Der Herr der Roben

Bielefeld. Von solch einem Kleiderschrank würde wohl jede Frau träumen: Kleider über Kleider auf 600 Quadratmetern, Rüschenbluse neben Rüschenbluse, Petticoat neben Petticoat. Proppenvoll sind die Kleiderstangen, alles auf zwei Ebenen. Ein Paradies für diejenigen, die sich gerne verkleiden. Ausgerechnet ein Mann schmeißt hier den Laden, weiß, wo das noch so ausgefallenste Kleid seinen Platz hat: Thomas Wittland. Seit 1984 ist der 58-Jährige in der Kostümabteilung am Theater Bielefeld. &bdquo;Ich bin da so reingewachsen", sagt er heute. Wittland hatte zunächst eine Schneiderlehre gemacht und später für ein Textilunternehmen im Außendienst gearbeitet. Aber er wollte was anderes und schickte eine Bewerbung ans Theater. &bdquo;Lange habe ich nichts davon gehört", erinnert er sich. &bdquo;Es soll 150 Bewerbungen gegeben haben." Aber Wittland bekam die Zusage. Er leckte Blut, ist mittlerweile Leiter der Kostümabteilung. 25 Kollegen hat er dort unter sich, gearbeitet wird im Zwei-Schicht-Betrieb. Den Takt gibt der Produktionsplan vor, erklärt Wittland. In dem steht, wie viele Stücke in der Spielzeit kommen. An jedem ist die Kostümabteilung beteilig. Bevor er und seine Kollegen aber zu Schere und Nadel greifen, steht die Besprechung mit dem Kostümbildner an, der vor jeder Produktion ins Haus kommt. Mit ihm gehen Wittland, der Gewandmeister und die Produktionsleitung durch, welche Kostüme bei der Premiere auf der Bühne zu sehen sein sollen. &bdquo;Unser Etat spielt bei diesen Überlegungen eine entscheidende Rolle." Aber nicht immer müssen die Kostüme neu genäht werden: Für jedes Stück gibt es eine Besetzungsliste, die auch Wittland bekommt. &bdquo;Wir wissen, welche Schauspieler, Sänger und Tänzer auf der Bühne stehen werden", sagt er. Die Maße liegen ihm vor, so dass er erst mal im Fundus nachsehen kann, ob es ein passendes Kostüm gibt. Aber auch der Stil spielt eine Rolle. Es muss eben passen. Der Fundus ist gigantisch: Um die 10.000 Kostüme hängen dort. Probleme, sich in der Abteilung zurechtzufinden, hat Wittland keine. Die Kleider sind eingeteilt in Epochen, dann kommen die Untergruppen: Anzüge, Hosen, Gehröcke, Smokings. Das Chaos hier bleibt aus. Auch Hüte, Gürtel, Hemden, Krawatten und Fliegen sowie sämtliche andere Accessoires fallen in Wittlands Bereich. Regelmäßig muss aussortiert werden, um Platz zu schaffen. &bdquo;Wir könnten gar nicht alles hier unterbringen", sagt Wittland. 25 Quadratmeter benötigt er pro Jahr für neue Kostüme. 800 sind es, die jedes Jahr am Theater genäht werden. Die brauchen Platz. Die aussortierten Sachen werden auf dem Theaterfest versteigert oder verkauft, erklärt Wittland. Es gibt aber auch Kostüme, die er nicht gerne abgibt, wie das aus dem Rosenkavalier. &bdquo;An einigen hängt mein Herz." Die Kostüme werden gepflegt, jeden Tag kommen Mitarbeiter einer Textilreinigung, die die Kostüme abholen. &bdquo;Nach jedem Auftritt werden sie gereinigt", sagt Wittland. Fürs Flicken sind er und sein Team zuständig: &bdquo;Täglich geht etwas kaputt, auch mal ein Absatz am Schuh, der abbricht." Oder ein Kleidungsstück reißt." &bdquo;Es kommt schon mal vor, dass die ein oder andere Naht aufgeht." Es ist die Vielfalt, die diesen Beruf ausmacht, sagt Wittland. Er hat gerne mit Menschen zu tun, ist ständig mit ihnen im Dialog. Er ist froh, die Bewerbung vor mehr als 30 Jahren abgeschickt zu haben. &bdquo;Es funktioniert aber nur im Team."

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