Bielefeld. Die Pornolandschaft ist von männlichen Vorstellungen geprägt. Feministische Pornos nehmen die Interessen der Frau mehr in den Fokus und räumen mit dem veralteten Frauenbild auf. Der Bielefelder Daniel Butt hat im Rahmen seines Studiums darüber geforscht und erklärt eine andere Welt.
Die Jusos (SPD) Berlins haben jüngst mit einer Forderung an die ARD und ZDF erstmals die Einführung von feministischen Pornofilmen zu Bildungszwecken gefordert. Sie stören sich am veralteten Frauenbild in Erotikfilmen. Auch in Bielefeld ist das Thema jetzt angekommen.
Schweden als Vorreiter im Geschäft
Schweden verfügt schon seit Jahren über eine frei zugängliche feministische Pornosammlung. Diese wird vom Staat zu Bildungszwecken gefördert und heißt "Dirty Diaries". Sie wurde 2009 vom staatlichen Filminstitut mit 50.000 Euro gefördert.
Mit unter anderen dieser Filmkollektion hat sich ein Bielefelder Studierender auseinandergesetzt. Daniel Butt studiert "Interdisziplinäre Medienwissenschaft" und beschäftigt sich mit Inhalt und Aussage feministischer Pornographie.
Medienwissenschaften-Studierender am Zahn der Zeit
Doch wie kommt man auf so ein Thema? Butt ist über ein Webcomic „Oh Joy Sex Toy" von Erika Moen auf Erika Lust, eine Drehbuchautorin für feministische Pornos, gestoßen. Eigentlich hätte er gern Erika Lust bei einem Pornodreh begleitet und eine Produktionsanalyse gemacht, doch die "Rahmenbedingungen stimmten nicht".
Deshalb hat sich sich der 29-Jährige die Dirty Diaries besorgt und eine Medienanalyse gemacht. Folgende Fragestellungen hat er unter die Lupe genommen: Wie funktioniert feministische Pornographie? Was grenzt sie von anderen Formen der Pornographie ab? Welche Potenziale birgt sie?
Sind Pornofilme sexistisch?
Zunächst aber zum Grundsätzlichen: Sind Pornofilme sexistisch? „Sexistisch sind normale Pornos in dem Sinne, dass ihnen unterstellt werden kann, dass sie 'naturalisieren', also Rollen ans Geschlecht knüpfen und sie als 'natürlich' und unumstößlich konstruieren."
So stelle die allgemein bekannte Mainstreampornographie oft ein sehr "genormtes" Bild dar: „Frau wird geleckt, dann wird sie in verschiedene Öffnungen penetriert, dann wird ihr ins Gesicht gespritzt. Ende." Doch auch Frauen würden "männliche Lust" empfinden, sagt Butt. "Das ist das Phänomen, was viele unter Dominanzverhalten beim Geschlechtsverkehr verstehen könnten." Was mögen Frauen? Was mögen Männer? Kann man das so einfach unterteilen?
Lustobjekt für den Mann vorm Bildschirm
Dreh- und Angelpunkt in der Pornographie sei die „Objektifizierung". „Die Mainstream-Pornographie stellt die Frau lediglich als Lustobjekt für den Mann dar und somit, stellvertretend, für den Mann vor dem Bildschirm."
Allerdings, so Butt, könne nur ein Subjekt bewusst dazu entscheiden, sich überhaupt in diese Situation zu begeben. „Doch aus feministischer Sicht kann man aber zusammenfassend sagen, dass in der Mainstream-Pornographie überwiegend diese 08/15-Nummer stattfindet und der Frau innerhalb der Filmwelt wenig Subjektivität zugesprochen wird."
Fakt sei, dass das Porno-Business, ähnlich wie das Filmgeschäft allgemein, immer noch sehr von Männern dominiert ist. „Frauen sind auf jeden Fall in der Unterzahl, was die Produktion betrifft. Wenngleich sie natürlich mehr auf Darstellerseite vertreten sind."
Fair-Trade-Pornoproduktionen
Die feministische Pornographie sei die Antwort auf die Männervorherrschaft im Pornogewerbe. Sie werde „Fair Trade" produziert. Das heißt: Hier gibt es zum Beispiel bessere Arbeitsbedingungen. Ein normaler Pornodreh dauere in der Regel ein bis zwei Tage, bei Erika Lust durchschnittlich 10 Tage. Frauen führen Regie, es gibt faire Bezahlungen und keine Zwänge, außerdem das Recht zu unterbrechen und Recht zur Wahrung am eigenen Bild.
Es gibt auch eine Botschaft: „Feministische Pornographie hat manchmal vielleicht auch einen indirekten pädagogischen Auftrag: Aufklären, Bilden, weibliche Lust darstellen."
Auch Männer mögen die "Fempornos"
Laut Erika Lust gucken tatsächlich mehr Männer als Frauen ihre Pornos. Denn Männer seien inzwischen regelrecht gelangweilt von der 08/15-Pornographie. Sie wünschten sich, so die Porno-Produzentin, mehr Gleichberechtigung. Und genau da holen die feministischen Pornos die Jungs ab, stellen die Lust der Frau in den Vordergrund.
Und der Markt? Laut Butt gibt es mittlerweile sehr viele unterschiedliche feministische Pornographie-Angebote. Pornoproduktionen also, die von sich behaupten, feministisch zu sein und solche, die mit dem "Feminist Porn Award" ausgezeichnet worden sind.
Wer sich einen Eindruck von der feministischen Pornographie, verschiedenen Portale und Produktionsfirmen verschaffen möchte, schaut auf den "feministpornguide".
Reine Privatsache?
In Anbetracht der Forderung der Jusos zu der Subventionierung feministischer Pornographie stellt Butt heraus, dass „generell immer gemeckert wird, wenn sich etwas verändert. Ich denke, viele werden sich darüber beschweren, dass von Steuergeldern und GEZ-Geldern Pornos gedreht werden. Das liegt natürlich auch daran, dass viele Leute in unserer Kultur der Meinung sind, Sex und Sexualität gehöre gar nicht in den öffentlichen Fokus und sei reine Privatsache."
Feministische Pornographie fungiere nach Butt nicht als eine komplette Neuausrichtung (Dirty Diaries existiert schon seit 10 Jahren), sondern als ein Beispiel für die zunehmende Angleichung der Geschlechter, der Emanzipation und der sozialen Gerechtigkeit.
Femporno-Produktionen bald in Bielefeld?
Und feministische Pornographie in Bielefeld? Laut Butt durchaus möglich, dass sich was in Bielefeld tut. „Ich kann mir vorstellen, dass in Bielefeld auch feministische Pornos gedreht werden könnten: Wir haben ja Medienproduzent*innen an der Universität und viele Filmprojekte in jedem Semester. Warum also nicht mal einen feministischen Porno als Abschlussarbeit drehen?"
Wir zeigen hier als Beispiel den Trailer zum feministischen Porno "The sexual liberation of Anna Lee".