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Pokémon Go ab jetzt in Deutschland erhältlich: Wir machen den Selbstversuch

Suchtpotenzial und Datensammlung: Was sie vor dem Download wissen sollten

Ein Spieler, den wir unterwegs treffen, sucht am Bielefelder Rathaus nach Pokemon. | © Björn Vahle

Björn Vahle
13.07.2016 | 14.07.2016, 11:37

Bielefeld. Ich gebe zu: Ich kenne Pokémon nicht erst seit gestern. Mit zehn Jahren war ich vom Gameboy praktisch nicht zu trennen. Damals dachte ich mir, wie cool es wäre, wenn mir Pokemon auf dem Schulweg begegnen würden. Also in der echten Welt. Jetzt geht das. Mit "Pokémon Go", das jetzt auch in Deutschland für Android und iOS verfügbar ist.

Das mit der echten Welt ist natürlich so eine Sache. Denn die kostenlose App fügt bei eingeschalteter Handykamera natürlich nur virtuell die kleinen Taschenmonster vor der Kulisse ein. Trotzdem ist die Idee mit der riesigen Schnitzeljagd quer durch die Stadt natürlich eine, die Spaß macht. Und potenziell süchtig, aber dazu später mehr.

Für meinen Selbstversuch starte ich in der Bielefelder Innenstadt. Die App zeigt mir eine comichafte Version des Straßennetzes an. Überall dort, wo ich Gras rascheln sehe, versteckt sich ein Pokémon. Also ziehe ich los in Richtung Altstädter Nicolaikirche. Keine zwanzig Meter weiter der erste Gänsehautschauer. Das Handy vibriert, oh Gott, es geht los.

Wer auf sein Handy starrt, spielt es, ganz sicher

Auf dieser Karte bewegen wir uns durch die Stadt. Laufen müssen wir selbst, die Pokemon tauchen von selbst auf. - © Screenshot: Björn Vahle
Auf dieser Karte bewegen wir uns durch die Stadt. Laufen müssen wir selbst, die Pokemon tauchen von selbst auf. | © Screenshot: Björn Vahle

Es erscheint, Trommelwirbel, ein Rattfratz. Ein echtes Anfängerpokémon. Aber egal, schließlich ist das Ziel des Spiels 150 Pokemon zu finden und zu fangen. Die lila Ratte mit dem riesigen Schneidezahn bekommt einen Pokéball an die Rübe. Die rot-weiße Kugel rollt ein paar Mal hin und her. Dann gratuliert mir das Programm zu meinem ersten gefangenen Pokémon in der "echten" Welt.

So langsam erinnere ich mich daran, was mich vor fast 20 Jahren so an dem Spielprinzip fasziniert hat. Das Suchen, das Finden, das Erkunden. Und ich bin damit offenbar nicht allein. Vor dem Alten Rathaus treffe ich Dirk. Dass er auch spielt, erkenne ich daran, dass er kein echtes Ziel zu haben scheint, sondern kreuz und quer über den Vorplatz läuft.

Dirk gesteht schnell. "Ich hab es seit 20 Minuten, eben runtergeladen. Aber gefangen habe ich noch nichts", sagt er und grinst. Stattdessen klappere er die Poké-Stops ab. Das sind blaue Markierungen, die an echten Landmarken zu finden sind, zum Beispiel am Theater und am Rathaus. Dort können wir Items einsammeln, zum Beispiel neue Pokébälle.

Ich fühle die Sucht

Mitten in der NW-Redaktion: Ein Traumato. - © Screenshot: Karoline Langenkämper
Mitten in der NW-Redaktion: Ein Traumato. | © Screenshot: Karoline Langenkämper

Als ich Dirk sage, dass ich dabei auch schon ein Ei bekommen habe, aus dem später ein neues Pokémon schlüpfen wird, wird er ganz aufgeregt und will sofort los zum nächsten Poké-Stop. "Viel Spaß noch", raunt er mir zu und verschwindet in Richtung Stadttheater.

Und da ist es, das Gefühl von damals. Das immer noch ein bisschen länger spielen wollen. Weiter machen. Noch mehr Pokémon finden, noch mehr Items sammeln. Keine Frage, Pokémon Go kann in kürzester Zeit zum Suchtspiel werden. Denn es bleibt natürlich nicht beim Fangen der Monster.

In Arenen können meine Viecher gegen die Viecher von anderen Spielern antreten. Viele Monster können mit Geduld weiterentwickelt werden. Jeder Sieg, jedes gefangene Pokémon, jede Interaktion mit der Spielwelt belohnt mich mit Erfahrungspunkten, die meinen Level steigern und wiederum neue Möglichkeiten eröffnen. Das sollten vor allem Eltern wissen. Denn um schneller voran zu kommen, kann man in der App auch Geld ausgeben.

Fazit: Spannendes Experiment, aber...

Mittlerweile habe ich den Rundgang beendet. Ich habe weitere Menschen getroffen, die das Spiel spielten und ich habe etliche nicht angesprochen, bei denen ich mir sicher bin, dass sie auf Pokémon-Jagd waren. Denn das Spiel macht Spaß, keine Frage. Der Faktor virtuelle Realität, den das Spiel wie bisher kaum ein anderes so unkompliziert zum Spielelement macht, ist ein spannendes Experiment.

Aber natürlich wirft ein millionenschwerer Spielehersteller wie Nintendo eine solche App nicht aus reiner Nächstenliebe umsonst auf den Markt. Beim Spielen werden ständig Nutzerdaten gesammelt, wie weit ich mich bewege, um Pokémon zu fangen und ob ich bereit bin, Geld auszugeben. Es zeichnet unseren Bewegungsradius auf. In den USA wurden schon Spieler an Poké-Stops überfallen, weil Räuber ihnen dort einfach auflauerten. Das muss man wissen.

Und natürlich ist Pokémon Go trotz des Hypes und des unglaublichen Interesses nur ein Spiel. Aber eins mit einer cleveren Idee, die die oft sperrige und nur mit spezieller Hardware nutzbare virtuelle Realität salonfähig und leicht erlebbar macht. Und das hat eben seinen Preis. Im Spiel wie bei der erwartbaren Datensammelei. Die sich in den Google Einstellungen aber zumindest einschränken lässt.