So fährt es sich im einzigen Nachtzug mit Halt in Ostwestfalen

Minden/Prag. &bdquo;Ich fahre nach Prag wegen Bier und der Frauen“, sagt Levi lachend. Der muskulöse Holländer mit kahlgeschorenen Haaren und Sporthose ist einer von drei meiner Abteilgenossen auf dieser Nachtzugfahrt. Nicht die einzige witzige Konversation während dieser Fahrt. Rückblick: Um 23.15 Uhr komme ich am dunklen Bahnhof in Minden an. Es ist erstaunlich warm für diese Nacht Mitte April. Bereits der Blick auf die Anzeigetafel verwirrt mich. "TCS 13489, heute eine Stunde verspätet" steht auf der blauen LED-Wand in der Bahnhofshalle. Genervte Blicke bei den Reisenden an Gleis 13. Eine Frau mit grüner Jacke und grünen Schuhen läuft aufgeregt auf und ab. Ihr Mann steht mit seinen schwarzen Schuhen still neben ihr. Beide haben silberne Koffer bei sich, die bei jeder Fluggesellschaft die Handgepäckbestimmungen überschreiten würden. Zuvor waren sie in Minden tschechisch essen gewesen, erzählt das Paar. &bdquo;Man muss sich ja auch auf die Reise einstimmen“, sagt der Mann. Seine Frau, die sich beim Gähnen die Hand vor den Mund hält: &bdquo;Ich dachte, es würden mehr Leute mitfahren“. Beide scherzen. Zehn Stunden dauert die Fahrt nach Prag Seit dem 21. April bietet das niederländische Unternehmen Greencitytrip einmal die Woche (mal freitags, mal donnerstags) Nachtzugfahrten von Minden nach Prag an. Für 119 Euro sind Hin- und Rückfahrt auf der Internetseite buchbar. Der Zug startet in Amsterdam, hält während der Fahrt in Osnabrück, Bad Bentheim, Minden, Hannover und Dresden. Um 10.30 Uhr kommt der Schlafzug in der tschechischen Hauptstadt Prag an. Dort haben die Passagiere drei Tage Aufenthalt. Dann geht es abends um 20.30 Uhr von Prag zurück nach Minden, wo der Zug um 7 Uhr früh ankommt. Es ist 0.15 Uhr, der Zug hält, die Passagiere steigen ein. Ich habe nur einen Rollkoffer dabei, zwänge mich durch einen etwa ein Meter breiten Gang zu meinem Abteil. Kaltes Licht scheint von der Decke. Neben der Fensterfront befinden sich die Glastüren zu den Abteilen. Sie sind mit blauen Vorhängen abgedunkelt. Was sich darin befindet, lässt sich nur erahnen: Ein nackter Fuß schaut unter einem Vorhang durch und klebt an der Scheibe. Beim Öffnen meiner Abteiltür entsteht ein dumpfes Geräusch. Es ist dunkel. Der Geruch von Schweiß und süßem Parfum liegt in der Luft. Pumakäfig. Meine Abteilgenossen kenne ich nicht. Auf jeder Seite des etwa sechs Quadratmeter großen Raums sind links und rechts zwei blaue Pritschen übereinander angebracht. Das Gepäck kann unter den Liegen oder oberhalb in Gepäckfächern verstaut werden – wie in einem herkömmlichen Zug auch. Es ist eng. Langsam zweifele ich, ob es eine gute Idee war, mir ein Abteil mit drei völlig fremden Personen zu teilen. Frühstück gibt es für 20 Euro dazu Ein Zugbegleiter mit Ohrringen und hoher Stimme betritt das Abteil und überreicht den neu zugestiegenen Gästen eine etwa zwölf Zentimeter große Pappschachtel. Für 20 Euro kann man ein Frühstück buchen. In der Box sind Croissant, Joghurt, Knäckebrot und Brotaufstriche. Ich bin müde, möchte mich bettfertig machen. Die Waschräume befinden sich am Ende des Wagens, etwa zehn Meter von meinem Abteil entfernt. Dort sind hinter einer blauen Tür ein metallisches Waschbecken, Seife und Papierhandtücher. Unterhalb des Spiegels ist eine Steckdose für elektrische Zahnbürsten oder einen Föhn. Ich putze mir die Zähne. Zurück im Abteil geht es ins Bett. Die zwei Meter lange Pritsche mit hellblauem Bezug muss noch bezogen werden. Ein kompliziertes Unterfangen, wie ich feststellen muss, da in dem oberen Bett der Bewegungsspielraum begrenzt ist. Zur Abteildecke sind es etwa 50 Zentimeter. Enge. In der Dunkelheit sind nur Silhouetten der Mitreisenden erkennbar Nachdem das Bett bezogen ist, kann ich schlafen. Ich strecke mich auf dem weißen Bettlaken aus und decke mich mit der roten Polyester-Decke zu. Die Pritsche ist hart, erfüllt aber ihren Zweck. Eine 1,80 Meter große Person, wie ich es bin, kann nur in der Embryostellung schlafen. Inzwischen ist es 1.30 Uhr, ich liege mit direktem Blick auf meinen Bettnachbarn. Das bisschen Licht, was es vom Gang aus durch die Gardinen ins Abteil schafft, lässt grobe Silhouetten erkennen. Er ist um die 50, hat eine Glatze, leichten Bierbauch und trägt ein grünes T-Shirt. Er heißt Anton, kommt aus den Niederlanden und fährt das erste Mal nach Prag, wie er mir am nächsten Morgen erzählen wird. Für ihn begann die Fahrt bereits in Amsterdam. Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass er beim Halt in Minden bereits schnarchend im Land der Träume ist. Zum Leid seiner Mitfahrer. Der Zug schaukelt, und mit ihm auch Anton und ich. Wie auf einem Schiff bei leichtem Wellengang wiegt uns der Zug in den Schlaf. Greencitytrip ist ein privates Bahnunternehmen. Die Deutsche Bahn (DB) hat vor sieben Jahren das Aus für ihre Nachtzüge angekündigt. Zu wenig Passagiere, zu hohe Kosten. Mit Fahrplanwechsel im Dezember 2016 waren Schlaf- und Liegewagen für die Deutsche Bahn tabu. Neben privaten Betreibern, die das Geschäft weiter führen, fährt in Deutschland die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) von Hannover nach Wien. Viel Geschnarche in der Nacht 3.35 Uhr: Das Schnarchen meiner Mitreisenden weckt mich. Mein Mund ist trocken. Der Zug ist kurz vor Halle an der Saale. Ich schlafe wieder ein. 5.24 Uhr: Durch die dunkelblauen Gardinen dringt Tageslicht in das Abteil. Ich werde wach. Der Himmel ist strahlend blau. Die Sonne geht auf. Aus dem Fenster sehe ich die Landschaft, durch die wir fahren. Grüne Felder sind zu sehen, in der Ferne die Lichter eines kleinen Dorfes. Ich schlafe bei dem Anblick wieder ein. 6.53 Uhr, alle Abteilinsassen sind bereits wach. Sie unterhalten sich auf Niederländisch. Erst jetzt erkenne ich sie richtig. Aus einem braunen Pappbecher trinkt Levi, ein kräftiger Kerl Ende 20, schwarze Sporthosen und T-Shirt, seinen löslichen Kaffee. Der Zug wackelt. Etwas Kaffee schwappt aus dem kleinen Becher auf seine braunen Wanderschuhe. "Warte, ich habe ein Tuch dabei", sagt Anton und wischt seinem Mitreisenden über die Schuhe. Sie unterhalten sich, machen Scherze. Die Pritschen sind hochgeklappt, jetzt sitzen alle sich gegenüber und unterhalten sich. Und ich mittendrin. Wir spielen Kartenspiele, zeigen uns Fotos und Videos auf unseren Handys, führen freundliche Gespräche. Um 9.30 Uhr, eine Stunde früher als erwartet, kommen wir in Prag an.

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