Skandalös: Mieter bibbern seit Monaten ohne Warmwasser und Heizung

Bielefeld. Schimmel, kaltes Wasser, defekte Heizungen, Sanierungs-Stau. Ob im Oberlohmannshof in Jöllenbeck, im Alten Dreisch in Stieghorst, im Horror-Haus von Brackwede oder im Biberweg in Sennestadt: In vielen Siedlungen in der Stadt sind Mieter regelmäßig auf dem Baum. Sie fühlen sich von ihren Vermietern ausgenutzt und mit Problemen und Schäden in ihren Wohnungen allein gelassen. Fast immer handelt es sich dabei um große Wohnkonzerne. Auch in Jöllenbeck herrscht aktuell wieder eine Situation, bei der Bewohner angeben, an ihre Grenzen kommen – und die bezeichnend für die Misere ist. Seit Ende November bleibt in mehreren Häusern in der Siedlung Oberlohmannshof das Wasser kalt. Für die tägliche Körperpflege müssen Mieter das Wasser in einem Kocher oder auf dem Herd erhitzen. &bdquo;Nur um 4 Uhr morgens ist es heiß, ansonsten ist es maximal lauwarm", sagt Jennifer Jafrie. Sie dusche seit Wochen bei ihrem Onkel, der ein paar hundert Meter entfernt wohnt. Auch die Heizung sei seit mehreren Monaten kaputt – und werde nicht mehr richtig warm, sagt Slohi Mae, der mit seiner Familie in einem der Häuser in der Orionstraße lebt. In seinem Schlafzimmer zeigt er auf einen großen schwarzen Streifen an der Wand. Der Schimmel zieht sich bis über das Fenster, keine zwei Meter vom Bett entfernt. &bdquo;Er kommt immer wieder. Wir können machen, was wir wollen", sagt der Familienvater. "Bewohner wissen nicht, wie sie sich wehren können" &bdquo;Diese Probleme treten regelmäßig schon seit mehr als drei Jahren auf", sagt Ute Joachim. Die Stadtteilkoordinatorin ist für die rund 500 Mieter im Oberlohmannshof da und versucht zu vermitteln, denn nur wenige Mieter sprechen Deutsch. Der Migrationsanteil in der Siedlung beträgt 83 Prozent, knapp jede dritte Familie bezieht Sozialhilfe. &bdquo;Die Bewohner wissen nicht, wie sie sich wehren können, weil sie ihre Rechte nicht kennen", sagt Joachim. Jennifer Jafrie glaubt: &bdquo;Wenn ich bei dem Konzern anrufe und mich beschwere, werde ich eh nicht ernstgenommen." Doch auch Stadtkoordinatorin Joachim fühle sich oft hilf- und machtlos, wenn sie bei den Wohnkonzernen anrufe und auf Schäden in den Wohnungen aufmerksam mache. &bdquo;Entweder dauert es Wochen, bis etwas passiert – oder es tut sich gar nichts." Wütende Mieter gibt’s auch im Bielefelder Osten: In der Siedlung Am Alten Dreisch mit 250 Wohnungen bemängeln Bewohner um Simone Bloomfield seit Jahren einen &bdquo;schwierigen Umgang" mit dem Vermieter – der IWG aus Berlin. &bdquo;Wir mussten Jahre um eine Sanierung kämpfen – und jetzt wird sie in vielen Häusern total schluderig und unsorgfältig durchgeführt", behauptet Bloomfield. Die Bewohner vermissen Ansprechpartner vor Ort und &bdquo;Gespräche auf Augenhöhe". Einige Probleme würden mittlerweile über einen Anwalt geklärt. &bdquo;Es läuft langsam aus dem Ruder", sagt Bloomfield. Die IWG verweist hingegen darauf, dass einmal pro Woche ein Ansprechpartner in die Siedlung komme, um Fragen zu klären. Wann ist die Grenze der Belastbarkeit überschritten? Ärger bei der Sanierung gibt es auch im Bielefelder Süden. In Sennestadt saniert die Vonovia ihre Wohnungen im Bereich von Biber-, Keiler- und Hirschweg. Mieter Thorsten Albutat meldete sich in der Redaktion und beklagte, dass wegen der Bauarbeiten kalte Luft in seine Wohnung ziehe – und er seitdem bei rund 12 Grad Celsius friere. Angebote der Vonovia, vorübergehend mit einem Heizstrahler zu heizen, lehne er ab. Die Vonovia betont, dass sie den Mietern persönlich mit Rat und Tat zur Seite stehe und sie umfassend informiere. Und während solcher Arbeiten entstünden leider für kurze Zeit Belastungen. Doch was ist für Mieter im Rahmen des Verträglichen – und wann sind Belastungsgrenzen überschritten? Ralf Brodda vom Mieterbund OWL sagt, dass es sich bei Schäden in den Augen vieler Mieter immer um einen &bdquo;Notfall" handele. &bdquo;Das muss man natürlich individuell prüfen." Defekte Heizungen und Warmwasser-Schäden seien aber zurecht nicht hinnehmbar. Der Mieterbund mache die Erfahrung, dass die Beschwerden von großen Wohnkonzernen nicht so intensiv behandelt würden, wie es notwendig wäre. Zugleich könne Brodda gewisse Verzögerungen bei Reparaturen nachvollziehen, zum Beispiel wenn Ersatzteile geliefert werden müssten. &bdquo;Die großen Wohnkonzerne kaufen oft Bestände aus den 50er Jahren auf. Dort wurde über Jahrzehnte gespart. Das macht sich irgendwann bemerkbar." "Sie sollten bereit sein, notfalls vor Gericht zu ziehen" Dennoch glaubt Brodda, dass es großen Konzernen vor allem um Rendite geht, die Mieter seien letztlich die Leidtragenden. Bei größeren Mängeln empfiehlt er Mietern, sich vorab zu beraten (zum Beispiel beim Mieterbund OWL), Schäden zu dokumentieren, sich dann unbedingt schriftlich zu beschweren und den Druck zu erhöhen. &bdquo;Sie sollten auch bereit sein, notfalls vor Gericht zu ziehen." Das scheuten aber viele Mieter. Für Jens Hagedorn aus dem Bauamt ist es wichtig, die einzelnen Fälle differenziert zu betrachten. &bdquo;In wirklich schlimmen Situationen können wir durch unsere Wohnungsaufsicht aktiv werden und Kontakt zum Vermieter aufnehmen." In vielen Situationen sei Hagedorn aber froh, dass überhaupt saniert werde. Dass es dabei für Mieter zu Einschränkungen kommen könne, sei normal. Auch Sozialdezernent Ingo Nürnberger rät Mietern, sich in schlimmen Fällen konkret bei der Stadt zu melden, zum Beispiel im Sozialdezernat. &bdquo;Wir haben großes Interesse daran, dass die Wohnungen in der Stadt ordnungsgemäß vermietet werden." Im Fall Oberlohmannshof hat zum neuen Jahr der Eigentümer gewechselt. Der Defekt einer Warmwasser-Anlage sei dem neuen Verwalter nicht mitgeteilt worden, sagt ein Sprecher und betont: &bdquo;Wir haben uns dem Fall umgehend nach Übernahme und Bekanntwerden gewidmet." Jetzt warte man nur noch auf die Lieferung der Ersatzteile. Stadtteilkoordinatorin Joachim hofft, dass sie und die Bewohner nicht erneut vertröstet werden.

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