich wenig abgewinnen. Das neue Zauberwort &bdquo;Homeoffice" bringt mir in meiner Profession rein gar nichts. Trotzdem versuche ich tagtäglich an meinen Rollen gesanglich zu arbeiten, mich stimmlich fit zu halten, weil ich inständig hoffe, dass sich in naher Zukunft der Vorhang wieder hebt und wir das Publikum in die Welt des Theaters entführen dürfen. Hasti Molavian (31), Sängerin am Theater Bielefeld Ein Aufruf, Fragen zu stellen Ich arbeite seit über 30 Jahren als selbstständige Physiotherapeutin im Raum Bielefeld/Gütersloh und seit sechs Jahren auch als Heilpraktikerin, außerdem gebe ich Yogakurse und Seminare. So etwas wie diese Situation hatten wir noch nie, außer Tschernobyl, das war auch eine schwierige Zeit. Mein Anliegen ist es, einmal darzustellen, dass ich mich durchaus in der Lage fühle, mit dieser Situation umzugehen und die Patienten unter den gegebenen Vorsichtsmaßnahmen behandele. Wenn wir jetzt nicht für die Patienten da sind, wann dann. Leider spüre ich sehr viel Angst bei den Menschen, was sicher auch an einer nicht ganz durchsichtigen Aufklärung liegt. Darum plädiere ich dafür, doch mal genau hinzuschauen, wer wirklich stark gefährdet ist und wer nicht. Zum Beispiel Menschen, welche keine Symptome haben, nicht in gefährdeten Gebieten waren und keine akute Erkrankung im Sinne der Corona-Pandemie haben, dürfen gerne meine Hilfe in Anspruch nehmen. Menschen mit chronischen Erkrankungen und akutem Behandlungsbedarf, besonders Säuglinge und Kleinkinder, sollten nicht zu lange aussetzen, da man sonst zu viel Zeit verliert, denn ihre Entwicklung in den ersten Lebensjahren geht sehr schnell. Bitte informieren Sie sich und haben Sie keine Angst, Angst schwächt übrigens das Immunsystem erheblich. Das Gleiche gilt für die Heilpraktiker. Wir haben gute Möglichkeiten, die Patienten emotional und immunologisch zu unterstützen, obwohl wir in keiner Weise Corona behandeln dürfen und werden. Ich möchte die Menschen aufrufen, Fragen zu stellen und zu hinterfragen, um besser für sich selbst sorgen zu können. Leider hört man sehr oft einseitige Meinungen. Ich möchte auch noch einmal auffordern, die Menschen, welche wirklich Grippesymptome mit Fieber usw. haben, zu testen. Ich habe es mehrfach erlebt, dass erwünschte Tests am Telefon abgelehnt wurden. Zum Schluss möchte ich die Kollegen und Menschen mit Kleingewerben ermutigen, Anträge auf Hilfsmaßnahmen zu stellen. Ich sehe diese Krise auch als Chance, neue Ideen in der Therapie zu entwickeln und sowohl von unserer Seite, wie auch von der Seite der Regierung, Dinge zu überdenken, welche lange überfällig waren, siehe unsere Pflegesituation. Es ist allerdings schade, dass meine Berufsgruppen in der Politik kaum Erwähnung finden, obwohl wir genau wie Ärzte und Pfleger sehr nahe am Patienten sind und in unserem Rahmen einiges an Hilfe leisten können und bereits leisten. Ich möchte Mut machen, diese Krise in eine Chance zu verwandeln. Christiane Brauner (60), Physiotherapeutin Die Krise beschleunigt Endlich Wochenende! Eigentlich ein Grund, um sich zu freuen und noch einmal die Woche Revue passieren zu lassen. Aber ein Wochenende ohne Arbeit und ständige Bereitschaft gibt es beim DRK nicht mehr. Das Headset ist derzeit mein ständiger Begleiter. Online-Meetings fast den ganzen Tag. So also fühlen sich Menschen in Callcentern. Die Krise beschleunigt in vielen Punkten die Digitalisierung und das Arbeiten im Homeoffice. Ist das die Arbeitswelt von morgen? Werden wir so später arbeiten? Nach 14 Stunden im Büro und davon 11 Stunden mit Headset und Computer, hoffe ich es nicht. Was würde ich jetzt dafür geben, mal in einem langweiligen Meeting mit realen Menschen zu sitzen. Noch in Gedanken klopft meine Sekretärin ganz real an meine Bürotür. Die Morgenkonferenz des Krisenstabs beginnt. Danach gehen wir unsere einzelnen Einrichtungen durch. Als Einrichtung der Wohlfahrtspflege verfügen wir über keine großen Rücklagen. Wie können wir das trotzdem schaffen? Wie erhalten wir den hohen persönlichen Einsatz und sichern mit kreativen Ideen unsere weitere Arbeit? Wie können wir Kurzarbeit auf das kleinstmögliche Maß beschränken? Und gerade jetzt zeigt es sich wieder, wie wertvoll es ist, neben den hauptamtlichen auch eine große Anzahl von ehrenamtlichen Kollegen beim Deutschen Roten Kreuz zu haben, die enger denn je miteinander arbeiten. Während einer kurzen Unterbrechung beobachte ich draußen die Mitarbeiter der städtischen Abfallwirtschaft. Na klar, bei Corona dreht sich alles um Versorgung und Schutz. Daneben gibt es aber viele andere Menschen, die mit ihrer Arbeit auch unerlässlich sind. Würde der Müll nicht abgeholt, Wasser und Strom nicht zuverlässig fließen oder Glasfaserleitungen nicht funktionieren, – die schöne und wichtige neue Welt mit Homeoffice und Online-Konferenzen wäre nicht möglich. Und so packt jeder von uns mit an. Jeder mit seinem Können an seiner Stelle und mit einem Blick für die anderen. Vielleicht sieht auch so die Welt nach Corona aus. Christopher Brandes (43), Vorstand DRK Bielefeld Über Diensthandy immer erreichbar Es ist Sonntag, ich habe heute Dienst für den Krisenstab und bin Ansprechpartner für alle Belange rund um das Thema Corona-Management. Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg ins Franziskus-Hospital und besuche die verschiedenen Abteilungen. Jetzt noch einen Stoffmundschutz nehmen, die werden zentral ausgegeben und zum Waschen wieder eingesammelt. Alle Mitarbeiter, die in patientenfernen Bereichen tätig sind, tragen diese jetzt. Besuch in der Zentralen Notaufnahme und auf der Intensivstation, erkundigen nach Besonderheiten, das Gespräch mit den Mitarbeitern suchen, nachfragen: habt Ihr genügend Informationen? Gibt es Fragen? Kurzer, aber ich glaube sehr wichtiger Informationsaustausch. Weiter geht es auf die eigens für Covid-Patienten konzipierte Isolationsstation. Ich frage die Kolleginnen im Frühdienst: &bdquo;Wir haben durch unseren abgelegenen Standort natürlich einen Vorteil und haben uns ziemlich schnell angepasst, Sicherheit durch Training erlangt und zusammen mit der Hygieneabteilung und dem Ärzteteam die Station umstrukturiert", sagen sie. Läuft! In der Halle spricht mich eine Kollegin an: &bdquo;Dass der Krisenstab für alle Mitarbeiter regelmäßig einen Corona-Info- Newsletter rausgibt, ist super!" Prima Kommunikation und Information ist so wichtig. Im Newsletter steht übrigens immer in aller Kürze das Wichtigste zum Tag: Die Ergebnisse aus der täglichen Leitungssitzung, Vorgaben des Gesetzgebers und daraus abgeleitet Änderungen unserer qualitätsgelenkten Abläufe. Dazu praktische Tipps und Hinweise, knapp formuliert, für alle Mitarbeiter tägliche Pflichtlektüre und aktuelle Handlungsanweisung. Ich habe alles erledigt – nein, doch nicht. Die Hygienefachkraft ruft an. Sie ist auch am Standort, hat Befunde gecheckt. Alles in Ordnung, Maskenbestände geprüft, alles da und auch genügend. Die Lieferketten stehen. Deshalb gehe ich jetzt, auch das aktive Abschalten ist in diesen Tagen wichtig. Aber: Über das Diensthandy bin ich für den Fall der Fälle jederzeit erreichbar. Markus Adams (52), Pflegedienstleiter im Franziskus-Hospital Bielefeld schreibt Tagebuch (14): 19-Jähriger ist 33 Stunden unterwegs - und jetzt glücklich bei seiner Familie Bielefeld schreibt Tagebuch (12): Was dieser Bielefelder Schauspieler jetzt macht Bielefeld schreibt Tagebuch (11): Bielefelderin traut sich in Corona-Geisterstadt nach Jahren wieder ans Auto-Steuer Bielefeld schreibt Tagebuch (10): Abitur 2020: Corona-Krise zermürbt Bielefelder Schüler Bielefeld schreibt Tagebuch (9): Bielefelder Familie von heute auf morgen ohne Einkommen Bielefeld schreibt Tagebuch (8): Warum die Corona-Krise für diese Schule eine Chance ist Bielefeld schreibt Tagebuch (7): Corona-schulfrei: "Langsam wird es echt langweilig" Bielefeld schreibt Tagebuch (6): "Jede Krise bietet auch Chancen" - für Mila (5), einen Touristiker und eine Hochschule Bielefeld schreibt Tagebuch (5): Eventmanagerin "Gefühl völliger Ohnmacht" Bielefeld schreibt Tagebuch (4): Das sagt Arminia-Präsident Laufer Bielefeld schreibt Tagebuch (3): So erleben diese Menschen die Corona-Krise Bielefeld schreibt Tagebuch (2): So erleben diese Menschen die Corona-Krise Eine Stadt schreibt Tagebuch (1): So erleben sechs Bielefelder die Corona-Krise Alle aktuellen Entwicklungen in der Corona-Krise in Bielefeld im Liveblog der Lokalredaktion

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