Games-Kritik

„Ghost of Yotei“ im Test: Ein Samurai-Epos mit Herz und Härte

„Ghost of Yotei“ überzeugt mit intensiver Story, spektakulärer Grafik und fordernden Kämpfen. Ein würdiger Nachfolger von „Ghost of Tsushima“, findet unser Autor.

Protagonistin Atsu blickt auf die weite, geheimnisvolle Landschaft von Ezo, bereit für ihre Rachemission in "Ghost of Yotei". | © Sony Interactive Entertainment

Dennis Bleck
08.10.2025 | 08.10.2025, 17:37

„Ghost of Tsushima“ war 2020 eins der atmosphärisch dichtesten Actionspiele der PS4-Ära. Mit dem Nachfolger „Ghost of Yotei“ wagt das Entwicklerstudio Sucker Punch jetzt den Schritt auf die neue Konsolengeneration – und präsentiert uns ein Spiel, dem ein beeindruckender Spagat gelingt. Der zweite Teil wirkt auf Kenner des Vorgängers sofort vertraut, bringt aber gleichzeitig viel neue Ideen ein.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht dieses Mal eine Frau: Atsu, eine Kriegerin, die nach Jahren der Verbannung und auf der Flucht in ihre Heimat Ezo zurückkehrt. Ihr Ziel lautet Rache an den sogenannten „Yotei Six“ – maskierten Kriegsherren, die einst ihre Familie ermordeten und im Land nun Unruhe und Chaos stiften.

Was auf dem Papier zunächst nur nach einer (weiteren) klassischen Rachegeschichte klingt, entfaltet sich in der Erzählung zu einem intensiven, fast schon meditativen Drama. Atsus Reise ist nicht nur von Blut geprägt, sondern auch von innerer Zerrissenheit. Unsere Heldin ist gefangen zwischen Pflichtgefühl, Schuld und der Sehnsucht nach Frieden und Geborgenheit. Sucker Punch liefert uns eine insgesamt kinoreife Story, die in prachtvoller Grafik daherkommt.

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„Ghost of Tsushima“: Eine Welt wie gemalt

Die offene Welt von „Ghost of Yotei“ ist atemberaubend. Nebelverhangene Täler und golden glühende Reisfelder machen sie zu einem visuellen Kunstwerk. Die Lichtstimmung, das Farbenspiel und die Animationen wirken fast malerisch. Technisch ist „Ghost of Yotei“ insgesamt eine beeindruckende Demonstration der PS5-Leistung.

Atsu, die entschlossene Protagonistin von „Ghost of Yotei“, begibt sich auf ihre Rachemission im historischen Ezo. - © Sony Interactive Entertainment
Atsu, die entschlossene Protagonistin von „Ghost of Yotei“, begibt sich auf ihre Rachemission im historischen Ezo. | © Sony Interactive Entertainment

Die Welt lädt ohne merkbare Ladezeiten, die Texturen sind gestochen scharf. Auch die Gesichtsanimationen wirken ausdrucksstark und nicht künstlich. Besonders in den Duellen unter Mondlicht oder inmitten eines Bambusregens entfaltet das Spiel seine ganze Pracht.

Auch der Soundtrack ist herausragend. Japanische Taiko-Trommeln, Shakuhachi-Flöten und leise Saitenklänge untermalen die Kämpfe und die Stille danach. Besonders eindrucksvoll ist, wie Musik und Umgebungsgeräusche miteinander verschmelzen – das Rascheln des Grases, der ferne Ruf eines Kranichs, das Knacken eines Zweigs. Gänsehaut!

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Manche Nebenquest ist Checklistenarbeit

Doch so prachtvoll die Welt und ihr ganzes Drumherum sind – so vertraut ist auch ihre Struktur. Es gibt natürlich wieder viele Nebenaktivitäten zu erledigen. Banditenlager müssen ausgelöscht, versteckte Schreine gefunden oder Kopfgeldaufträge abgeschlossen werden. Manche dieser Aufgaben sind schön inszeniert. Andere wirken leider wie Checklistenarbeit. Gerade im späteren Spielverlauf schleicht sich eine gewisse Routine ein.

Dennoch: Wer sich Zeit nimmt, entdeckt in fast jedem Winkel der Open World kleine Geschichten. Eine alte Frau zum Beispiel, die seit Jahren auf den Geist ihres Sohnes wartet. Oder ein Fischer, der den Fluss verflucht, weil er glaubt, er habe ihn betrogen. Auch diese Charaktere sind es, die „Ghost of Yotei“ Leben einhauchen.

Ein großes Plus des Spiels ist zudem das Kampfsystem. Das ist im Vergleich zum Vorgänger noch einmal deutlich taktischer und härter geworden. Atsu kann zwischen mehreren Waffengattungen wechseln, die wir uns im Verlauf der Story aneignen. Wir wählen zwischen dem eleganten (Doppel-)Katana, dem brutalen Odachi oder der tödlichen Kusarigarima. Jeder Gegnertyp reagiert anders auf bestimmte Waffen, was zum Experimentieren einlädt.

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Würdiger Nachfolger von „Ghost of Tsushima“

Die Kämpfe sind fordernd und gnadenlos. Fehler im Timing oder ein unachtsamer Block werden sofort bestraft. Besonders auf höheren Schwierigkeitsgraden verlangt das Spiel volle Konzentration – kein Button-Mashing, sondern präzise Reaktion. Das erinnert mehr an ein Sekiro als an ein klassisches Action-Adventure.

Was das Spiel dabei auszeichnet, ist seine Dynamik. Jeder Kampf fühlt sich einzigartig an. Duelliert man sich auf einer schneebedeckten Klippe, wirbelt der Wind Staub und Schnee durch die Luft; kämpft man im Bambuswald, splittern Halme und knacken Äste unter unseren Schritten. Die Verbindung von Gameplay und Inszenierung ist meisterhaft.

Alles in allem ist „Ghost of Yotei“ ein mehr als würdiger Nachfolger seines Vorgängers. Es ist die konsequente Weiterentwicklung: spielerisch fordernder, erzählerisch konzentrierter und audiovisuell überwältigender.

Das Spiel ist am 2. Oktober exklusiv für die Playstation 5 erschienen. Es kostet zwischen 70 und 90 Euro. Mit seiner kompromisslosen Brutalität und ernsten Thematik richtet es sich klar an ein erwachsenes Publikum ab 18 Jahren.

Transparenzhinweis: Für diesen Test wurde uns vom Publisher ein kostenloser Review-Code zur Verfügung gestellt. Dies hatte keinen Einfluss auf unsere Wertung.

INFORMATION


Kaufempfehlung

Fans von „Ghost of Tsushima“: Wer den ersten Teil geliebt hat, kann bedenkenlos zugreifen. „Ghost of Yotei“ führt die Saga atmosphärisch dicht, emotional und technisch brillant fort – vertraut und doch neu.

Story-Enthusiasten: Es erwartet Sie keine einfache Rachegeschichte, sondern ein ruhiges, tiefgehendes Drama über Schuld, Ehre und Erlösung. Wer narrative Dichte und starke Charaktere schätzt, wird hier fündig.

Action-Veteranen: Das neue, anspruchsvollere Kampfsystem belohnt Präzision statt Button-Mashing. Perfekt für Spieler, die taktische Duelle und fordernde Gegner lieben – eher Sekiro als „Assassin’s Creed“.

Grafik-Genießer: Atemberaubende Landschaften, grandioses Licht und ein Soundtrack, der unter die Haut geht. Auf der PS5 gehört „Ghost of Yotei“ zu den schönsten Spielen dieser Generation.

Casual Gamer: Wer eher leichte Unterhaltung sucht oder kein Fan fordernder Kämpfe ist, könnte hier an seine Grenzen stoßen. „Ghost of Yotei“ ist kein Wohlfühl-Abenteuer – sondern ein intensives Samurai-Erlebnis.