
Bielefeld. Morgens schließt Hisni Berisha das große Tor zu seiner Halle an der Herforder Straße auf. Früher arbeiteten 14 Angestellte in der Fahrzeuglackiererei. "Jetzt sind wir zu dritt, ein Geselle, ein Praktikant und ich", sagt Berisha. Aufträge hätte der gebürtige Kosovo-Albaner genug, es fehlen nur die Mitarbeiter.
"Seit vier oder fünf Jahren ist es schwierig Lackierer zu finden", sagt der 69-Jährige. Dabei würde Berisha mindestens zwei sofort und unbefristet beschäftigen, wenn sie gut arbeiten. Es stellt sich aber nicht einmal jemand vor. Drei Jahre lang sei die Agentur für Arbeit mit im Boot. "Die haben mir bestimmt hundert Angebote geschickt von Lackierergesellen auf Arbeitssuche", sagt Berisha. Vorgestellt habe sich bei ihm nicht ein Einziger davon.
1972 kam Hisni Berisha aus dem damaligen Jugoslawien nach Bielefeld. Vorher leitete der gelernte Techniker ein Berufszentrum in seiner Heimat, das Arbeitskräfte nach Deutschland vermittelte. Um das zu koordinieren war er selbst einige Male hier. "Ich war begeistert von der Arbeitsmoral in Deutschland", erinnert sich Berisha. Also entschloss er sich, ganz nach Deutschland zu gehen, arbeitete zunächst als Angestellter, machte 1981 seine Meisterprüfung und gründete 1984 sein eigenes Unternehmen. "Insgesamt hab ich mehr als 80 Lackierer ausgebildet", sagt Berisha. Das hat er aber so gut gemacht, dass die meisten davon heute eine eigene Lackiererei führen oder noch studiert haben und jetzt Ingenieure sind.
Die Begeisterung für die deutsche Arbeitsmoral ist gebröckelt, seit Berisha zusammen mit der Arbeitsagentur versucht, Lackierer für sein Unternehmen zu finden. "Ich frage mich, was die alle machen", sagt der 69-Jährige. Zum Teil seien 50 Gesellen arbeitsuchend gemeldet gewesen. "Wenn keiner von denen wirklich arbeiten will, dann läuft da doch was falsch."
Momentan seien nur drei gelernte Fahrzeuglackierer ohne Anstellung in Bielefeld gemeldet, sagt Chrissowalandou Apdarmani, Sprecherin der Agentur für Arbeit. "Wir befinden uns zur Zeit in einem Arbeitnehmermarkt, das bedeutet, dass Fachkräfte mehrere Vorschläge von uns erhalten und dann das Angebot ihrer Wahl annehmen." Dadurch könne es schon vorkommen, dass sich ein Bewerber in einem anderen Betrieb gar nicht vorstellt. "Natürlich ist es auch möglich, dass Vorstellungsgespräche aufgrund von Krankheit nicht wahrgenommen werden", sagt Apdarmani.
In einigen Branchen ist das Verhältnis aber umgekehrt. "Im Gartenbau und in der Land- und Forstwirtschaft gibt es zum Beispiel mehr Bewerber als angebotene Stellen", so die Sprecherin. Besonders lange Vakanzzeiten gibt es dagegen im IT-Bereich, bei der Feinwerk- und Werkzeugtechnik, der Mechatronik und Automatisierungstechnik, in der Energietechnik, Heizung, Sanitär und Klimatechnik, sowie bei der Medizin-, Orthopädie- und Rehatechnik.
"Der Fachkräftemangel ist schon seit einiger Zeit das beherrschende Thema", sagt Wolfgang Borgert, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe. Das hänge mit dem Demografischen Wandel zusammen und damit, dass sich die wenigen Jugendlichen immer häufiger für ein Studium statt für eine Ausbildung entscheiden. "2015 hatten wir zum ersten mal mehr Studienanfänger als neue Auszubildende", sagt Borgert. Dabei sei es sinnvoll, wie früher üblich, vor dem Studium eine Ausbildung zu machen. "Das trägt zur Reife bei, zur Stresstauglichkeit und die Jugendlichen lernen effizientes Arbeiten", sagt der Wirtschaftsförderer. Mit Abitur verkürze sich die Ausbildungszeit zudem, so dass sie kaum mehr Zeit kosten würde als ein freiwilliges soziales Jahr. Durch Beratung, Werbung und die Ausbildungsbotschafter, also Azubis, die in Schulen von ihren Erfahrungen berichten, versucht die Kammer Lust auf Handwerksberufe zu machen. Wichtig sei aber, dass das Handwerk den jungen Menschen eine sichere Zukunft biete, sagt Wolfgang Borgert. "Und natürlich, dass gut bezahlt wird."
Fahrzeuglackierer Hisni Berisha würde gut bezahlen. Und er bietet eine Perspektive: "Ich suche eigentlich einen Gesellen, der das Unternehmen irgendwann übernimmt." Findet der 69-Jährige niemanden, schließt er irgendwann das große Tor seiner Halle an der Herforder Straße zu. Endgültig.