Feigenkakteen wuchern am Straßenrand und mannshohe Sträucher. Fast steppenartig wirkt die Hügelwelt. Fruchtbar sieht es hier, zwischen der Südküste Zyperns und dem Troodos-Gebirge, nicht gerade aus. Doch der Eindruck täuscht.
Um das Dorf Doros tauchen Weingärten auf. Vor den Häusern wachsen Zitronen- und Mandarinenbäume. Daneben reihen sich Blumentöpfe auf.
Am Ortsrand liegt die Kellerei Karseras, ein Familienbetrieb. Hier wacht der junge Hausherr Filipos Karseras über sein Reich aus Edelstahltanks, Eichenfässern und Flaschenlagern. Der Urvater aller Süßweine, der Commandaria, werde hier „auf dieselbe Art wie vor 5.500 Jahren" produziert, erzählt der Weinbauer begeistert.
Der Ablauf ist aufwendig. „Nach der Lese im September trocknen wir die Trauben zwei Wochen in der Sonne, bis sie fast zu Rosinen geworden sind, erst dann pressen wir sie", erklärt Karseras. Zwei Jahre im Fass sind das Minimum.
Im Mittelalter hieß der Süßwein Nama, sagt Karseras, bis sich die Johanniter auf Zypern festsetzten und in der südlichen Küstenebene auf der Burg Kolossi ihren Hauptsitz einrichteten – bekannt als Commanderie. Der Orden taufte den Süßwein folglich in Commandaria um. Unverändert geblieben sind die gehaltvollen, hocharomatischen Tropfen mit Farbnuancen zwischen Bronze und Schwarzbraun.
Unweit der Festung Kolossi steht das Weinmuseum Zyperns. Was macht den Weinbau mit seiner Vielzahl autochthoner Rebsorten so besonders? „Die seenahen Berge, das Klima und die Böden, denn die waren einst Meeresgrund", erklärt Museumsgründerin Anastasia Guy.
Oben in ihrer Hitliste rangiert der Xynisteri, ein Weißer mit Pfirsich- und Zitrusnoten, fruchtig und trocken zugleich. „Würde man den irgendwo anders pflanzen, es wäre nicht das Gleiche", ist Guy überzeugt. Und der Commandaria, dessen Anbaugebiet auf 14 Ortschaften begrenzt ist und der eine geschützte Herkunftsbezeichnung trägt? Dieser Wein sei ohnehin eine Rarität. Die Arbeit mit dem Alkohol liegt bei Guy in der Familie, schon zu Großvaters Zeiten produzierten sie daheim einen Trester, den Zivania.
Auch Touristenführerin Maria Alexandrou, eine orthodoxe Christin, machte früh mit dem Wein Bekanntschaft. „Sechs Monate alt" dürfte sie gewesen sein, als sie den ersten Tropfen kostete. „Sonntags gab es beim Gottesdienst immer etwas Süßwein mit Wasser, auch für die Kleinsten", erzählt sie. Alexandrou empfiehlt, im Archäologischen Park von Pafos das römische Original der „Ersten Weintrinker" zu besichtigen. Sie kennt die Geschichte, die dort im Haus des Dionysos eine Mosaikbilderfolge zeigt: „König Ikarios war mit einem Ochsenkarren voller Wein unterwegs und bot zwei Schäfern Wein an. Die wurden davon betrunken und töteten den König. Denn sie dachten, er hätte sie vergiften wollen." Ein tragisches Beispiel für Undank als Lohn.
Pafos dient als Ausgangspunkt, um die Weindörfer des Westens zu entdecken. Außerdem verströmen die ländlichen Gegenden um Choulou und Pano Panagia mediterrane Exotik: Oliven, Orangen, Granatäpfel.
Im Dorf Letymvou stehen Café-stühlchen an der Straße, im Gebirgskloster Chrysorrogiatissa produzieren fünf Mönche Wein. Eine Treppe führt vom Kirchhof ins Weinkellergewölbe, die Preise im Shop sind für Zypern sensationell. Eine Flasche Xynisteri kostet vier, ein roter Shiraz-Maratheftiko fünf Euro.
So alt er auch sein mag – der Weinbau auf Zypern hat erst in jüngerer Zeit richtig Fahrt aufgenommen. Innovative Önologen wie Orestis Tsiakkas haben eine Qualitätsrevolution losgetreten und gleichzeitig das Know-how der Vorfahren aufgesaugt.
Orestis Vater war eigentlich Bankmanager. Ein visionärer Instinkt ließ ihn Anfang der 90er-Jahre den Job kündigen, um seine bei Pelendri begründete Kellerei Tsiakkas richtig aufzubauen.
„Mein Vater begann mit einer Jahresproduktion von 500 Flaschen, mittlerweile sind es 200.000", sagt Orestis und blickt über die Symmetrie der geschwungenen Terrassen hinweg. Der Anbau reicht bis auf ungewöhnliche Höhen um 1.480 Meter.
„Die alten Rebsorten revitalisieren, das ist die neue Tendenz auf Zypern", führt Orestis aus. Also Promara, Yiannoudin und Mavro. Die Resultate seien sehr vielversprechend.
In dieselbe Kerbe schlägt Winzer Marcos Zambartas im Dorf Agios Amvrosios. Der Sitz des Weinguts Zambartas sieht von außen wie eine Villa aus, in den Tiefen stecken die Lager. Dagegen liegen die eigenen Weingärten bis zu 40 Fahrminuten weit weg. Auch das mag, abgesehen von der Spitzenqualität, das gehobene Preisniveau erklären.
Zambartas verweist auf den weitgehenden Verzicht auf Bewässerung. „Dazu haben wir auch gar keine Infrastruktur", sagt er. Die Rebsorten seien sehr robust, es gebe keine Probleme mit Schädlingen. Stolz ist er auf seinen vierjährigen Sohn, der schon das holzige Odeur eines Weines erkenne – da scheint die nächste Generation heranzuwachsen.
Dem Wein begegnen Reisende auf Zypern an vielen Ecken. Sieben Weinstraßen sind ausgewiesen. Ein Spaziergang durch Omodos an der Route 4 nordwestlich von Kolossi führt zu einer mittelalterlichen Weinpresse. Und ein Halt in Agros an der Route 6 weit nördlich von Lemesos zur Wurstwarenfabrik Kafkalias. Dort nehmen Schweinefilets in einer Kühlkammer ein einwöchiges Rotweinbad, bevor es abgeht in die Räucherkammer. Das Resultat zergeht auf der Zunge.
Allgegenwärtig bleibt der Commandaria, den Winzer Filipos Karseras als Begleiter „für einen relaxten Abend" liebt. Das ist die beste Empfehlung – und die Sonne Zyperns, Schluck für Schluck.
INFORMATION
Gut zu wissen
Anreise
Direktflüge nach Larnaka auf Zypern gibt es von verschiedenen deutschen Flughäfen. Für Weintouren auf der Insel am besten einen Mietwagen nehmen.
Wein
The Cyprus Wine Museum in Limassol: www.cypruswinemuseum.com;
Weingut Zambartas in Limassol: www.zambartaswineries.com.
Infos
www.visitcyprus.com