Wo stand er eigentlich, der Koloss von Rhodos, eines der sieben Weltwunder der Antike? Diese Frage treibt wohl jeden Besucher um, der erstmals die größte der Dedokanes-Inseln in der südöstlichen Ägäis besucht. Über 30 Meter hoch soll die Bronzestatue des Sonnengottes Helios einst gewesen sein. Ein unvergleichliches Kunstwerk und eine technische Meisterleistung aus dem dritten Jahrhundert vor Beginn unserer Zeitrechnung zugleich. Da dürfte es doch gar nicht so schwierig sein, Hinweise auf den Standort zu finden. Bedauerlicherweise stürzte der Koloss bereits 54 Jahre nach seiner Errichtung aufgrund eines Erdbebens zusammen. Später verkaufte man die zerschellten Bronzeteile. So konnte die Wissenschaft mangels Hinterlassenschaften bis heute keine eindeutige Antwort geben und es bleibt ungewiss, ob dieses Rätsel der Geschichte je gelöst wird.
In den Souvenirläden der Insel-hauptstadt grüßt der Koloss von Tassen, Vasen, Untersetzern und Postkarten. Meist ist sein Abbild einer mittelalterlichen Darstellung entnommen, auf der er mit gespreizten Beinen über dem Eingang des Mandraki-Hafens vor der Hauptstadt steht und ankommenden Schiffen Einlass gewährt. Steht man heute vor der viel zu breiten Hafeneinfahrt, so liegt die Vermutung nahe, dass diese Version kaum einer ernsthaften Prüfung standhalten kann. Realistischer wirken die etwa lebensgroßen Statuen des Hirsches und der Hirschkuh, die jetzt die Mole beidseitig zieren. Diese beiden ge- und verehrten Wappentiere der Insel sollen der Überlieferung nach die hiesigen Giftschlangen mit ihren Hufen deutlich dezimiert haben. Nicht nur sie, auch die Windmühlen auf der Mole und die prächtigen Jachten machen den Hafen selbst ohne Koloss zu einer Augenweide.
Für Fremdenführerin Maria Ouranidou kann der Koloss nur auf einer Anhöhe gestanden haben, die für Seefahrer aus der Ferne sichtbar war. Während sie ihre Gäste durch die Altstadt führt, deutet sie auf den Palast des Großmeisters des Johanniter-Ordens, der auf dem höchsten Punkt von Rhodos-Stadt liegt. „Wahrscheinlich würde man hier bei Grabungen Hinweise auf den Koloss finden", ist sie sich relativ sicher. Doch niemand will ernsthaft an den Grundfesten des kolossalen Palastes mit seinen prächtigen Arkaden und Mosaikfußböden rühren, der im 14. Jahrhundert von den Johannitern errichtet, aber im Jahr 1856 durch eine Explosion schwer beschädigt wurde. Er selbst ist ein äußerst beeindruckendes Zeugnis aus der wechselvollen Geschichte der Insel, als die Kreuzritter und der Johanniter-Orden sich aus dem Heiligen Land zurückziehen mussten. Ihnen ist die einmalige mittelalterliche Architektur der Altstadt zu verdanken, die zum Welterbe der Unseco gehört. Umrahmt von einer vier Kilometer langen Stadtmauer, entfaltet sie an lauen Abenden, die aufgrund des milden Klimas bis in den November reichen können, ihr mittelalterliches Flair, wenn die Scharen von Touristen die engen Gassen längst verlassen haben. Ein Bummel durch die Ritterstraße weckt die Fantasie, wirft man einen Blick in die beiderseits gelegenen „Herbergen der Zungen". Jede der acht ritterlichen Landsmannschaften aus Frankreich, Spanien, Italien, England und Deutschland hatte hier ihr eigenes Refugium mit kleinen romantischen Hofgärten. In einem der nahegelegenen Restaurants lässt es sich bei einem Glas Wein trefflich darüber disputieren, wie das Zusammenleben von raubeinigen Rittern, demütigen Mönchen und den Inselbewohnern wohl einst ausgesehen haben mag. Es tut dem Reiz dieses Ambientes keinen Abbruch, dass sowohl die Ritterstraße als auch der Großmeister-Palast von den Italienern während ihrer Besatzungszeit wiederaufgebaut wurden.
Rund 50 Kilometer südlich der Inselhauptstadt lässt sich eine weitere bedeutende Sehenswürdigkeit bewundern. Auch hier hinterließen die Johanniter mit dem Ausbau einer ehemals byzantinischen Kirche auf dem 166 Meter hohen Festungsberg der Akropolis von Lindos ihre Spuren. Noch beeindruckender sind die verbliebenen Teile des römischen Kaisertempels, des Tempels von Psy-thiros, des Tempels der Athena von Lindos sowie des antiken Theaters. Die ältesten Ausgrabungsfunde reichen bis in die Jungsteinzeit vor rund 12.000 Jahren zurück. Was diese Akropolis aber besonders hervorhebt, ist ihre fantastische Lage, umgeben vom strahlenden Blau der Meeresbuchten – ein magischer Platz, wenn man die Chance hat, die Akropolis am frühen Morgen oder bei untergehender Sonne zu besuchen.
Wer auf der Fahrt von Rhodos-Stadt nach Lindos kleine Umwege in das Inselinnere nicht scheut, trifft auf pittoreske Dörfer, eine authentische Inselküche und äußerst gastfreundliche Bewohner. Wie vor 1.000 Jahren ziehen kleine Ziegengruppen durch die mit Sträuchern und wild wachsenden Kräutern übersäte Hügellandschaft, aus der Bergkuppen aus Muschelkalkstein herausragen. Bauern bieten unterwegs an kleinen Ständen Leckereien und Obst an. In Malona gedeihen beispielsweise saftige Orangen und Mandarinen, Granatäpfel und Limonen sowie aromatische Tomaten und Oliven. In Archipolis lohnt ein Stopp, um den berühmten Honig zu verkosten. Dazwischen laden kleine Kirchlein, wie die St. Marie Epikalusa zum Verweilen ein. Auch wenn es schwerfällt, sich einmal von den Stränden, wie Tsambika, die Anthony-Quinn-Bucht oder Faliraki, zu trennen, wird jeder auf Rhodos mit fantastischen Eindrücken belohnt, der sich entweder individuell oder mit einem der vielen Veranstalter auf Erkundungsfahrt begibt.
INFORMATION
Gut zu wissen
Anreise
Zum Beispiel mit TUIfly ab 140 Euro hin und zurück. www.tuifly.com
Unterkunft
Tipp: Vom zentral in Kolymbia gelegenen Hotel ATLANTICA Imperial Resort and Spa lassen sich die Erkundungsfahrten bequem arrangieren, toller Strand, sieben Nächte, ab 23. April, Halbpension, Hotel und Flug ab 590 Euro pro Person. www.tui.com/de
Highlight
Die Akropolis von Lindos ist in den Sommermonaten montags von 13 bis 19.30 Uhr und dienstags bis sonntags von 8 bis 19.30 Uhr geöffnet, in den Wintermonaten dienstags bis sonntags von 8.30 bis 15 Uhr. Eintritt 6 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre zahlen nichts.