Bielefeld

Alarmierend: Viele Vogelarten werden in Bielefeld immer seltener

220 Bielefelder Vogelfreunde beteiligen sich am jährlichen Zähl-Tag. Nur einige, wenige Vogelarten sind stabil oder verbreiten sich stärker

Kleiner Kerl mit großer Klappe: Der Zaunkönig ist in Bielefeld immer wieder einmal zu hören – der kleine Vogel gehört zu den lauteren. |

18.05.2017 | 18.05.2017, 16:02
„Gebt uns Futter, gebt uns bessere Lebensräume!": Das könnte – übersetzt – dieses Quartett kleiner Bielefelder Rauchschwalben singen. - © Andreas Schäfferling (4)
„Gebt uns Futter, gebt uns bessere Lebensräume!": Das könnte – übersetzt – dieses Quartett kleiner Bielefelder Rauchschwalben singen. | © Andreas Schäfferling (4)

Bielefeld. Nachdem der Naturschutzbund Deutschland schon bei der Zählung der Wintervögel einen Rückgang der Bestände um 17 Prozent registrieren musste, wurden nun die Gartenvögel gezählt. Das Resultat ist gemischt: Während manche Arten sich behaupten oder sogar verbessern konnten, bleiben andere in Bielefeld sehr selten oder sind inzwischen ganz verschwunden.

AMSEL, SPATZ UND MEISE

Auf den vorderen Plätzen der Rangliste sind mit Amsel, Haussperling, Kohl- und Blaumeise gute Bekannte, die auch im Winter unsere Gärten und Futterstellen besuchen. Der erste Sommervogel kommt auf Platz zehn. Mit seinen auffälligen Rufen und rasanten Flugmanövern ist der Mauersegler ein Bewohner der Innenstädte, die für ihn Ersatz-Felslandschaften darstellen.

Er benötigt Gebäudenischen oder geeignete Nistkästen und vor allem kleine Fluginsekten, von denen ein Vofelpaar nach neuesten Untersuchungen mehr als eine halbe Million einsammelt, um zwei Jungvögel satt zu machen.

DER NAME IST PROGRAMM

Ruft seinen Namen: Der eher unauffällige Zilpzalp.
Ruft seinen Namen: Der eher unauffällige Zilpzalp.

Mehrere Vogelarten sind schon durch ihren Namen als Gartenvögel ausgewiesen. Doch sie werden selten: So ist der Gartenbaumläufer, der wie eine Maus die Bäume nach Spinnen und Insekten absucht, nur in sechs Gärten gesehen worden, im Vorjahr waren es noch elf. Anders als der Kleiber klettert er grundsätzlich stammaufwärts und fängt beim nächsten Baum wieder von unten an.

Auch der Gartenrotschwanz war früher in den Gärten verbreitet, inzwischen sind die prächtigen Männchen nur noch an wenigen Stellen zu bewundern. Das gilt ebenso für den etwas unscheinbareren Hausrotschwanz. Beide Arten wurden 12 beziehungsweise 17 Mal beobachtet.

Schließlich sollte auch die Gartengrasmücke (14 Beobachtungen) unsere Siedlungen schmücken, aber man bekommt sie nur selten zu Gesicht. Wie fast alle Grasmücken verbirgt sie sich gern im Geäst. Von dort allerdings lässt sie ihren langanhaltenden Gesang ertönen und ist so etwas leichter finden. Das gilt genauso für die Mönchgrasmücke (17 Beobachtungen) mit ihrem flötenden Lied oder für die Klappergrasmücke (4 Beobachtungen), deren ratternder Gesang an eine alte Nähmaschine erinnert.

DER SEINEN NAMEN RUFT

Roter Gartenvogel: Der Gartenrotschwanz ist sehr auffällig.
Roter Gartenvogel: Der Gartenrotschwanz ist sehr auffällig.

Bereits Anfang März kommt der Zilpzalp aus seinem Winterquartier zurück und ruft unermüdlich seinen Namen. In Bielefeld ist er flächendeckend verbreitet und müsste eigentlich in fast allen Gärten auf der Liste stehen. Wenn er mit 29 Beobachtungen trotzdem nur Platz 29 erreicht, liegt es wohl daran, dass der kleine Laubsänger zwischen den Blättern sehr unauffällig ist.

Der Zaunkönig, einer der leichtesten Vögel, zeigt dagegen echte stimmliche Größe. Sein schmetternder Gesang bedient das Klischee von den kleinen Kerlen mit der großen Klappe. Mit 61 Sichtungen schafft er Rang 20. Zaunkönige sind keine Zugvögel. Sie sind die einzigen Insektenfresser, die auch im Winter noch Lebendfutter in Nischen und Ritzen finden. Am Futterhäuschen sucht man sie deshalb vergeblich.

SCHNÄPPER UND SAHARA

Grauschnäpper und Trauerschnäpper gehören zu den Fliegenschnäppern, die südlich der Sahara überwintern. Erst Anfang Mai kommen sie zurück, wenn sie das Glück haben, die gefährliche Reise zu überstehen.

Noch vor 30 Jahren waren beide Arten in Bielefeld nicht selten, es gab kaum eine Wäscheleine, auf der nicht ein Fliegenschnäpper nach Beute Ausschau hielt. Inzwischen sind sie hier kaum noch anzutreffen. Die Stunde der Gartenvögel ergab jetzt keinen einzigen Trauerschnäpper in Bielefeld – und auch nur einen Grauschnäpper. Immerhin wurde kurz vor der Zählung ein durchziehender Trauerschnäpper entdeckt.

SCHWALBEN IM GLÜCK

Recht erfreulich ist die Bilanz bei den Schwalben: Von der Rauchschwalbe wurden über 30 Exemplare gezählt, deutlich mehr als in den beiden Vorjahren, wo nur je vier der Glücksbringer auf der Liste standen. Die Mehlschwalbe (132 Beobachtungen) erreicht von allen Arten den 14. Rang und kann das gute Niveau des Vorjahres halten.

STÄDTE GEWINNEN

In Städten hat sich die Artenvielfalt in den vergangenen Jahrzehnten durchaus positiv entwickelt. Immer mehr Bürger und Kommunen gestalten ihre Gärten und Grünflächen naturnah, dulden Wildkräuter und schaffen Wohn- und Lebensraum für Vögel, Fledermäuse und Insekten. Kleine Gartenteiche locken Molche, Frösche und Libellen an. Eine neue Generation von Kleingärtnern verzichtet auf die chemische Keule und schafft grüne Oasen in den Städten.

DAS LAND VERLIERT

Ganz im Gegensatz dazu hat sich die Biodiversität der Agrarlandschaft dramatisch verringert. Nach neuesten Zahlen der Bundesregierung haben wir in den landwirtschaftlichen Gebieten der Europäischen Union von 1980 bis 2010 unfassbare 600 Millionen Vögel verloren, das ist ein Minus von 57 Prozent.

Nach einer Untersuchung des NABU ist die Biomasse der Fluginsekten in NRW seit 2002 um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Rebhühner, Kiebitze und Feldlerchen können nicht in die Stadt ziehen und sind weitgehend verschwunden.

Bunte Wegränder mit Heuschrecken und Schmetterlingen kennen Kinder höchstens aus dem Fernsehen. Deshalb fordert der NABU: „Nur eine grundsätzlich anders orientierte Agrarpolitik könnte dafür sorgen, dass auch künftige Generationen eine bäuerliche Kulturlandschaft erleben, die diese Bezeichnung verdient."

Info: Der NABU unterstützt die Ansiedlung von Schwalben in der Stadt seit vielen Jahren und lädt ein zum Schwalbenfest auf dem Halhof – am Sonntag, 21. Mai, 12 bis 18 Uhr, Talbrückenstraße 142.