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Football Manager 19 im Test: Fesselnd gut, aber ein echter Zeitfresser

Wir haben nur den Saisonstart mit Arminia gespielt - und sind überwältigt von den Möglichkeiten der Simulation

Die Mannschaft fürs Spiel fit machen - das ist die Kernaufgabe des Football Managers. | © Sega/Koch Media

Jan Ahlers
28.11.2018 | 28.11.2018, 16:07

So wie Bonnie zu Clyde, wie Siegfried zu Roy gehört, so war über mehr als ein Jahrzehnt der „Fussball Manager" das Pendant zur aktiven Fußball-Simulation „FIFA" - bis Herausgeber EA Sports 2014 beschloss, das Spiel nicht mehr weiterzuproduzieren. Es war ein Schock für die treue deutsche Spielgemeinschaft, die in diesem Jahr erstmals wieder eine echte Alternative hat: Der „Football Manager 2019" aus dem Hause Sega schickt sich an, mit der Bundesliga sowie 2. Bundesliga inklusive Original-Lizenzen einen mehr als würdigen Nachfolger darzustellen. Doch was taugt das Spiel?

Unweigerlich kommen Gefühle an die goldenen Jahre der Manager-Ära zurück. Was haben wir uns gefreut, wenn das ersehnte Fünf-Sterne-Talent endlich im Jugendcamp entdeckt wurde, das Stadion nach Jahrzehnten auf (vollkommen unrealistische) 150.000 Plätze ausgebaut war und wir mangels Segelschein unsere Frau mit einem völlig missglückten Segeltörn verärgerten. Nicht alles findet sich im Football Manager wieder – gut so. Denn statt Gemeinsamkeiten zu suchen, lohnt es sich vielmehr, zu analysieren, was den FM 2019 viel besser macht als den in die Jahre gekommenen Vorgänger.

Die Faszination von Taktik-Schemata und Tabellen erschließt sich erst beim Spielen - optisch ist der Manager - um es diplomatisch zu sagen - eine reduzierte Angelegenheit. - © Sega/Koch Media
Die Faszination von Taktik-Schemata und Tabellen erschließt sich erst beim Spielen - optisch ist der Manager - um es diplomatisch zu sagen - eine reduzierte Angelegenheit. | © Sega/Koch Media

Auf ins Vergnügen. Karrierebeginn! Wir wählen – das ist zunächst ähnlich zum ehemaligen EA-Sports-Ableger – vor Spielbeginn die Ligen, die simuliert werden. Wir sehen, dass noch längst nicht alle Lizenzen vorhanden sind. Leider ist in der deutschsprachigen Version etwa die englische Premier League nicht mit Original-Wappen vertreten, das ist schade.

Das Training ist in zig Einzelschritten planbar - man kann das aber auch dem Co-Trainer überlassen. Delegieren lernen ist eine der ersten Aufgaben im Football Manager. - © Sega/Koch Media
Das Training ist in zig Einzelschritten planbar - man kann das aber auch dem Co-Trainer überlassen. Delegieren lernen ist eine der ersten Aufgaben im Football Manager. | © Sega/Koch Media

Wir starten die Karriere mit Arminia Bielefeld. Und sind sogleich erstaunt, mit welcher Detailverliebtheit uns der Verein empfängt. Von Co-Trainer Carsten Rump, der uns einen ausführlichen Mannschaftsbericht anfertigt, über Sportchef Samir Arabi, der leider zunächst nur ein kleines (also realitätsnahes) Transferbudget erlaubt, bis hin zu Chefscout Hermann Grümmer und Philipp Heithölter sind uns ab sofort zahlreiche Vereinsmitarbeiter unterstellt.

"Es gibt zu wenige Spieler, die sinnvolle Entscheidungen treffen"

Allein: Der erste umfassende Bericht, den uns „Rumpi" zukommen lässt, macht Sorgen. Er listet einige Stärken, aber viele Schwächen auf. Gute Qualität auf der Torhüter-Position sowie im Kopfballspiel wird uns attestiert. Doch es mangelt dem Kader nicht nur an Breite. „Es gibt zu wenige Spieler, die sinnvolle Entscheidungen treffen." Herrje. Doch es kommt noch schlimmer. „Es gibt nicht genug Spieler, die eine vernünftige Ballannahme hinbekommen würden." Auch bei Flanken und im technischen Bereich sind Mängel offensichtlich. Kurz überlege ich, die Brocken angesichts des derart ernüchternden Fazits direkt wieder hinzuschmeißen – oder zumindest den virtuellen Samir Arabi zu einem klärenden Gespräch zu bitten.

Doch große Herausforderungen gilt es zu meistern. Die erste Pressekonferenz steht bevor, und auch hier hat sich Hersteller Sega Mühe gegeben, die aus dem „Fussball Manager" bekannten Mini-Interviews zu optimieren. Mehr als zehn Fragen werden uns unter anderem vom „Bielefelder Sportblatt" und anderen fiktiven Medien gestellt. Jeder Journalist hat seine eigenen Charaktereigenschaften, kann enthusiastisch oder verlogen sein. Verbünden oder die Konfrontation suchen? Ich entscheide mich für Ersteres, um nicht wie Ernst Middendorp zu enden.

Wer sich auf den FM 19 einlässt, der braucht Zeit. Das stellen wir bei der Trainingskoordination fest. Vorab: Alle Aufgaben lassen sich auch auf den Co-Trainer und weitere Mitarbeiter übertragen. Und das Delegieren schadet nicht. Spielergespräche, Belastungssteuerung, Trainingsziele, taktische Anpassungen – täglich steht eine Fülle von möglichen Anpassungen bereit. Mal eben schnell eine Saison durchspielen, dafür ist das Spiel nicht gedacht.

Unfassbar detallierte Anpassungsmöglichkeiten

Nach zwei Trainingseinheiten trifft uns der nächste Schlag: Kapitän Julian Börner lässt ausrichten, dass mehrere Spieler aufgrund ihrer Vertragssituation unzufrieden sind. Sprich: Sie wollen mehr Geld. Keanu Staudes Wünsche lassen sich erfüllen, denn er bezog bislang ein Nachwuchsspieler-Salär. Doch dann verlangt auch Fabian Klos eine Verdopplung des bereits üppigen Gehalts. Ja, spinnt der denn? Sein Berater, mit dem wir in zähe Verhandlungen treten, gibt jedoch nicht klein bei, sodass beide Seiten frustriert auseinander gehen. Bleibt zu hoffen, dass Hannover 96, das sich zuletzt interessiert an Klos zeigte, bald ein üppiges Angebot unterbreitet. Auch wenn dann das Mannschaftsklima durch den Verlust eines Führungsspielers leiden wird.

Rump empfiehlt uns, ein Testspiel gegen die U19 (die im Übrigen auch mit Original-Spielern des aktuellen Jahrgangs besetzt ist) auszutragen. Endlich geht es ans Eingemachte. Und die Spielvorbereitung ist üppig: Sie beginnt mit einem Scoutingbericht, geht über ein Mannschaftsbriefing bis zur letzten Ansprache in der Kabine. Jeder Spieler kann damit mächtig eingepeitscht werden, aber auch gelangweilt bis beleidigt auf persönliche Ansprachen reagieren.

Was wir leider in der grafischen Simulation feststellen, ist, dass der FM bei der Spielsimulation selbst noch etwas hinterherhinkt. Spieler bewegen sich etwas unrund, die Auflösung ist nicht besonders, es wirkt überhaupt ein wenig in die Jahre gekommen. Wir können damit leben, uns reichte früher auch der Liveticker. Allerdings ist es doch eine Umgewöhnung, die Akteure in Fifa-98-Road-to-World-Cup-Manier über den Rasen hopsen zu sehen.

Nach mittlerweile einigen Stunden kommen wir allmählich dem ersten Saisonspiel näher. Wir haben Tests gegen örtliche Vereine, französische Zweit- und tschechische Erstligisten absolviert, ausgiebig Spieler gescoutet und ein hoffnungsvolles Talent aus Österreich für günstiges Geld verpflichtet. Wir haben zwei Taktiken einstudiert, Konditions- und Spielpraxis-Werte unserer Profis optimiert und sogar die Rasenfläche in der Schüco-Arena zur Umsetzung unserer Taktik verkleinert. Alles ist angerichtet für das Auswärtsspiel in Heidenheim – der Spielplan der Auftaktsaison orientiert sich am realen Vorbild.

Nervös warten wir auf den Anstoß – hat sich die lange und intensive Vorbereitung ausgezahlt? Schon nach 30 Sekunden der Jubel: Jonathan Clauss findet mit seiner Flanke Fabian Klos, der das 1:0 markiert. Ein Blitzstart! Später wird Klos das zweite Tor nachlegen und einen souveränen Auswärtssieg zum Saisonstart unter Dach und Fach bringen. Umso leichter geht die anschließende Pressekonferenz über die Lippen, auch wenn uns einer der Reporter (der Hinterhältige) längst gefressen hat. Arminia ist zurück, zumindest virtuell.

Ob es tatsächlich zum Klassenerhalt oder zu viel höheren Zielen reicht, dafür werden wir wohl noch einige Tage und Wochen spielen müssen. Ans Herz gelegt ist der „Football Manager 2019" daher jenen, die vor allem ausreichend Zeit mitbringen, um eine Fußballmannschaft in all ihren Details zu managen. 1.300 Helfer aus 51 Ländern tragen die Datenbasis für die Entwickler zusammen. Und die verkaufen sie sogar an echte Fußballvereine, so gut ist sie.

Diese oft zitierte Detailverliebtheit sorgt dafür, dass der FM 19 kein Spiel für Schnellstarter ist. Dafür bringt er gerade Zockern des ehemaligen Fussball Managers viele positive Erinnerungen zurück – weitet aber das Spektrum der Handlungsmöglichkeiten um ein Vielfaches aus.