Bielefeld

Ausgrenzung einzelner Kinder gehört in Kitas zum Alltag

Beratungsstellen bieten Hilfe an

Wenn einer allein ist: Ausgrenzung einzelner Kinder aus der Gruppe kommt bereits in Kitas vor. Doch das muss nicht sein. | © dpa

23.06.2015 | 23.06.2015, 09:32
So sollte es sein: In der Kindertagesstätte "Flohkiste" in Borgholzhausen (Kreis Gütersloh) wird nicht gestritten, sondern diskutiert. Von links: Leni, Leni, Anna, Thyra, Erzieherin Beate Winkler, Havin, Jonas, Silas und Smilla. - © Elena Gunkel
So sollte es sein: In der Kindertagesstätte "Flohkiste" in Borgholzhausen (Kreis Gütersloh) wird nicht gestritten, sondern diskutiert. Von links: Leni, Leni, Anna, Thyra, Erzieherin Beate Winkler, Havin, Jonas, Silas und Smilla. | © Elena Gunkel

Bielefeld. "Mit dem spielen wir nicht!" Unter Kleinkindern geht es oft nicht nur harmonisch zu. Immer mehr Kitas und Grundschulen in OWL nehmen Selbstbehauptungskurse für Kinder ins Programm. Nichtsdestotrotz haben Kinderpsychologen und Beratungsstellen der Region immer wieder mit Kindern zu tun, die Probleme in der Kita-Gruppe oder in der eigenen Schulkasse haben.

Die 22-jährige Anna M. und ihr Freund Florian K. (beide Namen geändert) haben keine gemeinsame Wohnung. Da sich die beiden noch in der Ausbildung befinden, war das eine bewusste Entscheidung, die eine gemeinsame Zukunft jedoch nicht ausschließt. Seit 2012 besucht ihre dreijährige Tochter Sophie (Name geändert) einen der Bielefelder Kindergärten. "Dort hat sie sich immer wohl gefühlt", sagt Anna.

Doch seit ein paar Monaten hören die Eltern von Sophia immer wieder, dass sie nicht in den Kindergarten gehen möchte. Zu Hause wirkte das Kind traurig und zurückhaltend. Nachts hatte sie Alpträume und konnte nicht mehr ruhig schlafen. Auf Nachfragen der Eltern erzählte Sophia, dass sich andere Kinder seit einiger Zeit immer wieder über sie lustig machen. "Weil meine Mama und Papa nicht zusammenwohnen." Für Anna sei es ein klarer Fall von Mobbing. Nachdem sie sich im Bekanntenkreis umgehört habe, habe sie festgestellt, dass auch andere junge Eltern das Problem kennen. "Doch die meisten wollen es nicht in die Öffentlichkeit tragen oder Hilfe außerhalb der Kita oder Grundschule suchen", sagt sie.

Thomas Strakhof ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut und arbeitet seit 25 Jahren beim AWO-Bezirksverband OWL. "Wirkt ein Kind in einer Gruppe unglücklich und nicht gut integriert, kann dies viele unterschiedliche Gründe haben", sagt er. "Diese Gründe können in der häuslichen Situation, im Kind-Erzieherinnen-Verhältnis, in der Kindergruppe oder in dem Kind selber zu finden sein."

Information

Was ist Mobbing?

Der Begriff Mobbing kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie "ärgern". Françoise Alsaker, Professorin für Psychologie an der Universität Bern, schreibt in ihrem Buch über Mobbing im Kindergarten "Quälgeister und ihre Opfer": "Mobbing ist eine besondere Form der Gewalt. Von Mobbing spricht man, wenn ein Kind regelmäßig und systematisch von anderen Kindern direkt oder indirekt, körperlich oder seelisch verletzt wird."

Schubsen, schlagen, bedrohen, Kleidung verstecken, auslachen - all das könne unter Umständen als verschiedene Mobbingformen gelten. Entscheidend sei, dass mehrere Täter immer dasselbe Opfer im Visier haben. (eag)

Im günstigsten Fall machen sich Erzieherinnen und Eltern gemeinsam und unter Beteiligung der Kinder auf die Suche nach Lösungen für solch "unglückliche Situationen". "Im ungünstigeren Fall macht man sich gegenseitig Vorwürfe und findet keine Lösungen", so der Experte. "Wenn Eltern und Erzieher keine gemeinsame Lösung finden können, ist es sicher sinnvoll, Hilfe von außen hinzuzuziehen", sagt er. "Dies ist eine typische Aufgabe für eine Erziehungsberatungsstelle."

"Nicht jeder Streit muss sofort unterdrückt werden", sagt die Leiterin der AWO-Kita "Flohkiste" in Borgholzhausen, Beate Winkler. "Konflikte gehören zum Leben, und Kinder sollten lernen, richtig damit umzugehen." Die Erzieher der "Flohkiste" nehmen regelmäßig an Fortbildungen rund um die Themen Partizipation und Konfliktlösung teil. Seit 2009 gibt es in der Kita das sogenannte Kinderparlament.

"Kleine Auseinandersetzungen passieren täglich und werden meistens schnell vergessen. Doch wenn man merkt, dass das gleiche Kind öfter von den anderen geärgert wird, sollte man dringend handeln", so Winkler. "Vor allem bei Beleidigungen oder rassistischen Äußerungen müssen die Erzieher klar Position beziehen." Oft werden Lösungsstrategien gemeinsam mit den Kindern entwickelt. "Meistens hilft es, die Konfliktsituation als Rollenspiel nachzustellen", spricht Winkler aus Erfahrung. "Wenn ein Kind ständig von der Gruppe geärgert wird, wurden vermutlich viele Chancen verpasst, das zu unterbinden", sagt Winkler.

Beatrix Burow-Runde leitet Selbstbehauptungskurse in Kindergärten und Grundschulen der Region. "Kinder sollten die Möglichkeit haben, den Konflikt selbst zu lösen", sagt sie. "Doch wenn es nicht klappt, sollten sie nicht zögern, ihre Erzieher oder Eltern anzusprechen." "Schließlich sollte jedes Kind wissen: Du bekommst Hilfe, wenn du sie brauchst."