Neuseeland

Von der Hölle in den Himmel

In Neuseeland stoßen die Indo-Australische und die Pazifische Kontinentalplatte aufeinander. Dadurch werden geothermische und vulkanische Urkräfte freigesetzt. Für Touristen sind sie ein spektakuläres Naturerlebnis

Spektakulär: Im aktivsten Vulkangebiet Neuseelands liegt der Tongariro-Nationalpark, der älteste Nationalpark Neuseelands. | © Michael Juhran

01.06.2019 | 01.06.2019, 06:00

Als George Bernhard Shaw 1934 Tikitere, das geothermisch aktivste Gebiet Rotoruas, besuchte, stellte er fest: „Das muss die Pforte zur Hölle sein". Die siedend heißen Quellen und Seen, unablässig blubbernde Schlammlöcher und der beißende Geruch von Schwefelwasserstoff speienden Fumarolen regten die Fantasie des bekennenden Atheisten an. Gern übernahmen die lokalen Maori geschäftstüchtig seine einprägsamen Begriffe für die geothermischen Spots, wie „Hell’s Gate" oder „Sodom und Gomorrha", unter denen ihr 700 Jahre altes Heiligtum schnell Weltbekanntheit erlangte. Jährlich zieht die „Pforte zur Hölle" seither Tausende Touristen aus aller Welt an, die durch den 20 Hektar großen Park wandern. Es ist der aktivste und einzige in der Ro-
torua/Taupo-Region, der sich noch im Besitz der Maori befindet.

Seit Jahrhunderten nutzen die Maori die im heißen Wasser gebundene Energie zum Kochen und Heizen oder einfach für ein warmes Bad. Der mineralhaltige Schlamm findet traditionell als Heilmittel gegen Arthritis und Hautkrankheiten Verwendung. Maori-Krieger sollen in der Vergangenheit ihre Wunden unter dem Kakahi-Warmwasserfall gereinigt haben, nachdem sie anderen Stämmen Lebensmittel, Werkzeuge oder Frauen zur Auffrischung ihres Genpools geraubt hatten. Heute sind es Touristen, die ihre Haut mit Hilfe des feinen Heilschlamms reinigen und ihr Wohlbefinden im Mineralbad revitalisieren. Und dies völlig entspannt, denn die letzte bedeutende Eruption innerhalb der Rotorua-Caldera ist 240.000 Jahre her.

Unvergesslich: Es ist ein himmlisches Vergnügen, über den Tongariro-Nationalpark mit seinen drei aktiven Vulkanen zu fliegen. Man kann den Park aber auch zu Fuß erkunden und muss nicht abheben. - © Michael Juhran
Unvergesslich: Es ist ein himmlisches Vergnügen, über den Tongariro-Nationalpark mit seinen drei aktiven Vulkanen zu fliegen. Man kann den Park aber auch zu Fuß erkunden und muss nicht abheben. | © Michael Juhran

Keine 30 Autominuten von Rotorua entfernt können Wanderer gleich ein ganzes Tal voller heißer Quellen erkunden. Das Vulkantal von Waimangu entstand als direkte Folge des Tarawera-Vulkanausbruchs im Jahr 1886. Läuft man die rund fünf Kilometer vom Besucherzentrum bis zum See Rotomahana hi-
nunter, passiert man mit dem „Bratpfannensee" unter anderem die größte Heißwasserquelle unseres Erdballs, wird am „Inferno Crater Lake" vom intensiven Blau seines Wassers entzückt und entdeckt in den Flussläufen und Heißwasserquellen Pflanzen- und Bakterienkulturen in einem bezaubernden Farbenreichtum.

Für sportlich Aktive: Traumhafte Lagunen sorgen bei einer Kajaktour für Abwechslung. - © Michael Juhran
Für sportlich Aktive: Traumhafte Lagunen sorgen bei einer Kajaktour für Abwechslung. | © Michael Juhran

Anderthalb Autostunden weiter südlich weist am Lake Taupo auf den ersten Blick nichts auf eine Naturkatastrophe der Superlative hin. „Vor etwa 26.500 Jahren kam es hier zur weltweit stärksten Eruption der letzten 70.000 Jahre Erdgeschichte, die ganz Neuseeland mit einem Ascheteppich bedeckte", erklärt Kapitän Peter Battell während einer Segeltour auf dem größten See des Landes. Die Caldera füllte sich mit Wasser und bildet nun den nördlichen Teil des Sees. „Nur sechs bis zehn Kilometer unter uns befindet sich eine riesige Magmakammer", fügt Peter hinzu, während er Pizza und Bier an seine Gäste verteilt.

Eine weitere Autostunde gen Süden offenbart sich die vulkanische Geschichte Neuseelands in ihrer ganzen Dramatik. Im Herzen der Nordinsel gelegen, ragen die aktivsten Vulkane des Landes in den Himmel. Schon von weitem dominiert der perfekt kegelförmige Mount Ngauruhoe die riesige, mit erkalteter Lava und Asche bedeckte Landschaft. Im Herbst tauchen hochgewachsene Toetoe- und Pampasgräser sowie purpurfarbenes Heidekraut die ansonsten karge Gegend in einen beeindruckenden Farbkontrast. Der Tongariro-Nationalpark ist der älteste Neuseelands und gehört aufgrund der dort liegenden heiligen Maori-Stätten sowohl zum Weltkultur- wie auch zum Weltnaturerbe der UNESCO.

Am Rande des Nationalparks ermöglicht Bhrent Guy mit seinem Piloten-Kollegen Anthony Gurr Besuchern faszinierende Rundflüge mit Panoramablicken auf die Vulkanlandschaft. Er hat die Feuerspucker bereits mehrfach in Aktion beobachten können.

„1995", erinnert er sich, „war ich mit einem Filmteam von CNN unterwegs, als der Mount Ruapehu ausbrach. 1996 dauerte eine erneute Eruptionsperiode des Vulkans ganze acht Wochen. Bis zu zwölf Kilometer hoch erhob sich damals die Aschewolke über dem Berg." Es ist ein himmlisches Abenteuer, mit den beiden Piloten bis zu 3.000 Meter aufzusteigen und die drei aktiven Vulkane Tongariro (1.968 Meter), Ngauruhoe (2.291 Meter) und Ruapehu (2.797 Meter) in unmittelbarer Nähe zueinander zu betrachten.

Eine fantastische Berglandschaft tut sich neben und unter dem kleinen Flugzeug auf. Vulkankegel, pfannenfömige Caldera-Regionen und von Gletschern der letzten Eiszeit geschliffene Täler wechseln sich mit gelb-grünen und blauen Bergseen ab. In der Sonne glänzende Schneefelder setzen die rot-braunen Vulkanwände in Szene. Auf schmalen Pfaden sind in winziger Dimension Wanderer inmitten der gewaltigen Bergwelt zu erkennen. Sie sind auf der Tongariro Crossing unterwegs – mit 20 Kilometern Länge und 2.000 Höhenmetern auf und ab ist sie die „Königsroute" im Nationalpark.

Diejenigen, die den anspruchsvollen Höhenweg absolviert haben, sind anschließend gut beraten, eine Ruhepause einzulegen. Als echte Abwechslung drängt sich da der Abel Tasman-Nationalpark nahezu auf. An der nordwestlichen Spitze der Südinsel gelegen, lässt es sich auf dem Coast Track zwar auch gut wandern, doch dank verschiedener Tourenanbieter gibt es für die einzelnen Streckenabschnitte abwechslungsreiche Alternativen per Kajak, Segelkatamaran, Fähre oder Wassertaxi. Traumhafte Lagunen, seichte Badestrände und faszinierende Granitbögen vermitteln ein Gefühl, als sei man von der Hölle im Himmel gelandet.

INFORMATION


Gut zu wissen

Anreise
Zum Beispiel mit Thai Airways, Lufthansa, Singapore Airlines, Qatar Airways, Emirates mit Zwischenhalt nach Auckland ab etwa 1.000 Euro. Von Auckland dann weiter mit dem Mietwagen. Achtung: Ab dem 1. Oktober 2019 ist eine Einreisegenehmigung obligatorisch. Informationen dazu gibt es im Internet unter unter immigration.govt.nz

Beste Reisezeit
Im März und April sowie im Oktober und November gibt es die angenehmsten Tagestemperaturen zwischen 20 und 30 Grad Celsius.

Erleben
Hell’s Gate Geothermal Reserve: Eintritt Erwachsene 35 Neuseeland-Dollar; Waimangu Volcanic Valley: Eintritt Erwachsene 42 Neuseeland-Dollar; Bootsfahrt auf Lake Rotomahana 45 Neuseeland-Dollar, waimangu.co.nz; Sunset Sailing auf dem Lake Taupo: 54 Neuseeland-Dollar,
sailbarbary.com; Ein 35-minütiger Rundflug um das Tongariro Vulkanplateau kostet bei „Mountain Air" 255 Neuseeland-Dollar, mountainair.co.nz; Eine geführte Tour auf dem Tongariro Alpine Crossing kostet ab 255 Neuseeland-Dollar, adriftnz.rezdy.com

Tipps
Auf der Wanderroute „Tongariro Alpine Crossing" sollten mindestens zwei Liter Flüssigkeit sowie Kleidung für sich schnell ändernde Witterungsverhältnisse (Zwiebelprinzip) mitgeführt werden, auf das Besteigen des Mount Tongariro und des Mount Ngauruhoe sollte man aus Respekt für die heiligen Stätten der Maori verzichten.

Infos
newzealand.com/de