Stadt Bielefeld bedauert Corona-Einsatz bei Großfamilie

Bielefeld. Die Reaktionen auf die Berichterstattung von nw.de am Montag über den Großeinsatz von Polizei und städtischen Mitarbeitern in einem Mehrgenerationenhaus in Jöllenbeck ließen nicht lange auf sich warten und waren zum Teil heftiger Natur. Inzwischen ist die Stadt zurückgerudert, was den martialisch anmutenden Einsatz der Ordnungskräfte am Samstagmittag in einem großen Gebäudekomplex anbelangt, in dem 42 Menschen wohnen. Auf Anfrage der NW teilte Ingo Nürnberger, Sozialdezernent und Leiter des Krisenstabs, mit, dass sich alle Familienmitglieder in der Beckendorfstraße von Anfang an sehr kooperativ gezeigt hätten. &bdquo;Das starke Aufgebot mit Polizei und Ordnungsamt vor wenigen Tagen betrachtet der Krisenstab im Nachhinein für übertrieben. Auch wir lernen täglich dazu", sagte Nürnberger und sprach von einer besonderen Situation. "Familie war kooperativ" Man wolle im Krisenstab noch einmal sprechen, denn das Verhalten der Familie habe keinen Grund dafür geliefert, im Gegenteil. &bdquo;Der Einsatz hätte so nicht sein müssen. Die Familie war sehr kooperativ", sagte auch Stadt-Sprecherin Gisela Bockermann. Die Grundsatzentscheidung, zu dem Haus zu fahren, sei aber richtig gewesen." Zur Berichterstattung erreichte die Redaktion am Montagnachmittag ein Anruf von Jochen Vahle, Frontmann der Rockband &bdquo;Randale". Er schilderte, dass die Großfamilie in ein total schiefes Bild gerückt worden sei. Er sei mit vielen Bewohnern des Mehrgenerationenhauses bestens befreundet. Ihre Kinder würden mit seinen Fußball spielen, und wenn Menschen mit Migrationsgrund gut integriert wären, dann müssten die Bewohner des großen Gebäudekomplexes als leuchtendes Beispiel gelten. Bewohnerin gerührt So äußerten sich sinngemäß viele weitere Nachbarn in Anrufen und E-Mails. Niemand der vielen Bewohner hätte sich jemals irgendetwas zuschulden kommen lassen. &bdquo;Mir tut diese Familie sehr leid, es werden schon Mitbürger beobachtet, wie sie fotografierend um das Haus schleichen. Sie sollten sie schämen. Ich werde auf jeden Fall meine Hilfe anbieten, um den Familien in dieser Situation beizustehen", schrieb Leser Matthias Aufderheide. Gestern Morgen klingelte er bereits an der Tür der Familien, die ohne Grund plötzlich in den Fokus der Mitmenschen geraten war. Und Aufderheide war nicht der Einzige, der sich solidarisch mit den 42 in Quarantäne sitzenden Menschen zeigte. In einem Telefonat mit der Redaktion zeigte sich eine Bewohnerin des Gebäudekomplexes gerührt über die vielen Hilfsangebote, die ihr plötzlich zuteilwerden. &bdquo;Freunde und Verwandte haben uns bisher schon bei Einkäufen und anderen Besorgungen geholten. Gestern morgen standen auf einmal auch Vertreter des TuS Jöllenbeck vor der Haustür und boten ihre Unterstützung an. Wir können nur immer wieder Danke sagen bei dieser großen Solidarität", berichtet eine mehr als dankbare Frau. Rassistisch und beleidigend In dem Mehrgenerationenhaus sei es kein Problem, sich nach der angeordneten Quarantäne ungestört zurückzuziehen. Der Komplex sei groß genug, so dass jede der 42 Personen, Familien mit Kindern, aber auch die Schwiegereltern, genügend Abstand halten könnten. Jede Familie hätte ihre eigene Wohnung. Die Berichterstattung der NW und der große Einsatz der Polizei, des Ordnungs- und Gesundheitsamtes machten ihr wesentlich größere Sorgen. Die Reaktionen von einigen Mitmenschen hierauf seien rassistisch, beleidigend und ehrabschneidend gewesen. Heftige Kommentare im Internet In sozialen Netzwerken habe sie Kommentare gelesen, die unfassbar gewesen wären. So hätte sie lesen müssen: &bdquo;Ihr habt das Recht auf ein Beatmungsgerät im Krankheitsfall verwirkt, da ihr andere Menschen angesteckt habt". Das klinge da noch harmlos. Die Familien seien in den 1980er Jahren aus der Türkei nach Bielefeld gekommen. Mit rechtsschaffender Arbeit habe man sich in Bielefeld eine Existenz erarbeitet. Die Kinder würden studieren, machten ihr Abitur, wären in Bielefelder Sportvereinen. 20 von 42 Personen infiziert Nie hätte sich auch nur ein Familienmitglied in dem Mehrgenerationenhaus etwas zuschulden kommen lassen. Der Großeinsatz der Ordnungsbehörden sei beschämend gewesen. Auch der Integrationsrat der Stadt hat sich inzwischen zu den Vorfällen geäußert. &bdquo;Eine solch öffentlich wirksame Aktion halte ich als Vorsitzender für nicht angemessen", schreibt der Vorsitzende Mehmet Ali Ölmez. &bdquo;Darüber hinaus kritisiere ich die Berichterstattung, in der wortwörtlich von einem Clan gesprochen wird. Allein die Verwendung dieses Begriffes führt zu einer Stigmatisierung und kann verheerende Auswirkungen auf die betroffene Familie haben." Inzwischen sind 20 von 42 Personen infiziert. Hauptaugenmerk gilt nun ihrer schnellen Gesundung.

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