Verblüffend: In Bielefeld leben immer mehr Möwen

Bielefeld. Kein Sandstrand, keine Dünen, kein Meer - trotzdem werden immer häufiger Möwen in der Stadt gesichtet. Die weiß-gräulich gefiederten Vögel mit kräftigen Schnäbeln lockt es sogar an den Boulevard und in die Innenstadt. Längst gewöhnt haben sich die Bielefelder an Möwen am Obersee und im Schutzgebiet Rieselfelder Windel. Möwen in Bielefeld? Das ist durchaus normal, Möwen brauchen nicht unbedingt Nord- und Ostsee als Revier. Möwenforscher Sönke Martens aus Itzehoe erklärt, dass Möwen ziehende Vögel sind, die über das Jahr verteilt weite Strecken zurücklegen und weit verbreitet sind. In Bielefeld leben von den elf deutschen Arten vier bis fünf. Martens spricht von Binnenlandmöwen. Die Lachmöwe gehört zu den häufigsten. Gesehen wurden in Bielefeld aber auch schon: Heringsmöwe, Sturmmöwe, Mantelmöwe, Silbermöwe. 12 Küken in Bielefeld Schätzungen zufolge befanden sich 2014 in NRW bis zu 6.000 Lachmöwen-Brutpaare. In Bielefeld gab es 2015 zwölf Küken im Schutzgebiet Rieselfelder Windel. 2017 waren es bereits 50. Die Möwen zieht vor allem die Nahrungsvielfalt in die Städte. Früher waren es die riesigen Müllkippen, die für die Vögel interessant waren. Heute sind es Recyclingstationen und herumliegende Essensreste. "Möwen sind Allesfresser. Von der Feldmaus und dem Regenwurm bis zum Toastbrot - die essen einfach alles", sagt Martens. Weil sie so neugierig sind und vieles fressen, sind Möwen zu sehr klugen Vögeln geworden, sagt Martens. Möwen, die oft an bestimmten Orten gefüttert werden, speichern diese Orte. So kann es passieren, dass eine Möwe durchaus länger an einem Ort bleibt, an dem sie häufig Brotkrümel findet. Überwiegend nutzen die Möwen Bielefeld aber nur als Rastplatz, für wenige Tage, auf ihrer Durchreise. "Von Stadtmöwen kann absolut keine Rede sein", hebt der Möwenforscher hervor. Bis November könnten die Bielefelder mit hoher Wahrscheinlichkeit noch Möwen beobachten. Für die Überwinterung würden sich die Möwen voraussichtlich andere Orte suchen, wärmere. Vereinzelt aber fanden auch schon Überwinterungen am Obersee statt. Dem Partner immer treu Möwen können bis zu 30 Jahre alt werden. In dieser Zeit bereisen sie viele Orte. Viele von ihnen besitzen Farbringe, an denen die Tiere erkannt und verortet werden können. So entsteht ein Lebenslauf des Tieres. Jeder, der eine Möwe mit Ring findet, kann den Code ins Internet eingeben und durch den zuständigen Beringer erfahren, welches Tier der Träger war. Nicht so wechselhaft wie der Wohnort ist der Partner der Möwe. Treu und liebevoll bleiben Möwen ein Leben lang bei einem Partner. Um zu brüten zieht es die Vögel auf flache Flächen in der Nähe von Gewässern. Auch am Obersee wurden schon Bruterfolge vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) dokumentiert. Flache Hausdächer können ebenfalls zur Brut verwendet werden. Beim Füttern gilt Vorsicht Eine Gefahr für die Bielefelder besteht durch die Möwen nicht, sagt Martens. Möwen sind nicht in der Lage, Menschen schlimme Verletzungen zuzufügen. Lediglich beim Füttern gilt Vorsicht. Möwen erbeuten schnell Dinge, die eigentlich der Mensch essen wollte. So manches Eis landete schon im Schnabel einer heranstürzenden Möwe. Dass Möwen Menschen mit Krankheiten infizieren, ist eher unwahrscheinlich, sagt Martens. Theoretisch könne eine Infektion über den Kot übertragen werden, aber: Durch das schnelle Austrocknen der Erreger im Kot bestehe aber schon frühzeitig keine Gefahr mehr. "Wenn ich nicht gerade mit dem Finger durchgehe und ihn anschließend in den Mund stecke, kann auch nichts passieren", sagt der Möwenforscher, der auch Mediziner (Internist) ist und als Controller in einem Krankenhaus arbeitet. Das Niveau der Infektionsgefahr liege unterhalb der Gefahr, die von Katzenkot ausgehe.

Meistgelesen