
Bielefeld. Ist der Krankenwagen erst angekommen, geht es oft sehr schnell. Findet die medizinische Versorgung frühzeitig statt, hat der Betroffene gute Chancen, dass sein Leben gerettet werden kann. Bei einer Rauchvergiftung zum Beispiel kann der Patient künstlich beatmet werden. Doch was passiert, wenn ein 35-Jähriger in einer Patientenverfügung angegeben hat, dass er in keinem Fall beatmet werden möchte? Für solche Fälle gibt es im evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) die klinische Ethik.
Der Mediziner Klaus Kobert ist der Leitende klinische Ethiker des Krankenhauses. Sein Rat ist gefragt, wenn Behandlungsteams an die Grenzen des moralisch Vertretbaren kommen. "Wir wägen in einem solchen Fall genau ab, was der Patient möchte und wie sinnvoll die medizinische Maßnahme in der konkreten Situation ist."
Im Fall des 35-jährigen Patienten hat sich herausgestellt, dass der Wunsch nicht beatmet zu werden, durch eine Erfahrung entstanden ist, die nichts mit einer Rauchvergiftung zu tun hatte. Ein Verwandter des Betroffenen war todkrank und wurde mit Hilfe einer künstlichen Beatmung noch längere Zeit am Leben erhalten. Dies habe der Vergiftete für sich ausschließen wollen.
Zahl der Beratungen hat sich in neun Jahren verfünffacht
"Patientenverfügungen sind oft ungenau", weiß Kobert. Nicht alle Eventualitäten können bedacht werden. Gespräche mit Nahestehenden des Patienten helfen da oft weiter. "Wir haben uns dann dazu entschieden, den Patienten trotz seiner Verfügung zu beatmen", so Kobert. "Nach ein paar Tagen ging es ihm wieder gut. Für unsere Entscheidung war der Patient sehr dankbar."
Klaus Kobert hat sein Amt als Leitender Klinischer Ethiker vor elf Jahren angetreten. Vorher arbeitete er als Oberarzt auf der Intensivstation. Dort war er mit dem klinischen Alltag und seinen ethischen Fragestellungen vertraut. Als der Mediziner sein neues Amt antrat, stand er vor der Herausforderung, seine neue Rolle im Krankenhaus zu etablieren.
Dass er und sein Team dies längst geschafft haben, zeigen die Zahlen. Wurde seine Hilfe im Jahr 2006 noch 13 Mal in Anspruch genommen, waren es 2015 schon 63 Fälle, in denen Kobert und seine Kollegen ein sogenanntes Ethikkonsil moderiert haben.
Dabei handelt es sich um Fallgespräche, bei denen die weitere medizinische Behandlung eines Patienten zusammen mit Angehörigen, gesetzlichen Vertretern und behandelnden Ärzten besprochen wird. Mitarbeiter der klinischen Ethik haben jedoch keine Entscheidungskompetenz. "Wir können lediglich Empfehlungen abgeben, dennoch sind die Gespräche gerade in schwerwiegenden Situationen sehr hilfreich", sagte Kobert.
Dass er mit seiner Arbeit nicht alleine ist, hilft dem Mediziner sehr. Er berät sich regelmäßig mit seiner Mitarbeiterin Tanja Löbbing über die Arbeit in der klinischen Ethik. Zusammen füllen die beiden zwei Vollzeitstellen aus, eine absolute Seltenheit in Deutschland.
Zusätzlich besteht das Team der klinischen Ethik auch aus zwölf Mitarbeitern des Krankenhauses, die sich entsprechend fortgebildet haben.
INFORMATION
Patientenverfügung
- Sollte ein Patient oder eine Patientin sich selbst nicht mehr äußern können, kann eine Patientenverfügung Auskunft über den Patientenwillen geben.
- Das EvKB hat eine eigene Patientenverfügung als PDF-Download bereit gestellt, die im Rahmen einer fachkundigen und individuellen Beratung ausgefüllt werden sollte.
- Infos und Informationen gibt es auf der Seite www.evkb.de