Berlin

Zweifel an der Überprüfung der Flugtauglichkeit von deutschen Piloten

Kontrolle von Flugärzten und ihren Tauglichkeitsbescheinigungen in der Kritik

Die Reste einer Katastrophe: In Plastikbeuteln werden die Trümmerteile der Germanwings-Maschine aus den französischen Alpen geborgen | © dpa

17.04.2015 | 17.04.2015, 13:27

Berlin. Heute ist in Köln Tag der Trauer um die Menschen, die Co-Pilot Andreas L. mit in den Tod gerissen hat. Bei der Aufarbeitung der Katastrophe wird immer deutlicher: Mit der Kontrolle des Gesundheitszustands deutscher Piloten steht es nicht zum Besten.

An den Absturz der Germanwings-Maschine am 24. März, bei dem 150 Menschen starben, wird heute mit einem staatlichen Trauerakt im Kölner Dom erinnert. Eine verstörende Frage steht weiter im Raum: Wäre es zu verhindern gewesen, dass ein psychisch kranker Co-Pilot eine Verkehrsmaschine absichtlich zum Absturz bringt? Und: Welche Maßnahmen sind getroffen worden, damit so etwas nicht wieder geschieht?

Sehr schnell haben die meisten europäischen Fluggesellschaften das Vier-Augen-Prinzip für das Cockpit eingeführt. Für die Lufthansa und die Tochter Germanwings heißt das, dass seit dem 27. März kein Kapitän und kein Co-Pilot mehr alleine in der Pilotenkanzel sein darf: Muss einer von beiden austreten, kommt eine andere "autorisierte Person" in die Kabine. Eine solche Regel existiert in den USA seit 14 Jahren. Sie soll verhindern, dass ein Pilot allein von innen die Cockpittür verriegelt.

Arbeitsgruppe berät über Sicherheit der Cockpittür

Eine Arbeitsgruppe, die auf Betreiben des Bundesverkehrsministeriums und des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft zur Aufarbeitung der Germanwings-Katastrophe gegründet worden ist, berät heute über die Sicherung der Cockpittür: Soll sie vielleicht wieder ganz geöffnet werden? Das kommt auf die Abwägung an, welche der beiden Gefahren man höher bewertet: Das Eindringen von Terroristen in die Pilotenkanzel, wie am 11. September 2001 in mehreren Flugzeugen in den USA geschehen, oder dass ein selbstmordgefährdeter Pilot absichtlich einen Absturz herbeiführt.

Bei der nächsten Sitzung am 20. April soll die Expertengruppe auch die brisante Frage behandeln, wie es um die Tauglichkeitsprüfungen der Piloten und um die Kontrolle der Fliegerärzte in Deutschland steht. Vieles deutet darauf hin, dass gerade hier große, ja eklatante Mängel bestehen.

Information
Trauerfeier für die Absturzopfer
  • Heute finden um 12 Uhr im Kölner Dom die zentralen Trauerfeierlichkeiten statt.

  • Teilnehmen werden 1.400 Gäste, darunter mehr als 500 Angehörige der Opfer.

  • Erwartet werden auch Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

  • Die Predigt halten Kölns Kardinal Rainer Maria 
Woelki und die westfälische Präses Annette Kurschus.

Zur Erinnerung: Co-Pilot Andreas L. hatte während seiner Ausbildung eine schwere Depression und war selbstmordgefährdet. Von dieser Diagnose wusste zwar die Lufthansa, aber das Luftfahrtbundesamt hatte keine Ahnung. Und keine Ahnung davon, welche Medikamente L. auch Jahre danach noch einnahm; und dass er für den Tag des Absturzes krankgeschrieben war.

Wie soll die Flugtauglichkeit von Piloten überprüft werden?

Das Luftfahrtbundesamt in Braunschweig ist für die Vergabe der Fluglizenzen zuständig. In allen anderen europäischen Ländern sind solche Behörden damit beschäftigt, medizinische Daten über jeden einzelnen Piloten zu sammeln und die Tauglichkeitsbescheinigungen von Fliegerärzten zu überprüfen. Nicht so in Deutschland: Hier reichte bis vor kurzem aus, dass ein Fliegerarzt eine Bescheinigung abgibt, mit der die Tauglichkeit erklärt wird. Weitere Informationen wurden nicht verlangt. Auch existiert keinerlei Überprüfungsmechanismus.

Auf diesen Missstand hat schon im September 2014 die EU-Kommission hingewiesen. Um der eindringlichen Kritik aus Brüssel die Spitze zu nehmen, müssen Fliegerärzte seit Dezember anonymisierte medizinische Berichte an das Luftfahrtbundesamt schicken. Diese ärztliche Zusammenfassung ist aber aus datenrechtlichen Gründen keinem Piloten persönlich zuzuordnen. Überprüft wird immer noch nicht, dafür reicht das Personal des Luftfahrtbundesamtes nicht aus.

Schon den anonymisierten Bericht empfinden manche Fliegerärzte als Zumutung. "Eine Behörde geht es nichts an, was der Pilot für eine Diagnose hat. Das geht nur mich als Arzt mit hoher Schweigepflicht und den Piloten selber etwas an", sagte Hans-Werner Teichmüller bei "Report Mainz" (ARD). Er ist Präsident des Deutschen Fliegerarztverbandes. Teichmüller hat zudem angekündigt, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen, falls hierzulande die europäischen Regeln zur Datenübermittlung Pflicht werden sollten.

"Report" hat auch recherchiert, dass inzwischen mehrere europäische Länder die Übernahme deutscher Flugtauglichkeitszeugnisse verweigern. Ob sich an den Missständen in Deutschland bald etwas ändert, ist aber fraglich. Von Mitgliedern der heute tagenden Expertengruppe ist immer wieder zu hören: "Schnellschüsse oder überstürzte Regelungen wollen wir nicht."