Spanien

Saft der Oliven

Mallorca im Winter: Ein Ausflug zu einem Olivenproduzenten führt zu den landwirtschaftlichen Ursprüngen der Baleareninsel

Olivenhain: Auf 24 Hektar baut die Finca Aubocassa Oliven an. | © Gottlieb Schultheiß

07.12.2019 | 07.12.2019, 06:00

Am Strand nahe El Arenal herrscht die Ruhe der späten Nachsaison. Während es in Deutschland längst feucht und düster geworden ist, genießen die Urlaubsgäste die flach über dem Meer stehende Sonne auf Mallorca. Ein junges Ehepaar schiebt sein Baby im Kinderwagen durch den Sand. Die vor einigen Jahren sanierten Balnearios mit ihren gefliesten Böden stehen leer, nur an den Tischen der Nummer 6, dem berühmt-berüchtigten Ballermann, finden sich Touristen ein, um einen Kaffee, ein Bier, einen Prosecco zu bestellen. Viele Restaurants sind geschlossen, vor dem „Oberbayern", wie die Nummer 6 ein Treffpunkt durstiger Sommerurlauber, postieren sich die Spaziergänger für ein Selfie.

Was tun an einem solchen Tag, an dem es nur wenige Mutige wagen, im Meer zu baden? So leer die Strände sind – das Angebot an Unternehmungen im winterlichen Mallorca ist vielfältig. Zu zweit oder in kleinen Gruppen brechen Radler von El Arenal zu einem Ausflug in das Umland auf. Auch einige Rennradfahrer nutzen das günstige Wetter für eine Trainingsfahrt, um sich auf die neue Saison vorzubereiten. An ihren Rucksäcken lassen sich die Wanderer erkennen, die im Tramuntana-Gebirge die Natur Mallorcas zu Fuß entdecken wollen.

Wer sich für die landwirtschaftlichen Ursprünge der Baleareninsel interessiert, dem bietet die Finca Aubocassa einen informativen Blick hinter die Kulissen der Olivenproduktion. Das landwirtschaftliche Anwesen, etwas abseits der Straße nach Manacor gelegen, ist für sein Olivenöl erster Qualität bekannt. Zwei hohe Zypressen neben einer Kapelle weisen bei der Anfahrt schon von Weitem auf die Gebäude der Finca hin, die in den vergangenen Jahren Zug um Zug saniert wurde. Ihre Ursprünge liegen im 12. Jahrhundert und gehen damit auf die Zeit zurück, als die Araber das Land beherrschten.

Im Namen selbst lassen sich die arabischen Wurzeln des Anwesens nachweisen. Aubocassa, das bedeutet eigentlich Abu Cassim, „Sohn des Cassim". Das sagt Tiffany Blockman, die Besucher über das Gelände führt und die Olivenproduktion erläutert. Doch schon vor den Arabern wurde das Gelände der Finca, die heute 24 Hektar groß ist, landwirtschaftlich genutzt. „Als wir mit den Sanierungen begonnen haben, fanden wir römische, arabische und mittelalterliche Gebäudeteile", sagt Tiffany.

Bereits auf dem Weg zur Aubocassa säumten die Olivenhaine die Hänge der Serra de Tramuntana in der Ferne. Bis vor wenigen Jahren wurden die knorrigen Bäume ausschließlich an den Hängen der Berge angebaut, dort wo Regenwasser abfließen kann. „Sie auch in der Ebene für die Produktion herausragender Qualitäten zu nutzen, ist nur eine der Entscheidungen, für die Aubocassa vor etwa 20 Jahren von den Nachbarn für verrückt erklärt worden ist", sagt Tiffany. Reihe in Reihe stehen die Bäume seitdem auf dem Anwesen, zwischen den Gassen wächst Gras, aber auch Pilze und wilder Spargel. „Heute exportieren wir in 28 Länder der Welt und haben zahlreiche Preise gewonnen", betont sie. Stolz wird auf dem Etikett der geringe Säuregrad des Öls vermerkt: „0,1 Prozent Säuregehalt steht für die höchste Qualität", sagt sie.

Es braucht etwas Glück, um bei der Ernte zuschauen zu können, wenn die Bäume mit großen Maschinen gerüttelt werden, damit die Früchte herabfallen. Einen festen Termin gibt es nicht. Geerntet wird, wenn die Früchte reif sind, wenn sie an den Bäumen in drei Farben erscheinen, in Grün, leicht durchgefärbt oder bereits ganz schwarz. Manchmal beginnt die Ernte deshalb im November, manchmal auch später. Und sie kann in Aubocassa bis Mitte Januar andauern. Dass sich ein Olivenproduzent sechs bis acht Wochen Zeit nimmt, um die Früchte zum optimalen Zeitpunkt einzuholen, sei nach dem Anbau in der Ebene die zweite „Revolution" in Mallorca gewesen, sagt Tiffany.

Die dritte Revolution ist die Art der Gewinnung des Öls: Die Oliven werden gewaschen, aufgeschnitten und sanft zu einer Paste zermahlen, allerdings nicht gepresst, erläutert Tiffany die Funktion der Maschinen in den hohen Räumen. In zwei Stufen wird das Öl vielmehr in Zentrifugen von den festen Bestandteilen und dem Wasser der Früchte getrennt. „Eigentlich stellen wir Olivensaft her", sagt sie deshalb.

Bei der Verkostung im Anschluss lassen sich die feinen Nuancen des Olivenöls entdecken, die auf diese Weise entstehen: die Geschmeidigkeit des Öls von eigenen Bäumen der Aubocassa mit seinem Duft nach reifen Tomaten und Artischocken und das deutlich kräftigere Aroma und die Schärfe des Öls von eingekauften Früchten. Denn längst wollen auch die Olivenbauern in der Nachbarschaft vom Erfolg der Aubocassa profitieren. „Sie produzieren nach unseren Vorgaben und bringen uns die Oliven zur Verarbeitung", sagt Tiffany.

Beim abschließenden Rundgang zeigt Tiffany auf die rund 500 Meter hohe Anhöhe mit dem Kloster San Salvador im Südosten der Insel, um die Lage der historischen Finca zu erläutern. Gerade entgegengesetzt, zwischen den Gassen der Olivenbäume, kann man die Gebäude des Klosters Bonany erkennen. Dahinter liegt Petra, die kleine Gemeinde, aus der einst der Franziskanermönch Junipero Serra aufbrach, um in Amerika Menschen zu missionieren. Was der spätere Gründer von San Francisco in Kalifornien mit in die neue Welt nahm, waren die Produkte der Erde Mallorcas: Mandeln, Wein und Oliven. An Ausflugszielen in den nächsten Tagen dürfte es also nicht fehlen.

INFORMATION


Gut zu wissen

Olivenöl
Das Öl gehört neben Wein, Mandeln und Getreide zu den landwirtschaftlichen Kernprodukten Mallorcas. Es wird seit Jahrtausenden auf den kalkhaltigen Böden der Insel angebaut. Das Öl der Aubocassa hat seinen Preis. Es ist in Deutschland bei verschiedenen Versendern für 15 bis 17 Euro pro Halbliterflasche erhältlich. Das Angebot auf Mallorca ist groß. Wer sicher sein will, qualitativ hochwertiges Öl zu erhalten, hergestellt aus den Sorten Arbequina, La Mallorquina oder Picual, der achtet auf die kontrollierte Ursprungsbezeichnung „DO Olio Mallorca". Wer sich für die Produktion und Verkostung von Wein und Mandeln interessiert, für den lohnt sich ein Ausflug in die Bodega Ramanya im Ort Santa Maria. www.bodegaramanya.com

Reisezeit
Das milde Klima der Baleareninsel erlaubt Unternehmungen und Exkursionen beinahe das ganze Jahr über – auch im Winter. Die Infrastruktur für Radausflüge und Wanderungen ist gut bis sehr gut. Viele Agenturen bieten Leihräder an, auch in der Neben- und Nachsaison. Vom Bergdorf Orient aus beispielsweise gelangt man auf gut angelegten und von Olivenhainen umsäumten Wegen über Ziegenpfade und eine wildromantische Schlucht zu Fuß zur historischen Festung von Alaró. Eine 30 Kilometer lange Radtour führt von El Arenal aus über L’Aranjassa und Sa Casa Blanca nach L’Hostalet. Es geht entlang von Gärten, Orangen- und Zitronenhainen und Feldern mit Windmühlen.

Kosten
Mallorca im Winter ist erschwinglich. So gibt es eine Woche Aufenthalt im Erste-Klasse Hotel „Llaut" inklusive Frühstück, Bahnticket, Transfer und Flug beim Reiseveranstalter ITS bereits ab 539 Euro. Veranstalter Dertour bietet eine einwöchige Gruppen-Fahrradreise in einem Hotel der gehobenen Mittelklasse mit Halbpension, Radtouren, Fahrradmiete, inklusive Flug und Transfer im Februar und März ab 839 Euro an. Ab 629 Euro lässt sich beim selben Veranstalter zwischen Februar und Oktober eine einwöchige Wanderreise durch die Trans Tramuntana buchen.

Infos
Finca Aubocassa
www.aubocassa.com