Bernd und Esther: Anwälte raten zu Einspruch gegen Bielefelds Laserblitzer

Bielefeld. Die Stadt verfügte bisher nicht über Blitzer mit Lasertechnologie. Der dreimonatige Test mit Blitzer Bernd und dem Konkurrenzprodukt, das die Bielefelder Esther getauft haben (seit 13. September), bringt für die Ordnungsbehörde einige neue Möglichkeiten - aber auch Risiken. Das jedenfalls sagt ein Wuppertaler Rechtsanwalt, der die Messergebnisse der Laser-Blitzer anzweifelt. Tim Geißler rät allen Betroffenen, Einspruch zu erheben: "In 50 Prozent der Fälle misst die Technik anders als von der Prüfbehörde vorgesehen." Messwerte nicht akkurat? Anwalt Tim Geißler nennt sich auf seinem Youtube-Kanal "Der Hexer". Den Poliscan-Laserblitzer, den Hersteller Vitronic in seinem "Enforcement Trailer" (Esther) untergebracht hat, nennt er "sein Steckenpferd". Das Gerät sei zwar von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) nach langjährigen Tests zugelassen, Geißler kritisiert aber die fehlende Nachvollziehbarkeit der "Messwertbildung". Denn die Poliscan-Technik erfasse Tausende Einzelmesswerte, um daraus ein Ergebnis zu generieren. "Nur weiß keiner wie", sagt Geißler. "Das Gerät löscht alle Werte bis auf fünf Hilfswerte. Daraus lassen sich sechs Geschwindigkeiten errechnen." Dem Anwalt zufolge tauchen dabei in auffällig vielen Fällen vier deutlich höhere Geschwindigkeiten auf als das Messwertergebnis und zwei niedrigere. "Man sollte schon erwarten, dass die sechs Werte auf einer Strecke von 30 Metern ungefähr zusammenpassen. Beim Enforcement Trailer liegen diese Werte aber oft 7 bis 12 km/h auseinander." Anwalt: Hersteller bekommt Erfolgsbeteiligung Der Anwalt, der nach eigenen Angaben 700 Blitzerverfahren pro Jahr (250 davon zur Poliscan-Technik) anstrengt, glaubt, dass die Hersteller ein Interesse haben könnten, höhere Geschwindigkeiten zu erzielen. "Die Gerätehersteller erhalten für jedes erfolgreiche Bußgeldverfahren Servicepauschalen von der Kommune." Bei bis zu 20 km/h Übertretung gebe es 3,50 Euro, sei der Temposünder schneller, gebe es 5 Euro. "Ohne die ganzen gelöschten Messwerte ist nicht auszuschließen, dass das Ergebnis überhöht angezeigt wird", sagt Geißler. "Bei einem Alkoholtest erhalte ich alle Messwerte von A bis Z. Bei den Blitzern bleibt ein großes Geheimnis." Ordnungsamt überrascht Die Kritik gilt übrigens nicht nur für Esther. Blitzer Bernd ("Semistation" von Jenoptik Robot) arbeite auch mit einem Laserabtastverfahren. Zwar sei die Messwertbildung etwas anders, aber die Problematik im Prinzip vergleichbar. Konkurrent ESO gebe inzwischen alle Messwerte heraus: "Im Verfahren beanstandet man dort kaum mehr etwas", sagt der Wuppertaler. Norman Rosenland vom Ordnungsamt kannte diese Kritik an seinen Testblitzern bisher nicht: "Diese Thematik war uns vorher nicht bekannt." Inzwischen habe man natürlich den Hersteller Vitronic dazu befragt. Und der konnte die Stadt beruhigen. Rosenland: "Wir setzen darauf, dass die PTB die Geräte auf Herz und Nieren geprüft hat, und rechnen daher nicht mit juristischen Problemen." Thomas Fabricius von der Vitronic-Tochter "Vetro Verkehrselektronik" kennt den "Hexer" und seine Argumente bereits: "Geißler ist sehr umtriebig, um Polizei und Kommunen das Leben schwerzumachen. Ihm ist aber noch kein Beweis gelungen, dass die Messwertbildung fehlerhaft war." Der Vertriebsleiter wundert sich eher, dass Geißler das Thema immer noch aufkocht. Verfahren vorm Oberlandesgericht 2016 gab es einige Einspruchsverfahren gegen Poliscan-Messungen. Dabei wurde oft die Tatsache kritisiert, dass einzelne Messwerte, außerhalb des von der PTB vorgegebenen Messbereichs lagen. "Die Bundesanstalt hat aber im Januar 2017 abschließend festgestellt, dass dies kein Grund ist, den Messwert und die Messwertbildung anzuzweifeln", so Fabricius. Laut PTB beeinflussen die Messwerte außerhalb des Messbereichs die Zuverlässigkeit der Messung nicht. Daraufhin hätten viele Oberlandesgerichte die Einstellungen der Amtsgerichte wieder kassiert. Bielefelder Verkehrsrechtler skeptisch "Das ist richtig", räumt Mirko Roßkamp, Bielefelder Fachanwalt für Verkehrsrecht, ein. Trotzdem hat auch er jetzt ein erstes Gutachten zu Blitzer Bernd in Auftrag gegeben. Ein Sachverständiger soll dessen Technik durchchecken: "Ich bin der Auffassung, dass die Messdatenbildung nachvollziehbar sein muss. Und ich unterstelle der PTB, dass auch sie nicht in der Lage ist, alle Software-Programme bis ins letzte Detail zu durchschauen." Daher empfehle auch der Bielefelder Anwalt jedem, Einspruch zu erheben und seine Messung überprüfen zu lassen. "Erst kürzlich habe ich in den internen Unterlagen entdeckt, dass ein Blitzer fünfmal repariert worden war - weil er zu oft falsch ausgelöst hatte."

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