Butterweich landet der Flugzeug-Oldtimer von Tintina Air auf dem Lake Bennett. Baujahr 1948 ist die aufwändig restaurierte, knallrote de Haviland Beaver, das wohl zuverlässigste Wasserflugzeug seiner Zeit. 1.600 dieser fliegenden Lastesel mit 9-Zylinder-Sternmotor wurden von 1947 bis 1967 gebaut, gut 500 fliegen immer noch. Lake Bennett, nur zu Fuß, mit dem Flugzeug oder mit der White Pass und Yukon Eisenbahn zu erreichen, ist einen Abstecher vom Alaska Highway wert.
Während des Klondike Goldrausches, Ende des 19. Jahrhunderts, versammelten sich hier Zehntausende Glücksritter. Sie hatten zu Fuß den steilen, schneebedeckten Chilkoot Pass überwunden und warteten auf die Eis-Schmelze. Dann konnten sie den Weg zu den Goldfeldern über Seen und auf dem Yukon fortsetzen, hinunter nach Dawson City, wo der Klondike in den Yukon mündet. Heute erinnern nur noch ein paar verrostete Öfen an die Zeit des Goldrausches – und die hölzerne St. Andreas Kirche von 1901. In Bennett besaß übrigens auch Friedrich Trump, Großvater von Donald Trump, ein Hotel mit Saloon. Aktuell entsteht gerade das Chilkoot Trail Village, ein Erlebnisresort für Outdoor-Enthusiasten.
Auf dem Flug von Whitehorse nach Bennett über schneebedeckte Gipfel gewinnt man einen Eindruck vom beschwerlichen Weg Abertausender, die dem Lockruf des Goldes folgten. Darunter auch der junge Jack London, dessen Hütte in Dawson City zu besichtigen ist. Der amerikanische Schriftsteller legte mit seinen Erlebnissen im Yukon die Basis für weltweit erfolgreiche Romane. Am 22. November jährt sich sein Todestag zum 100. Mal. Er fand kein Gold, wurde aber durch seine Bücher reich.
Zurück im Whitehorse wartet der Alaska-Canada-Highway, auch Alcan genannt. Dessen Geschichte beginnt in Hawaii. Nach dem Bombenangriff Japans auf Pearl Harbour im Dezember 1941 nahm die japanische Armee die Inselkette der Aleuten ins Visier, den nordwestlichen „Wurmfortsatz" Alaskas. Es gab keine Straßenverbindung zwischen den USA und dem damals 49. Bundesstaat Alaska. So galt es als unmöglich, bei einer drohenden Invasion Alaskas schnell Truppen dorthin zu verlagern. Die Regierung in Washington stand unter Zugzwang: Nach einem Eilbeschluss bauten binnen acht Monaten zwischen Februar und Oktober 1942 mehr als 30.000 Pioniere eine Militärstraße durch British Columbia und den Yukon bis nach Fairbanks in Alaska. Eine technische Meisterleistung unter schwierigsten Bedingungen. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde die Strecke begradigt, ausgebaut und asphaltiert. Heute gehört sie zu den Traumstraßen Nordamerikas.

Unweit Watson Lake sehen wir auch schon den ersten Schwarzbären am Straßenrand. Er frisst an einem Elch, den wohl ein Lastwagen „erlegt" hat. Aussteigen wird nicht empfohlen, Bären sind flink und gefährlich. Schneebedeckte Gipfel säumen den Weg, die Straße wird steiler und kurviger. Der Verkehr hält sich in Grenzen. Beim Verlassen des Autos ist auf dem Highway nur die Stille los. An der South Canol Kreuzung bilden Autowracks aus den 1940er Jahren ein makaberes Denkmal. In Watson Lake sind das Northern Light Centre und der Signpost Forest beliebte Ziele. Manch einer bringt ein Schild mit, um die mehr als 10.000 aus aller Herren Länder stammende Auswahl zu ergänzen. Das erste hatte ein an Heimweh leidender Soldat 1942 aufgestellt.

Den Alcan wie auch den Top of the World-Highway oder den Klondike Highway muss man im Wortsinne erfahren. Die ungeheure Größe und Weite der Landschaft lässt Demut aufkommen und Dankbarkeit für diese großartige Natur. Die Nadelbäume schrumpfen, je weiter nördlich es geht. Das liegt am Permafrost, der unter der Erdoberfläche für eisige Temperaturen sorgt, darüber für wenig Wachstum und auf der Straße für Schäden, die im Sommer repariert werden. Folgerichtig steht nach 450 Kilometern eine Baustellenampel auf dem Highway. Der Bau des Alcan und die Erschließung des Yukon sind im MacBride-Transportmuseum in Whitehorse mit Fahr- und Flugzeugen aus damaliger Zeit dokumentiert.
Bei der Weiterfahrt Richtung Norden streift die Route den Kluane-Nationalpark. In einer Rangerstation gibt es Tipps für Tageswanderungen. Die Temperaturen erreichen hier unter der Mitternachtssonne deutlich mehr als 20 Grad. Wild Sweet Pea, eine blühfreudige Erbsenpflanze, säumt wie ein purpurner Teppich den Highway, von dem aus sich Dallschafe und Bergziegen beobachten lassen. Campingplätze und Lodges liegen am Weg. Empfehlenswert: die Yukon Discovery Lodge von Amanda Harris bei Beaver Creek.
In Alaska biegen wir bei Tetlin ab auf den Taylor Highway, der an der kanadischen Grenze zum Top of the World-Highway wird. Pause im Goldsucherdorf Chicken: Der Legende nach sollte der Ort Ptarmigan heißen, nach dem englischen Wort für Schneehuhn. Weil aber keiner der Bewohner das buchstabieren konnte, einigte man sich pragmatisch auf Chicken (Hühnchen).
Die gut ausgebaute Straße endet in Dawson City, dem Ziel aller Glücksritter zur Goldsucherzeit. Goldbottom Mine Tours führt dort in eine aktive Goldmine. Justin Millar (23), Sohn des Claim-Besitzers, demonstriert die maschinelle Ausbeutung des begehrten Edelmetalls aus dem Permafrost-Boden: „Überwiegend Goldstaub wird hier gefunden, winzige Partikel, nur selten mal ein Nugget." „Zwischen 65 und 95 Prozent Gold enthält der gewonnene Stoff hier", erklärt Uta Reilly, aus Freiburg stammende Goldhändlerin in Dawson, „der Rest ist Silber und anderes Metall".
Wer will, kann bei Goldbottom Mines selber mit der Pfanne schürfen. Vor der Fahrt auf dem Klondike Highway, gut 500 Kilometer bis Whitehorse, steht Goldgräber-Unterhaltung auf dem Programm. In Diamond Tooth Gerties Gambling Hall wird auf der Bühne Cancan getanzt und im Saal gezockt. Doch auch wer hier verliert, behält wertvolle Erinnerungen an einen großartigen Road Trip, die ihn für den Rest seines Lebens begleiten.
Gut zu wissen
Anreise:Condor fliegt in der Sommersaison von Frankfurt nach Whitehorse. Kosten mit Anschlussflug, etwa von Hannover, circa 1.200 Euro. Ein Mietauto – am besten ein Allradfahrzeug – ist unerlässlich. Alle genannten Straßen sind auch mit Wohnmobilen befahrbar. Am besten schon in Deutschland mieten.
Unterkünfte:
In Whitehorse Hotels, entlang der Highways, gut ausgestattete Lodges und Campingplätze. Rundflüge mit Wasserflugzeugen lassen sich an vielen Stellen buchen. Beste Reisezeit: Anfang Juni bis Mitte September. Die beschriebene Route lässt sich in ein bis zwei Wochen fahren.
www.travelyukon.de