So steht es um die Clankriminalität in Bielefeld

Bielefeld/Düsseldorf. Über Jahrzehnte gewachsene Strukturen krimineller, türkisch-arabischstämmiger Familien haben vor allem im Ruhrgebiet Zustände erreicht, die für Politik und Polizei nicht mehr haltbar waren. Längst haben diese Täter im Schutz der Familie versucht, ganze Straßenzüge als rechtsfreien Raum zu erobern. Das Landeskriminalamt NRW hat deshalb erstmals ein Lagebild zur Clankriminalität veröffentlicht. Ostwestfalen spielt dabei fast keine Rolle. Aber eben nur fast. 184 Straftaten von kriminellen Familien ordnet das LKA in der Zeit von 2016 bis 2018 dem Polizeipräsidium Bielefeld zu. Wie Polizeisprecherin Sonja Rehmert bestätigt, handelt es sich dabei "fast ausschließlich um örtliche, Bielefelder Tatverdächtige." Nicht-Bielefelder spielten in dieser Statistik keine nennenswerte Rolle. Insgesamt zählt die Polizei 58 in Bielefeld ansässige, tatverdächtige Clan-Mitglieder, fünf davon gelten als Mehrfachtäter. Wie wenig das ist, zeigt ein Blick nach Essen, wo das Landeskriminalamt im gleichen Zeitraum 2.439 Taten von 1.114 kriminellen Clanmitgliedern registrierte. Der NRW-weite Höchstwert. Es folgen Gelsenkirchen (1.096 Taten) und Recklinghausen (1.091). Leichter Anstieg in den vergangenen drei Jahren Trotzdem zeigt die Tatort-Karte des LKA dort, wo Bielefeld liegt, keinen weißen Fleck. Erfasst wurde, wo Mitglieder eines Familienclans Straftaten begangen haben. 51 Bielefelder Tatorte waren es 2016, 57 im Jahr darauf und 76 im vergangenen Jahr. Sind demnach organisierte und profitorientierte Täterfamilien, die sich in ethnisch abgeschotteten Subkulturen bewegen, hier doch ein Thema? Rehmert betont: "Die im Lagebild Clankriminalität bezeichneten Straftaten stellen sich für Bielefeld als Straftaten der allgemeinen Kriminalität, ohne Bezüge zur organisierten Kriminalität, dar." Es handele sich dabei also nicht um "clantypische Taten" wie etwa die Verübung von Gewaltdelikten oder Straftaten zur Einschüchterung von Dritten. Drogenrazzia in neun Objekten gleichzeitig Sehr wohl beschäftigen aber einige wenige Familien in der Stadt die Polizei seit Jahrzehnten. Erst im März 2019 sorgte eine Razzia in neun verschiedenen Häusern - einige davon gehören zu einer polizeibekannten Bielefelder Familie - für Aufsehen. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Täter über Jahre Strukturen aufgebaut habe, um am Rechtsstaat vorbei ihren Geschäften nachzugehen. Führend dabei sollen zwei Mitglieder der kurdisch-jesidischen Familie sein. Hier geht es vor allem um bandenmäßigen Drogenhandel "in nicht geringer Menge" (Mindeststrafe: fünf Jahre Haft), aber auch um das systematische Erschleichen staatlicher Leistungen. Bandenmäßiger Drogenhandel und systematisches Erschleichen staatlicher Leistungen Wie am Rande der Razzia klar wurde, leben die Familienmitglieder alle von Hartz-IV-Leistungen. Trotzdem konnte der Clan durch illegale Geschäfte große Vermögenswerte anhäufen. Die Polizei stellte im März sechs Fahrzeuge unter den Mitgliedern der mutmaßlichen Dealerbande sicher - darunter teure Luxuslimousinen der Marken Mercedes, Audi und BMW. Vier Mitglieder der kurdisch-jesidischen Familie sitzen seitdem in U-Haft. Die Ermittlungen dazu dauern noch an. Dem Vernehmen nach soll es nach der Beschlagnahme von 60 Kilo Rauschgift inzwischen auch belastende Insider-Aussagen gegen die Familienmitglieder geben. Familienehre wichtiger als das deutsche Strafrecht In OWL ist der Kreis Minden-Lübbecke die Hochburg der Clan-Kriminalität. Der nördlichste Teil der Region liegt sowohl, was die Straftaten (191) als auch die ansässigen Tatverdächtigen (92) anbelangt, an der Spitze. Auffällig unter den ländlichen Gebieten ist auch Lippe mit 139 Straftaten und 68 ansässigen Clan-Mitgliedern. Gütersloh kommt auf 120 Straftaten, Herford auf 115, Paderborn auf 100 und Höxter auf 25. Doch auch in anderer Hinsicht ist das Phänomen Clankriminalität in Ostwestfalen und Bielefeld anders gelagert. Während im Ruhrgebiet Täter mit türkisch-arabischen, oft explizit libanesischen Wurzeln auffällig sind, sei "die Kriminalität im Sinne der ethnischen Definition des LKA NRW zur Beschreibung von Clankriminalität in Bielefeld derzeit nicht relevant", sagt Rehmert. Was aber die kriminellen Familien in NRW eint, ist, dass ihren Mitgliedern die Familienehre wichtiger sei als das deutsche Strafrecht, sagt ein Polizeisprecher. Wenn Straftaten stattfinden, so die Erfahrungen der Ermittler, werde der Täter durch seine Familie geschützt.

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