Der PC-Spielejahrgang 2023 wartet mit einigen Blockbustern und lang ersehnten Titeln auf. Etwa „Hogwarts Legacy“. Oder das lang erwartete „Diablo IV“. In den Startlöchern stehen zudem noch „Baldurs Gate III“ und „Starfield“. Ein wenig unter dem Radar fliegt dabei „Jagged Alliance 3“. Dabei setzt dieses Spiel einen modernen Klassiker fort, der vor allem aufgrund seines Gameplays noch heute bei Fans beliebt ist – und das nach knapp 25 Jahren! Doch das große Erbe ist freilich auch eine große Hypothek für die Entwickler von Haemimont-Games und den Publisher THQ Nordic: Kann der dritte Teil an den Erfolg des zweiten anknüpfen? Wir haben das Spiel getestet.
Worum gehts?
Das fiktive Land Grand Chien steckt in der Krise. Der Präsident wurde entführt. Seitdem hält die Terrorgruppe „La Legion“ das Land fest in ihrem Griff. Unter der Herrschaft ihres mysteriösen Anführers, dem „Major“, kontrolliert die Organisation alle Dörfer, Häfen und Diamantenminen des Landes. Unsere Aufgabe besteht nun darin, den Präsidenten zu befreien und „La Legion“ in die Flucht zu schlagen.
Zu Beginn des Spiels stellen wir serientypisch eine Söldnergruppe zusammen. Dafür stehen uns unterschiedliche Spezialistinnen und Spezialisten zur Verfügung, etwa Scharfschützinnen oder Mechaniker. Diese sind unterschiedlich talentiert oder erfahren. Fans der Serie treffen hier auf alte Bekannte, wie Fidel oder Scope. Die Erfahrung bestimmt dabei den Preis.
Denn die Söldner müssen von uns angeheuert und bezahlt werden. Holen wir uns also einen erfahrenen Anführer in die Gruppe, zahlen wir für den deutlich mehr, als für einen Anfänger. Zudem gilt es zu beachten, dass die Verträge nach einigen Tagen auslaufen und dann neu verhandelt werden müssen. Haben unsere Söldner in der Zwischenzeit mehr Erfahrung gesammelt, fordern sie auch logischerweise mehr Geld.
Haben wir unsere Gruppe zusammengestellt, begeben wir uns auf eine strategische Übersichtskarte. Diese ist in Sektoren unterteilt. Auf der Karte bewegen wir unseren Trupp etwa von einem Dorf zu einem anderen. Außerdem können wir in dieser Ansicht verschiedene Operationen durchführen, zum Beispiel die Umgebung erkunden oder die eigenen Leute medizinisch versorgen.
Beginnen wir dann eine Mission, wechseln wir in die Sektorenansicht und bewegen den Trupp in Echtzeit über die Karte. Erspäht uns hier ein Feind, dann wechselt das Spiel in einen taktischen Rundenmodus, dem Herzstück von „Jagged Alliance 3“. Zunächst bewegen wir unsere Söldner, lassen sie in Deckung gehen oder den Feind attackieren. Danach ist der Gegner dran.
Auf unserem Weg durch Grand Chien finden wir neue Waffen und neue Ausrüstungsgegenstände, die wir unter unseren Söldnern verteilen oder für Ersatzteile auseinandernehmen. Zudem sammeln unsere Spezialisten im Laufe der Zeit Erfahrungspunkte, die wir dann in neue Fähigkeiten investieren.
Was uns nicht gefallen hat
Das Schlechte vorweg: "Jagged Alliance 3" hat nicht nur ein militärisches Szenario. Die einzelnen Missionen müssen auch generalstabsmäßig geplant und durchgeführt werden – selbst auf dem niedrigsten von insgesamt drei Schwierigkeitsgraden. Bereits kleine Fehler, etwa bei der Aufstellung der eigenen Söldner zu Beginn der Mission, oder die falsche Ausrüstung bedeuten oftmals das sichere Scheitern.
Unsere erste Söldnergruppe zum Beispiel bestand aus vier Personen, ein Sprengstoffspezialist war nicht dabei. Eine der ersten Missionen spielt allerdings an einem mit Sprengladungen übersäten Strand, wo genau diese Fähigkeiten gebraucht werden. Nach und nach liefen unsere Söldner buchstäblich in die Falle. In einer anderen Mission haben wir unseren Sanitäter verloren, der dank unserer stümperhaften Aufstellung zu Beginn ins feindliche Kreuzfeuer geraten war. Nach etwa einer halben Stunde Spielzeit hieß es: Neuladen.
Das Ende dieser Gruppe wurde allerdings etwas später besiegelt. Nicht, weil alle Söldner gefallen waren. Vielmehr ist uns nach einiger Zeit im Spiel schlichtweg das Geld ausgegangen. Wir haben nicht gut gewirtschaftet, keine Einnahmequellen in Form von Diamantenminen aufgetan und konnten am Ende der Vertragslaufzeit unsere Söldner nicht mehr bezahlen.
Diese steile Lernkurve kann zu viel unnötigem Frust führen, denn das Spiel nimmt die Spieler und Spielerinnen nicht unbedingt an die Hand. Vieles lernen wir nur durch Ausprobieren, was der peniblen Missionsvorbereitung auf den ersten Blick diametral gegenübersteht.
Was uns gefallen hat
Lassen wir uns von dieser steilen Lernkurve nicht abschrecken und meistern die ersten Hürden, dann eröffnet sich eine spannende Spielwelt und ein tiefgründiges Gameplay. „Jagged Alliance 3“ gelingt es, unterschiedliche Genres sehr gut miteinander zu verbinden. Elemente aus Rundentaktik, Strategie und Rollenspiel sind klug verzahnt und sorgen für Langzeitmotivation. Ständig sind wir dabei, unsere Ausrüstung zu verbessern, Geld zu beschaffen und der Hauptquest zu folgen. Zudem gibt es eine ganze Reihe Nebenmissionen.
Unsere Entscheidungen haben dabei ganz wesentlichen Einfluss auf den weiteren Verlauf des Spiels. Immer wieder begegnen wir Charakteren im Spiel, bei denen wir uns entscheiden müssen, wie wir auf sie reagieren. In einer Szene etwa treffen wir auf einen Bewaffneten, der sich allerdings als Zivilist ausgibt. Wir lassen ihn laufen, nachdem er uns mit Diamanten bestochen hat. Später treffen wir ihn erneut – in einem Kampf. Denn der Bewaffnete ist tatsächlich ein Kämpfer und gehört der „Legion“ an. Diese Entscheidungen sind ungemein spannend, weil wir nicht absehen können, wie sie sich auf die Story auswirken. Das erhöht natürlich den Wiederspielwert – und das bei einer Spielzeit von 50 bis 75 Stunden.
Zudem bauen wir schnell eine Beziehung zu unseren Söldnern auf. Zum einen sind die Charaktere mit individuellen Sprüchen und Marotten nicht simpel generierter Einheitsbrei. Zum anderen stoßen wir schon bei der Erstellung der Gruppe auf reale Probleme. Bei unserem ersten Versuch wollten wir einen erfahrenen Söldner anheuern. Der sagte uns allerdings kurzerhand ab. Der Grund: persönliche Differenzen mit dem bereits eingestellten Scharfschützen. Das Arbeitsklima scheint auch in dieser Branche eine große Rolle zu spielen.
Fazit
Wir sagen, oder besser schreiben gleich, wie es ist: „Jagged Alliance 3“ ist für uns eine Art Hidden Champion des Spielejahrgangs 2023. Zugegebenermaßen hat uns die steile Lernkurve überrascht. Klar, auch PC-Spiele sind kein Ponyhof, aber dass wir so ins kalte Wasser geschubst werden, damit haben wir nicht gerechnet. Zudem gibt es hier und da Ecken und Kanten, etwa, weil die Kämpfe in Gebäuden zuweilen unübersichtlich werden. Doch davon abgesehen überzeugt der Titel in vielen Punkten.
Wer kein Problem mit dem militärischen Szenario hat, der sollte oder vielmehr muss sich das Spiel zumindest einmal anschauen. Denn „Jagged Alliance 3“ liefert viel Tiefe für einen vergleichsweise kleinen Preis. Ein Prädikat, das auf einige Blockbustertitel der jüngeren Vergangenheit nicht zutrifft.
"Jagged Alliance 3" ist seit dem 14. Juli 2023 für PC erhältlich und kostet rund 45 Euro. Wir haben die PC-Version auf Steam getestet.