Warum die Corona-Krise für diese Schule eine Chance ist

Bielefeld. Das Coronavirus bestimmt derzeit unseren Alltag. Die vielen Geschichten rund um unser Leben mit dem Virus fasst die Neue Westfälische in dieser täglichen Rubrik zusammen. Eine Chance, den Blick zu weiten Die Schulen sind zu. Und nun? Es ist gerade ziemlich ruhig auf den Fluren. Momentan sind nur noch unsere Sekretärin, der Hausmeister, die OGS-Leitung und ich im Gebäude. Aber schön mit Abstand. Die Kinder fehlen uns sehr. Präsenzpflicht habe ich weiterhin. Auch wenn keine Schüler da sind, gibt es in Corona-Zeiten viel zu organisieren in Sachen Notfallbetreuung und Absprachen oder für die Ausgabe von Materialien. Wir nutzen die Zeit, liegengebliebene Dinge zu erledigen und weiter zu planen. Alle anderen Lehrkräfte arbeiten von zu Hause aus. Einen solchen Ausnahmezustand haben Schulen wohl noch nicht erlebt. Wir haben in der vergangenen Woche gemerkt, dass manche Schüler total verunsichert waren. Sie können mit den Zahlen von Toten oder Erkrankten nichts anfangen. Sie haben keinen Weitblick, sondern eine hilflose Angst. Auch davor, dass Papa, Mama oder die Großeltern sterben. Wir versuchten einige Informationen eher von ihnen fernzuhalten und mit ihnen über die soziale Isolation und notwendige Hygiene zu sprechen. So halte ich es auch bei meinen elf- und 16-jährigen Töchtern, die gerne ihre sozialen Kontakte über die neuen Medien pflegen. Ich versuche neutral und kritisch über Informationen zu sprechen, die sie durch Chats erfahren. Die Kinder sind total aus ihrem Alltag gerissen. Sie können weder ihre sportlichen oder gesellschaftlichen Hobbys pflegen, noch Musikstunden machen, sollen keine Freunde mehr treffen, dürfen nicht zur Schule und müssen doch etwas tun.Die Eltern sind mit Sicherheit ebenfalls beunruhigt, vielleicht zusätzlich auch durch wirtschaftliche Sorgen. Sie arbeiten oft von daheim aus und sind eh in einem großen Zwiespalt als Bezugsperson, Arbeitskraft – sie müssen ja trotzdem etwas leisten – und nun als Lernpartner für ihre Kinder. Die Aufgaben, die von der Schule mitgegeben wurden, sind idealerweise so gestellt, dass die Kinder sie selbstständig bearbeiten können. Auf unserer Schulhomepage wurde eine Homeschooling-Seite eingeführt. Die Eltern werden dort und per WhatsApp-Chat regelmäßig über Beschäftigungsideen für ihre Kinder, Neuerungen in der Organisation und den Erlassen informiert. Auch meine Töchter haben ein reichhaltiges Lernpaket erhalten. Leider bin ich vormittags im Schulbüro und kann meine Kinder nicht so optimal begleiten und setzte da auf ihre Selbstständigkeit. Natürlich nehme ich mir dann abends die Zeit, mir zeigen zu lassen, was sie gelernt haben – auch wenn ich erschöpft bin. Hier möchte ich gerne die Chance nutzen, eine interessante Frage der Eltern zu beantworten. Sollen jetzt die Eltern die Lehrer ersetzten?Man kann uns Lehrer daheim vielleicht nicht ganz ersetzen, dafür aber andere wertvolle Dinge lehren. Gerade im Haushalt und Garten gibt es viel, was man als Kind neu lernen kann. Eltern haben zu den eigenen Kindern eine andere Beziehung. Deshalb wäre es am besten, wenn die Kinder alles alleine lösen könnten. Hausaufgaben sind ja auch sonst schon ein eher schwieriges Thema daheim, das zu Frust und Streit führt. Beim Homeschooling sollten die Eltern sich möglichst herausnehmen. Wir Lehrer sind weiterhin erreichbar, auch bei Problemen. Wir wollen, dass alle in Übung bleiben. Sie müssen nicht eigenständig im Lernstoff weiterkommen. Die Corona-Krise bietet auch Chancen, um den Blick in Richtung &bdquo;Digitalisierung" noch mehr zu weiten. Wir waren zu diesem Zeitpunkt am Anfang unserer Konzeptentwicklung und in einer Ausprobierphase mit verschieden Präsentationsmedien. Gelernt haben wir heute schon, dass nicht nur die Schule und die Lehrer mit digitalen Medien umgehen können müssen, sondern auch eine präventive Eltern- und Schülerschulung vonnöten ist. Aber das Allerwichtigste für das gesamte Kollegium der Südschule war sofort klar, und zwar den Kindern und Eltern zu signalisieren, dass wir im Gedanken bei ihnen sind. In Gedanken schenken wir jedem einen bunt glitzernden Regenbogen. Er soll helfen, schwere und dunkle Tage wieder zum Leuchten zu bringen. Jeder Regenbogen ist ein Lächeln des Himmels, das uns daran erinnern will, dass nach trüben Tagen auch wieder die Sonne scheint. Dilek Irmak (39), Leiterin der Südschule Die Hoffnung stirbt zuletzt Corona. Deprimierend. Bielefeld, eine Geisterstadt. Die meisten Geschäfte sind dicht. Hamsterkäufe in den offenen Märkten. Wenige Leute auf der Straße. Wir Bürger: kaserniert, Lagerkoller droht, wenn’s länger dauert. Vergangener Samstag, 16 Uhr, die Sonne lässt sich bei angenehmen 14 Grad versteckt blicken. Ich sitze mit meiner Frau mit Jacken auf unserem Balkon. Sie liest einen spannenden Krimi, ich sinniere so vor mich hin. Tausende Gedanken gehen mir durch den Kopf. 18 Uhr: Sportschauzeit. Kein Fußball. Schmerzhaft für einen Fan unser Bielefelder Arminia. Sie stehen seit längerer Zeit auf Platz 1 der 2. Liga, aufstiegsbereit. Wie geht’s weiter? Wir folgen spät abends dem Aufruf: Kerze ins Fenster stellen. Und ein Gebet. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Günter Sahm (69), Rentner Frische Luft und Sonne tun gut Das Frisörgeschäft, in dem ich auf 450-Euro-Basis arbeite, hat jetzt geschlossen. Ansonsten arbeite ich selbstständig und mache Hausbesuche. Die fallen momentan ja auch komplett weg. Natürlich sind das finanzielle Einbußen, aber wir müssen jetzt alle helfen, das Virus möglichst einzudämmen.Ich bin froh, dass wir direkt am Wald wohnen, einen großen Garten haben und draußen sein können. Frische Luft und Sonne tun gut. Unsere Tochter ist natürlich auch zuhause. Sie ruft sich die Aufgaben ihrer Schule ab, die sie machen muss. Das macht sie wirklich gut – und gewissenhaft. Wir verfolgen alle die Nachrichten, über die Entwicklungen hier in Bielefeld und in der Welt. In China soll sich die Lage ja langsam etwas entspannen. Das macht Hoffnung.Martina Ratz (49), Friseurmeisterin Alle aktuellen Entwicklungen in der Corona-Krise in Bielefeld im Liveblog der Lokalredaktion

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