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Test: Warum Deus Ex Mankind Divided Spaß macht, aber uns maßlos ärgert

Der neueste Teil der futuristischen Cyberpunk-Reihe hat eine große Stärke - und eine kaum für möglich gehaltene Schwäche

Hauptcharakter Adam Jensen ist einer globalen Verschwörung auf der Spur. | © Eidos Montreal/Square Enix

Björn Vahle
14.09.2016 | 14.09.2016, 20:59
Über Bahnstationen bewegen wir uns am Hauptspielort, der tschechischen Hauptstadt Prag, fort. - © Eidos Montreal/Square Enix
Über Bahnstationen bewegen wir uns am Hauptspielort, der tschechischen Hauptstadt Prag, fort. | © Eidos Montreal/Square Enix

Deus Ex ist eine Spielereihe, die für den Autor dieser Zeilen eigentlich nichts falsch machen kann. Dystopie: Check. Hintergründige Storyline: Check. Ein Spiel, das man generell komplett im Verborgenen agierend durchspielen kann, ohne jemanden umzubringen: Love it. Das Problem: Mit einem dieser Punkte geht der neueste Serienvertreter "Mankind Divided" unerklärlich nachlässig um. Es ist leider der wichtigste Punkt.

Für alle Nichteingeweihten: Deus Ex spielt in einer technikwahnsinnig gewordenen Zukunft, in der die Menschheit sich in zwei Lager gespalten (divided) hat - Augmentierte und Nicht-Augmentierte. Also die, die sich künstliche, mit Superkräften ausgestattete Körperteile leisten können, und den armen, aber menschlichen Rest. In dieser Welt schlüpfen wir in die Rolle von Adam Jensen, ohne seine Zustimmung augmentierter Geheimagent, der einer globalen Verschwörung nachjagt, die die Lager zum eigenen Vorteil gegeneinander ausspielt.

Mithilfe unserer Augmentierungen verschaffen wir uns gegen Gegner einen Vorteil. So lassen sich zum Beispiel Drohnen aus der Ferne hacken - und zu Verbündeten umpolen. - © Eidos Montreal/Square Enix
Mithilfe unserer Augmentierungen verschaffen wir uns gegen Gegner einen Vorteil. So lassen sich zum Beispiel Drohnen aus der Ferne hacken - und zu Verbündeten umpolen. | © Eidos Montreal/Square Enix

Viel mehr möchten wir zur Story nicht verraten, denn sie ist einer der Hauptbestandteile des Spielerlebnisses. Doch soviel sei verraten: Die Geschichte ist grundsätzlich cool, in weiten Teilen herausragend geschrieben und für Nichtkenner der Serie auch in sich schlüssig. Man versteht die Beweggründe der Bösewichter und warum Jensen sich ihnen entgegenstellt.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Enden. Welches wir zu sehen bekommen, hängt von unseren Entscheidungen im Spielverlauf ab. Allerdings nicht so eklatant, dass es sich um mehr als ein gutes und zwei "schlechte" Enden handeln würde.

Dennoch werden nicht alle Fäden des Vorgängers aufgegriffen, was für den zweiten Teil einer Trilogie im Allgemeinen und für ein Deus Ex im Besonderen ein völlig unerklärliches Versäumnis ist. Besonders krude: Einige Hintergründe für die Ereignisse im Spiel, beispielsweise den Anschlag auf den Prager Bahnhof, liefern erst die im Spielmenü separat anwählbaren "Jensen Stories".

Wollen wir unentdeckt bleiben, legen wir Gegner mit Stromschocks schlafen - idealerweise bevor sie uns sehen. - © Eidos Montreal/Square Enix
Wollen wir unentdeckt bleiben, legen wir Gegner mit Stromschocks schlafen - idealerweise bevor sie uns sehen. | © Eidos Montreal/Square Enix

Bisher ist dort nur eine Mission spielbar, aber das riecht sehr danach, als wolle man hier elementare Storyinhalte noch als kostenpflichtige DLCs nachreichen. Eine mindestens fragwürdige, unter monetären Gesichtspunkten aber natürlich einleuchtende Designentscheidung. Eine, für die Eidos Montréal bisher nicht bekannt war. Daher unser Ärger.

Doch damit nicht genug: Die seltsame Politik geht soweit, dass mancher Auftraggeber uns nach einer Quest, von der wir uns Hintergrundinformationen versprechen (und diese erfolglos gesucht haben), sinngemäß mit "Wir werden es wohl nie erfahren" entlässt. Punkt. Quest vorbei. Keine weitere Erklärung. Keine Anschlussaufgabe. Man ist in diesen Momenten versucht zu sagen, die Entwickler hätten ihr eigenes Spiel nicht verstanden.

Beim Spielen haben wir das Schleichen als generell etwas befriedigender empfunden. - © Eidos Montreal/Square Enix
Beim Spielen haben wir das Schleichen als generell etwas befriedigender empfunden. | © Eidos Montreal/Square Enix

Doch damit würde man ihnen grandios unrecht tun. Denn, du meine Güte, haben die das Gameplay von Deus Ex verstanden. Wir haben, mal ab von der Story, in all den Spielstunden praktisch nichts getan, was uns gelangweilt oder nicht gut unterhalten hätte. Es ist, als wäre Eidos Montréal bei Todd Howard, Chefentwickler der jüngsten "Fallout"-Teile, in die Lehre gegangen, der einmal gesagt hat: "Wenn du das, was der Spieler immer wieder tun muss, so spaßig wie möglich gestalten kannst, dann ist das Gameplay perfekt."

Auf der Jagd nach den Cyberterroristen und den Drahtziehern der Verschwörung hat Adam Jensen grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Er kann unauffällig agieren oder jeden Raum mit den Waffen im Anschlag betreten. Seine Augmentierungen helfen dabei, indem Jensen durch Wände sehen, mehrere Gegner gleichzeitig tödlich oder nicht-tödlich ausschalten oder alles und jeden hacken und so neue Wege freilegen kann. Wie wir vorgehen, bleibt immer uns überlassen.

Dieser Level steht beispielhaft für die Detailversessenheit der Entwickler - aber auch den Hardwarehunger des Spiels. - © Eidos Montreal/Square Enix
Dieser Level steht beispielhaft für die Detailversessenheit der Entwickler - aber auch den Hardwarehunger des Spiels. | © Eidos Montreal/Square Enix

So schalten wir mit der Zeit immer mächtigere Augmentierungen frei, von Unsichtbarkeit bis zum Hacken aus der Ferne und sogar eine panzerartige Haut, die uns kurzzeitig unverwundbar macht. Das Problem: Wer genug Augmentierungen gesammelt hat, der wird es schwer haben, im Spiel noch Herausforderungen zu finden. Denn wer unsichtbar aus der Ferne jedes Türschloss aufhacken kann, und selbst wenn er entdeckt wird, dank Titan-Augmentierung keinen Schaden mehr einsteckt, der hat gegen die meisten Gegner kaum noch ein Problem.

Trotzdem: Die reine Spielmechanik ist ein echter Genuss. Erkunden, Schleichen, Kämpfen, Questen, Hacken und unzugängliche Orte zugänglich machen: Alles geht wunderbar flüssig von der Hand. Da fallen auch die gegenüber der sonst hervorragenden (aber hardwarehungrigen) Grafik teils matschigen Texturen und die mittlerweile fast serientypisch hakeligen Animationen der Charaktere, vor allem in Unterhaltungen, nicht ganz so schlimm auf.

Und ein Spiel soll ja in erster Linie unterhalten. Das tut "Deus Ex: Mankind Divided". Auch wenn wir uns storytechnisch mehr versprochen haben. Die erzählte Geschichte fühlt sich nicht unbedingt wie eine logische , stimmige Fortführung an. Aber es kommt ja auch noch der finale Serienteil. Deshalb unser Tipp: Abspann nicht wegklicken.

Unser Fazit: