Anwohner packen aus: So gefährlich ist der Kesselbrink wirklich

Bielefeld. Ist es zumutbar, ein Jugendangebot auf einem Platz zu errichten, auf dem es regelmäßig zu Gewalttaten, Drogen- und Alkoholproblemen kommt? Diese Frage erhitzt aktuell die Gemüter in der Stadt. Doch ist der Kesselbrink tatsächlich so gefährlich, wie es die aktuellen Diskussionen erahnen lassen? Wer hält sich dort regelmäßig auf und was sagen Anlieger und Anwohner? Die NW hat sich mehrere Wochen lang umgeschaut – und kommt zu einem ersten Ergebnis. Mittwochabend, 19.30 Uhr: Am Kiosk zwischen Wilhelmstraße und Grüner Würfel sammelt sich eine Gruppe junger Männer. Ein Jugendlicher passiert den Bereich, kaum älter als 13 Jahre. &bdquo;Möchtest du was haben?", fragt ihn einer der Männer und zeigt in die Innentasche seiner Jacke. &bdquo;Nein danke", sagt der Junge überrascht und geht schnell weiter. Auch an den Folgetagen trifft sich die Gruppe abends im Bereich des Kiosks. Aufdringlich-aggressiv wirken die Männer nicht, einladend ist die Situation aber ebenso wenig. Eine Bielefelderin blickt aus ihrem Büro fast täglich auf diesen Bereich. &bdquo;Dort findet regelmäßig kleinteiliger Drogenhandel statt – und zwar relativ ungeniert, auf offener Straße, am helllichten Tag. Das kann ja jeder sehen", sagt die Frau. Zu festen Uhrzeiten, meist mittags gegen 12 und abends ab 18 Uhr, würde sich dort eine Gruppe junger Männer treffen – &bdquo;Schwarzafrikaner". &bdquo;Vom Alter her müssten die um diese Zeit eigentlich in der Schule sitzen oder bei der Ausbildung sein. Ich schätze ihr Alter auf 18 bis Mitte 20." Die Frau würde ihre Tochter niemals zu einem Jugendangebot auf den Platz schicken, solange sich an dieser Situation nichts ändere, sagt sie. Im Winter sei auf dem Platz kaum was los Im besagten Kiosk betrachtet man die Situation entspannter. &bdquo;Vor allem am Monatsanfang kommen viele Leute zu uns und kaufen Alkohol", sagt ein Mitarbeiter. Vor dem Kiosk, ein paar Meter von der Volksbank entfernt, würde häufig eine Gruppe Männer sitzen und Alkohol trinken. &bdquo;Mal sind es 5, mal 20", sagt der Mann. Ihren Alkohol würden sie meist mitbringen, das sei günstiger. Ob es Probleme gebe? &bdquo;Das kann immer passieren, ist aber eher selten und für eine große Stadt normal." Die Situation sei abhängig vom Wetter: Im Sommer sei der Platz voll, jetzt im Winter sei kaum was los. &bdquo;Ich laufe jeden Tag über den Platz", sagt ein Unternehmer, dessen Geschäft an den Kesselbrink angrenzt. &bdquo;Mir tun die Trinker dort eher leid, als dass ich mich von ihnen gestört fühle", sagt der Mann. &bdquo;Dahinter stecken doch schließlich tiefersitzende Probleme." Noch nie habe er sich auch nur ansatzweise bedroht gefühlt. &bdquo;Es gab mal zwei Situationen am Wochenende, da wurde ich provokant angeschaut, bin dann aber schnell weitergegangen – und es ist nichts passiert." Der Mann räumt ein: &bdquo;Natürlich laufe ich nachts lieber über den Siggi als über den Kesselbrink. Als No-go-Area würde ich den Platz aber auf keinen Fall bezeichnen." Dennoch sehe er eine Mitschuld bei der Stadt: &bdquo;Die hat große Teile des Platzes doch über Monate hinweg gesperrt. Dann ist es kein Wunder, dass dort eine Belebung des Platzes fehlt." "Ich wurde hier noch nie blöd angesprochen" Als einen &bdquo;großen Fan" des Platzes bezeichnet sich eine junge Frau, die dort seit sieben Jahren wohnt. Sie könne die negativen Aussagen nicht verstehen. &bdquo;Ich bin hier total gerne in meiner Freizeit und wurde noch nie blöd angesprochen. Ich habe bislang keinerlei Probleme gehabt, wenn ich nachts allein über den Platz gegangen bin." Über Vorfälle, vor allem nachts an den Wochenenden, sagt sie: &bdquo;Das kann aber überall in einer Großstadt passieren." Michael Wiese von der Drogenberatung bemängelt, dass sich die aktuelle Diskussion vor allem auf Gefühle und Emotionen stütze, nicht aber auf konkrete Zahlen und Analysen. Sozialdezernent Ingo Nürnberger schätzt die Anzahl der Mitglieder der &bdquo;Alkoholszene" auf einen harten Kern von meist fünf bis zehn Personen. Ähnlich wie am Stadtbahnzugang &bdquo;Tüte" könne diese Anzahl aber schlagartig zunehmen. &bdquo;Das ist mit dem Wetter allein nicht zu erklären." Rufschädigend Offizielle Zahlen zur Drogenszene liegen Nürnberger nicht vor. &bdquo;Beides sind kleine Gruppen, die den Ruf des Kesselbrink nach unten ziehen. Deshalb wollen wir gegensteuern", sagt Nürnberger. Bereits jetzt gibt es im Grünen Würfel zwischen 15.30 und 19.30 Uhr Angebote für junge Menschen. Das Programm soll Stück für Stück ausgeweitet werden. Fakt ist: Wie umstritten und sensibel das Thema für viele Bürger ist, zeigte sich auch während der Recherche. Einige Menschen reagierten auf Anfragen gar nicht erst. Und diejenigen, die eine Meinung haben, wollen lieber anonym bleiben. Eine erste vorsichtige Einschätzung: So schlimm, wie der Platz zuweilen dargestellt wird, hat er sich zumindest in den vergangenen Wochen nicht gezeigt.

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