Bielefeld. Seit dem 1. Januar 2015 ist der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro wirksam. Laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) können sich allein bei den Vollzeitangestellten sieben Prozent der Bielefelder über einen höheren Gehaltsscheck freuen. Während viele Arbeitgeber lediglich über zu hohe Personalkosten stöhnen, ist bei den Taxiunternehmern ein regelrechter Streit über mögliche Lösungen entstanden.
"Dass wir Taxifahrer jetzt einen fairen Lohn kriegen, ist super. Wenn deswegen aber der Arbeitgeber in die Notlage kommt, bringt mir das als Arbeitnehmer nichts", sagt Fahrer Nicolas Strahlke. Seit einem Jahr ist er als Taxifahrer fest angestellt, sein Stundenlohn lag bisher bei 8 Euro - mehr als viele seiner Kollegen kriegen. Sein Chef, Arthur Krüger, befürwortet den Mindestlohn - und eine Tariferhöhung der Fahrpreise, "denn sonst wird es für unsere Branche sehr hart werden", sagt Krüger. Ob Fahrpreise erhöht werden, entscheidet allerdings die jeweilige Kommune, da Taxis Bestandteil des öffentlichen Personenverkehrs (ÖPNV) sind.
Arthur Krüger ist Taxiunternehmer: sechs Taxen, zwei Mietwagen und 15 Festangestellte. Früher erhielten seine Fahrer für ihre 12-Stunden-Schicht 40 Prozent des Umsatzes. Im Schnitt lagen Krügers Lohnkosten dann bei etwa 78 Euro. Heute dauert eine Schicht nur noch acht Stunden, "Umsatzschwache Stunden musste ich streichen", sagt Krüger. Seit dem 1. Januar zahlt er 88,40 Euro Lohnkosten für die Schicht eines Arbeitnehmers. Zwar hat die Stadt Bielefeld erst im Juli 2014 eine Tariferhöhung von zehn Prozent genehmigt, "aber die reicht nicht aus".
Antrag und Gegenantrag
Im vergangenen Herbst haben Krüger und elf weitere Unternehmer mit mehreren Taxen sowie rund 40 selbstständige Taxifahrer die Interessengemeinschaft "Fairtaxi" gegründet und einen Antrag auf Tariferhöhung von 10 bis 15 Prozent gestellt.70 andere Bielefelder Taxiunternehmen haben daraufhin einen Gegenantrag gestellt. "Steigen die Preise, sinkt vielleicht die Nachfrage", sagt Spyridon Athanasiou, Geschäftsführer der Taxigenossenschaft Bielefeld und Vorstandsmitglied des Taxi-Verbandes NRW. Mit solch einem Gegenantrag hat Thomas Meermann, zuständig für den Bereich Taxi- und Mietwagenverkehr der Stadt Bielefeld, nicht gerechnet: "In anderen Städten werden die Tarife kräftig angehoben." Ein Gutachten von der Hamburger Firma Linne und Krause soll bis Anfang Februar Licht ins Dunkle bringen.
Lösungsansätze für den Umgang mit höheren Lohnkosten werden in vielen Bereichen gesucht - etwa bei Sportvereinen. Die erste Fußballmannschaft des TuS Dornbergs spielt in der Westfalenliga - und daran verdienen die 22 Spieler. Einige Fußballer, so Hans-Werner Freese, Manager der Fußballabteilung beim TuS Dornberg, "haben für ihren Einsatz von monatlich 30 Stunden unter 200 Euro bekommen". Seit 2015 sind es 250 Euro. Hinzu kommen Beiträge für die Berufsgenossenschaft, "die ab einem Verdienst von 201 Euro bei etwa 60 Euro liegen", sagt Freese. Bisher seien noch viele Fragen offen. Etwa, was ein Spieler außerhalb der Saison bekomme.
"Das sieht der Kunde nicht ein"
Bei den Friseuren gilt derzeit noch ein Mindestlohn von 8 Euro (Ost: 7,50 Euro). Ab kommendem August wird der Tarif angehoben. Markus Turri, Vorsitzender der Friseurinnung Bielefeld, sieht darin kein Problem: "Schon heute zahlen viele Arbeitnehmern ihrem Personal weit mehr als 8,50 Euro. Und das ist auch richtig so." Niedriglöhne müsse nur zahlen, wer das Frisurenhandwerk zu billig anbietet.Preise an die höheren Personalkosten anpassen, ist laut Bastian Begemann, Inhaber der Lokale Rohbau, Casa und 383, schwierig: "Der Kunde sieht nicht ein, jetzt mehr für seinen Kaffee zu zahlen." Seit 2012 gilt in der Gastronomie der Stundenlohn von 8,50 Euro. Laut Begemann seien die Personalkosten kaum tragbar, "einige Stellen musste ich streichen".
Für Dirk Toepper, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Stadtverband Bielefeld, ist die Einführung des Mindestlohnes ein großer Erfolg - wichtig sei nun die Überwachung. "Manch ein Unternehmer wird mit Tricks versuchen, den Mindestlohn zu umgehen." Um die Bürger zu sensibilisieren, verteilten Gewerkschafter heute früh am Hauptbahnhof Broschüren zum Thema Mindestlohn und informierten außerdem über die DGB-Hotline. Beratung gibt es unter Telefon: (03 91) 4 08 80 03.
Laut Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) gibt es in Bielefeld 87.889 Vollzeitbeschäftigte, von denen bislang 6.205 Menschen (7 Prozent) weniger als 8,50 Euro verdient haben. Wie hoch der Anteil der 40.928 sozialversicherten Teilzeitbeschäftigten sowie den rund 35.000 Minijobs ist, sei laut DGB aufgrund mangelnder Statistik nur zu schätzen, man gehe allerdings von einem noch größeren Anteil aus. Landesweit werden etwa zwei Drittel der Minijobber vom Mindestlohn profitieren.