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"The Texas Chainsaw Massacre" im Test: Und ewig röhrt die Kettensäge

Jeder Horrorfilm-Fan kennt den Filmklassiker von 1974 und den mit einen Kettensäge hantierenden Mann mit der Maske aus Menschenhaut. Basierend darauf ist jetzt ein Multiplayer-Spiel erschienen, das wir uns auf Gedärm und Verderb angesehen haben.

Mama, der Mann mit der Kettensäge ist da. In dem Multiplayer-Horror-Spiel "The Texas Chainsaw Massacre" spielen wir den weltberühmten Horrorfilm aus dem Jahre 1974 nach. | © Gun Interactive

Christian Lund
25.08.2023 | 25.08.2023, 18:54

Den Film "The Texas Chainsaw Massacre" (auf Deutsch zunächst: "Blutgericht in Texas") von 1974 kennt wohl jeder Horrorfilm-Fan: Fünf junge Leute suchen in der texanischen Einöde eigentlich ein völlig anderes Haus, geraten aber an eine Familie von Kannibalen. Der heute noch immer bekannteste von ihnen ist "Leatherface", der Mann mit der Maske aus Menschenhaut und der Kettensäge in der Hand, mit der er seine Opfer ziemlich wüst zerstückelt. Mehr müssen wir zu dem Film nicht verraten. Wer ihn noch sehen will, soll jetzt nicht gespoilert werden; und wer ihn bereits gesehen hat und ihn nicht mochte, wird wohl das Spiel auch nicht ansatzweise interessant finden. Und alle anderen, nun... alle anderen kennen die Geschichte von Kirk, Pam, Jerry, Franklin und Sally.

Jeder Kettensägenmassaker-Fan ahnt, was ihn bei dem asymmetrischen Horrortitel von Sumo Digital und Gun Interactive erwarten könnte. Neben bekannten Horror-Games für Einzelspieler (etwa "Dead Island 2", "Resident Evil", die "DarkPictures"-Reihe oder auch "TheQuarry") haben sich in den letzten Jahren auch eine Reihe von asymmetrischen Multiplayer-Spielen im Horror-Bereich etabliert. Das beliebteste ist wahrscheinlich "Dead by Daylight", aber auch "Friday the 13th" (ebenfalls von Gun Interactive) war durchaus bei Spielerinnen und Spielern angesagt. Leider wird letzteres Ende 2023 vom Markt genommen, weil es seine Lizenzrechte an der Marke verliert. Zumindest die Spieleserver sollen noch bis Ende 2024 weiterlaufen. Ein schwacher Trost.

Tatsächlich könnte sich "The Texas Chainsaw Massacre" in die Reihe der beliebten Horror-Multiplayer-Games einreihen, denn unseres Erachtens ist die Übersetzung dieser Ikone des Horrorfilms in die Videospielwelt gut gelungen. Und die Zahlen der Spieler und Matches sind ziemlich beeindruckend: 24 Stunden nach Veröffentlichung waren schon mehr als eine Million Spieler in Texas unterwegs; und vier Tage nach Veröffentlichung waren schon mehr als 25 Millionen Matches gespielt worden, ist auf dem offiziellen Twitter-Account zu lesen.

So richtig verblüffend sind die Zahlen allerdings nicht, wenn man weiß, dass das Spiel seit der Veröffentlichung im Xbox-Game-Pass verfügbar ist und damit zahlreiche Spieler das Spiel ohne Zusatzkosten spielen können. "Die Partnerschaft mit Microsoft und die Bereitstellung des Spiels für Millionen von Spielern im Game-Pass war für uns eine klare Entscheidung", sagte Wes Keltner, CEO und Präsident von Gun Interactive, in einem Interview mit GamingBolt.

Worum geht's?

Optisch hat man viel Atmosphäre aus dem Filmklassiker ins Jahr 2023 geholt. Und auch hier gilt: Besser ist es, wenn man sich vor den Killern erstmal versteckt. Und dann nur noch rennen. - © Gun Interactive
Optisch hat man viel Atmosphäre aus dem Filmklassiker ins Jahr 2023 geholt. Und auch hier gilt: Besser ist es, wenn man sich vor den Killern erstmal versteckt. Und dann nur noch rennen. | © Gun Interactive

In "The Texas Chainsaw Massacre" spielen wir entweder eines von drei Mitgliedern aus der kannibalischen Familie oder einen von vier jungen Leuten, die aus den Fängen der Familie entkommen müssen. Als Karten stehen uns dafür drei unterschiedliche Terrains zur Verfügung: das Haus, die Tankstelle und das Schlachthaus. Auf allen Karten beginnen wir stets irgendwo im Keller oder Verlies, als Opfer meist kopfüber von der Decke hängend, sodass wir uns erstmal befreien müssen.

Spielen wir die Opferseite, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, um aus den Fängen der Familie zu entkommen. Wir sollten jedoch immer acht geben, dass wir nicht zu viele Geräusche machen, denn ansonsten wecken wir damit den altersschwachen Großvater der Kannibalenfamilie auf, der in seinem Schaukelstuhl im Wohnzimmer seinen blutrünstigen Schlaf verrichtet. Sind wir zu laut, weil wir etwa die Knochenfallen nicht ernst nehmen, die an den offenen Türen hängen, wacht Grandpa auf und kann seine Familie mit seinem Echolot bei der Suche nach uns unterstützen. Wer es schwieriger haben will, bitte ..., aber für alle anderen ist der Großvater keine Option, die man gerne dazu bucht.

Haben wir als Opfer das Außengelände erreicht, müssen wir auch das noch ungesehen und ungestraft überqueren, was sich leichter liest, als es ist. Gleichzeitig werden wir im Spiel immer darüber informiert, wenn es einer unserer Mitspieler geschafft hat. Oder eben auch nicht. Das erhöht den Druck, es vielleicht als letzter doch zu schaffen. Wir nennen es "die Sally machen".

Spielen wir die Familie, kann uns auch die Rolle des Leatherface zufallen. Dann haben wir die weltberühmte Kettensäge in der Hand und können ihren schockierenden Laut über das Gelände schallen lassen. Aber natürlich hat auch das wieder zwei Seiten: Leatherface tut gut daran, den Opfern nicht zu deutlich zu machen, wie nah man ihnen ist. Besser erwischt man sie, solange sie sich einigermaßen sicher fühlen. Denn so richtig wehrlos sind die Opfer nicht, und die Familie kann auch ihre Ausdauer verlieren, was in manchen Momenten echt ärgerlich werden kann. Man kann also nicht unbedingt behaupten, dass es ein völlig unfairer Kampf ist.

Was uns gefallen hat

Wer sich vor dem Mann mit der Maske versteckt, sollte sicher sein, dass es einen Fluchtweg gibt, denn die Kettensäge schließt mit niemandem Freundschaft. - © Gun Interactive
Wer sich vor dem Mann mit der Maske versteckt, sollte sicher sein, dass es einen Fluchtweg gibt, denn die Kettensäge schließt mit niemandem Freundschaft. | © Gun Interactive

Gefallen hat uns, wie raffiniert das Spiel die unterschiedlichen Fähigkeiten der Gegner ausbalanciert. Um als flüchtendes Opfer zum Beispiel im Keller eine Tür zu öffnen, müssen wir Dietriche finden. Oder wir können Werkzeuge herstellen, mit denen wir der Familie üble Verletzungen zufügen können. Es gibt auch die Möglichkeit, die Gegner wegzustoßen und ins Taumeln zu bringen, wir haben dabei allerdings immer ziemlich schnell unser Leben eingebüßt, sodass wir diese Paniktat nicht sehr empfehlen können.

Als Killer können wir Fallen aufstellen, die unsere Opfer daran hindern, das Gelände zu verlassen. Noch effektiver aber ist es, den Großvater im Wohnzimmer regelmäßig mit Blut zu versorgen, das wir in Eimern überall herumstehen sehen. Je mehr Blut der Großvater bekommt, desto mächtiger wird sein Echolot, mit dem er die Opfer aufspüren kann. In der höchsten Stufe nützt es den Opfern auch nichts mehr, sich in Truhen oder Schränken zu verbergen – Großvaters Fähigkeit findet sie überall, und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Killer kommen.

Egal ob wir Killer sind oder Opfer: Das Spiel schafft es hervorragend, Nervenkitzel zu erzeugen. Auf der einen Seite ist es ein jubilierendes Gefühl, wenn man die Kannibalen-Familie erfolgreich ausgetrickst hat und in aller Heimlichkeit von der Farm entkommen ist, und es ist ein erschreckendes Gefühl der Niederlage, wenn die Schlachter ihre Mordwerkzeuge an unseren Körpern ausprobieren. Richtig ärgerlich ist es, wenn wir schon draußen auf dem Hof sind und davonrennen, aber leider nicht sehen, dass da noch ein Zaun kommt, den wir nicht einfach mal so sportlich überspringen können. Und in dem Moment, in dem wir das realisieren und noch zur Seite wegspringen wollen, röhrt schon die Kettensäge. Und der Sound geht wirklich durch Mark und Bein. Die Säge allerdings auch.

Jede einzelne Figur hat besondere Fähigkeiten, und jeder Charakter fühlt sich auch abwechslungsreich genug an. Bei den Opfern ist es vor allem Connie, die leiser und schneller als alle anderen Schlösser öffnen kann. Sehr, sehr hilfreich. Sonny kann Geräusche wahrnehmen, was wiederum gut ist, um Killer zu hören, die keine Kettensäge mit sich herumschleppen. Ana hat mehr Ausdauer, und Julie kann sich für eine begrenzte Zeit vor den Killern verbergen. Bei den Killern ist es der Anhalter, der fiese Fallen bauen kann; Leatherface kann einfach nur zerstören. Und richtig stark werden beide Teams erst dann, wenn sich jeder einzelne daraus mit anderen zusammenschließt und nicht für sich alleine spielt.

Gefallen hat uns auch die Optik, wenngleich uns mitunter einige verwaschene Texturen aufgefallen sind. Dennoch schafft es das Spiel sehr schön – solange man da von "schön" sprechen kann –, die Optik und Ästhetik des Films aus dem Jahr 1974 ins Jahr 2023 zu holen.

Was uns nicht gefallen hat

Manchmal hatten wir das Gefühl, sowohl als Familie als auch als Opfer, dass wir im Keller unnötig lange durch die Gänge stolpern und nicht so recht wissen, wie und wo es lang geht. Auch nach mehrmaligem Spielen ist nicht unbedingt von einem Wiedererkennungseffekt zu sprechen, wenn man an einer braunen, erdigen Wand vorbeischleicht, an der man womöglich drei Matches zuvor schon einmal vorbeigekommen ist. Vielleicht gehört das zum Spielprinzip, aber es nervt auch zunehmend.

Was auch zum Spielprinzip gehört, aber auch ziemlich nervig ist: Das Spiel funktioniert nur online. Das heißt, es müssen zu jeder Tages- und Nachtzeit Spieler da sein, die spielen wollen. Um dem entgegenzuwirken gab es zwar den Trick mit dem Game-Pass, aber sollte mal niemand da sein zum Spielen oder die Server down sein, dann gibt es keine Offline-Erfahrung, keine Möglichkeit, gegen Bots anzutreten. Es gibt auch keine Chance, irgendwo und irgendwie eine Art Tutorial zu spielen. Spiele oder stirb! Das halten wir für eine Fehlentwicklung und sollte dringend nachgeholt werden. Andernfalls führt das unerfahrene Spieler sicher schnell in die Frustration.

Leider hatten wir bei unserem Test auf der Playstation 5 auch einige Abstürze, sowohl beim Starten des Spiels als auch später im Menü. Immerhin bleiben aber die Matches selbst immer konstant in ihrer Leistung, da gab es nicht zu meckern.

Fazit

Das Spiel wird sich daran messen lassen müssen, wie gut es in Zukunft noch das Interesse seiner Spielerinnen und Spieler aufrecht erhalten kann. Die Horror-Erfahrung nutzt sich ab, je besser und länger man die einzelnen Terrains kennenlernt. Es könnte sich dann zu einem langweiligen Standard-Multiplayer entwickeln – hier müssen Sumo und Gun Strategien entwickeln, um die Leute im Spiel zu halten. Nur die Charaktere weiter aufzuleveln, darf nicht die einzige Motivation sein, die Spielerinnen und Spieler haben sollen.

Erst wenn deutlich wird, dass das Spiel weiterhin mit neuen Inhalten unterstützt wird, kann "The Texas Chainsaw Massacre" zu einem nachhaltigen Erfolg werden. Wir würden uns das wünschen, denn wir hatten einen richtig guten, spannungsgeladenen Spaß mit einer tollen Atmosphäre und gutem Sound und würden auch gerne in Zukunft genügend Leute auf den Spielservern finden, mit denen wir nach Texas reisen können.

"The Texas Chainsaw Massacre" ist seit dem 18. August 2023 für Playstation 4, Playstation 5, Xbox One, Xbox Series X|S, PC über Steam und im Microsoft-Store sowie im Game-Pass für Xbox und PC erhältlich und kostet rund 40 Euro. Das Spiel ist freigegeben ab 18 Jahren.