
Es gibt Spiele, die verändern die Gaming-Szene maßgeblich. Diese Meilensteine der Spielekultur glänzen durch innovative Ideen, eine packende Story oder überragendes Gameplay – oder verbinden diese Aspekte im besten Fall miteinander. Die ersten beiden Teile der Diablo-Reihe gehören zu diesen Spielen.
Das US-amerikanische Entwicklerteam Blizzard setzte mit Diablo I (1996) und Diablo II (2000) neue Maßstäbe. Zwar gab es bereits vorher schon sogenannte Hack-and-Slay-Spiele – doch jahrelang mussten sich nachfolgende Games an den zwei großen Blizzard-Titeln messen lassen. Oft sprach die Fachpresse dann vom „Diablo-Klon“. Ein mehr oder weniger positiv besetztes Prädikat.
Doch nicht nur die ausbalancierten Charakterklassen oder die Fülle an unterschiedlichen Waffen und Rüstungsgegenständen machen vor allem den zweiten Teil bis heute aus. Die Games erschienen zu einer Zeit, da das Internet langsam massenkompatibel wurde. Diablo II mauserte sich schnell zu einem der populärsten Titel der frühen Online-Ära.
Online-Zwang und Echtgeld-Auktionshaus
Doch mit Diablo III (2012) trat neben das Spielerische noch eine andere Komponente. Online-Zwang, ein Echtgeld-Auktionshaus, das recht schnell wieder abgeschafft wurde, und fehlende Serverkapazitäten zum Release ließen den Eindruck entstehen, Blizzard gehe es eher darum, möglichst viel Geld machen zu wollen. Das Entwicklerstudio, das einst für große Titel und noch großartigere Unterhaltung stand, setzte in der jüngeren Vergangenheit eine Neuauflage des modernen Klassikers Warcraft III in den Sand und ließ der Gier beim Mobile-Game „Diablo: Immortal“ freien Lauf.
Zudem wurde Blizzard vor einigen Jahren wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und Einschüchterung verklagt – Auswüchse eines toxischen Arbeitsklimas, gegen das (Ex-)Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach wie vor ankämpfen.
In dieser Gemengelage sehen einige Beobachter das jüngst erschienene „Diablo IV“ nun als letzte Chance für Blizzard. Doch kann das Spiel verloren gegangenes Vertrauen wiedergutmachen?
Worum gehts?
Die Handlung spielt 50 Jahre nach dem Ende des dritten Teils. Die Dämonin Lilith, Tochter des Dämonenfürsten Mephisto, ist auf die Welt Sanktuario zurückgekehrt. Die hatte die Dämonin ehedem mit dem Erzengel Inarius erschaffen. Liliths Rückkehr bedeutet allerdings nichts Gutes. Ein neuer Konflikt droht, Sanktuario ins Chaos zu stürzen, was, da verraten wir nicht zu viel, lokal bereits auch schon stattfindet.

Unsere Aufgabe ist es, wenig überraschend, die Dämonin in ihre Schranken zu weisen. Dafür erstellen wir am Anfang des Spiels einen Charakter, wählen aus fünf unterschiedlichen Klassen, legen das Aussehen fest und schon gehts los. In bester Hack-and-Slay-Manier schnetzeln wir uns dann durch Sanktuario, sammeln neue Ausrüstung, erfüllen Aufträge und durchkreuzen die dämonischen Pläne.
Was uns gefallen hat
Auch wenn das Prinzip der Diablo-Reihe (Loot, Loot und nochmals Loot) sehr simpel ist und den Jäger und Sammler in uns bedient: Diablo IV setzt eben dieses simple Prinzip sehr gut um. Das Kampfsystem fühlt sich flüssig an und die fünf Charakterklassen erfordern und ermöglichen unterschiedliche Spielstile. Zudem lassen Charakterentwicklung sowie massenweise Waffen und Ausrüstungsgegenstände viel Raum für das Tüfteln, um den eigenen Charakter nach persönlichen Vorlieben zu formen.
Die Story um die zurückgekehrte Dämonenprinzessin Lilith ist stimmig erzählt und nicht bloß Beiwerk zum virtuellen Schlachthaus. Zudem wird die Handlung in sehr schicken In-Game-Sequenzen und grafisch makellosen Renderszenen erzählt – ein wahrer Augenschmaus. Die in sechs Akten erzählte Geschichte von Hass, Rache und Niedertracht lässt erkennen, warum Blizzard zu den angesehensten Spieleschmieden der Welt gehörte.
Das Ganze funktioniert, weil die Atmosphäre in Sanktuario düster und bedrückend ist. Gegnerhorden lauern an allen Ecken, überall sind Ziegenmenschen, Vampire und andere Unholde unterwegs, um uns das Leben schwer zu machen. Die wenigen Städte und Dörfer sind trostlos und die Einwohner Sanktuarios sind ständig gefangen im Widerstreit zwischen Licht und Schatten, Gut und Böse. Das wird auch von diversen Nebenquests untermauert. Etwa in jener, in der ein Mann seinen Bruder sucht, der vom gesamten Dorf gemieden wird, weil er auf die schiefe Bahn geraten ist.
Was uns nicht gefallen hat
Doch gerade diese Nebenquests sind es, die bisweilen völlig deplatziert wirken. In einer bekommen wir etwa den Auftrag, die neuen Rekruten der Stadtwache zu loben. Wir gehen also zum Trainingsgelände und benutzen das Emote für Jubeln. Das wars. Dafür bekommen wir dann Erfahrungspunkte und eine Belohnung. Und Schamesröte im Gesicht, ob dieser Frechheit, eine solch lächerliche Aufgabe überhaupt zu verteilen.

Dass es so etwas wie Emotes bei Diablo IV gibt, hat mit der Open World zu tun. Wie viele andere Spiele auch, ist die Welt, die wir erkunden können, sehr groß. Allerdings gehen die Entwickler noch einen Schritt weiter. Es ist nicht nur eine Open-, sondern auch eine sogenannte Shared World. Wir teilen uns also die Spielwelt. In Dungeons sind wir zwar alleine unterwegs. In Städten dagegen treffen wir auf andere Spieler. Ganz davon abgesehen, dass diese mit bisweilen aberwitzigen Namen unterwegs sind: Es reißt uns immer wieder aus dem Spielfluss heraus, wenn andere menschliche Spieler durch das Bild huschen. Schließlich sollen wir doch der Auserwählte sein, der Sanktuario rettet. Wir ganz alleine. Doch das Spiel führt uns immer wieder vor Augen: Du bist nur einer von vielen.
Nun denn, in einer solchen Spielwelt braucht es offenbar Emotes, damit sich die Spieler verständigen können. Ebenso, wie einen Online-Zwang. Ein reines Solospiel gibt es nicht. Sind wir nicht mit dem Battle.net, der blizzardeigenen Onlineplattform verbunden, dann können wir Diablo IV nicht spielen.
Und dann ist da noch das leidliche Thema „In-Game-Shop“. Dort werden etwa Ausrüstungssets angeboten. Blizzard ruft dafür knapp 25 Euro auf – bei einem Spiel, das zwischen 70 und 100 Euro kostet. Zudem sollen alle paar Monate Seasons mit neuen Inhalten erscheinen, die man mit einem Battle-Pass erkunden soll, der nochmal zehn Euro kosten wird. Die Ankündigung von Blizzard vor ein paar Wochen dazu war so kompliziert, dass der Eindruck entstand, die Entwickler selbst wüssten noch nicht so genau, was der Battle-Pass alles beinhalte und wie er funktioniere. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass man das Spiel derzeit genießen kann, ohne diesen Shop auch nur einmal aufzurufen. Es zeigt aber, wie Blizzard künftig das als Full-Service-Game ausgelegte Diablo IV finanzieren will.
Fazit
Spielerisch gibt es an Diablo IV nichts auszusetzen. Simples Spielsystem, eine packende Story, filmreife Renderszenen – das Game macht eine Menge richtig. Die Loot-Spirale funktioniert und das Spiel kommt ohne große Eingewöhnungszeit aus. Spiele können sie bei Blizzard offenbar noch.
Also, zumindest die Inhalte. Die Präsentation dagegen hält nicht immer mit, dazu zählen Emotes, lächerliche Nebenquests und ein „In-Game-Shop“. Letzteres gehört leider auch bei Vollpreistiteln mittlerweile irgendwie dazu. Und diese Entwicklung sollte Gamer zu denken geben. Natürlich müssen Full-Service-Titel irgendwie finanziert werden. Die Preise bei Diablo IV sind bisweilen aber enorm happig – und das nur für kosmetischen Schnickschnack. Zudem bleibt nach all den Erfahrungen der vergangenen Jahre mit Blizzard nach wie vor die Skepsis, ob das US-amerikanische Entwicklerteam nicht doch noch Pay-to-Win-Funktionen einbaut und das Game nur spielbar bleibt, wenn man noch mehr bezahlt. Das wäre keine noch so gute Story dann wert.
"Diablo IV" ist seit dem 6. Juni 2023 erhältlich für PC, PS4, PS5, Xbox One sowie Xbox Series X/S und kostet zwischen 70 und 100 Euro. Wir haben die PC-Version auf Battle.net getestet.