Hier wird Camping-Kult aus DDR-Zeiten aufgemöbelt

Delbrück-Boke. Fürs Camping-Glück kommt es nicht auf die Größe an. Zumindest nicht jedem. Wer es kompakt und kuschelig mag, ist in Boke genau richtig. Seit 2013 vermietet Rolf Kalytta Wohnwagen aus vergangenen Zeiten, die er zu Kult-Objekten restauriert: Es ist das Modell QEK Junior aus DDR-Produktion - nur 3,85 Meter kurz. Der 54 Jahre alte Kfz-Mechaniker kauft europaweit Exemplare auf und macht sie in zehnwöchiger Handarbeit fit für die Vermietung. Zubehör und Ersatzteile besorgt er sich über Internet-Handelplattformen und in der Gemeinschaft der QEK-Kenner. Die Marken-Abkürzung steht für das VEB Qualitäts- und Edelstahlkombinat Hennigsdorf, wo der garagentaugliche Wagen einst entwickelt wurde. Hinter dem eisernen Vorhang wurde er für 4.995 Ostmark verkauft. In ihren Besitz kamen Bürger aber nur, wenn sie auch ein Auto besaßen. Weit nach der Wende hatte Kalytta zu Spitzenzeiten 13 Stück im Angebot zur Vermietung. Vor allem Festivalfans, die etwas mehr Behaglichkeit als im Zelt wollten, buchten immer wieder beim gebürtigen Aachener. Auch für Wochenendtrips und sogar für Mittelmeerurlaube wurde gebucht. Oldtimerfahrer fanden auch Gefallen am betagten Modell. Unschlagbar beim einachsigen QEK Junior seien &bdquo;die kompakte und leichte Bauweise", so Kalytta, &bdquo;und der niedrige Preis". Doch nach dem Ende der DDR gerieten sie speziell im Osten bei vielen in Vergessenheit. Als Hühnerstall hätten manche Schätzchen gedient, bevor er sie auf seinen Hinterhof zum Umbau zog, sagt der Camping-Fan. Doch die leichte Hülle ist selbst nach Jahren nahezu unverwüstlich. &bdquo;Sie sind wie ein Trabi aus Plaste und Elaste", sagt der Mechaniker beim Blick auf die dünnen Wände aus glasfaserverstärktem Polyester. Problemzonen seien vor allem die Dichtungen der Plexiglasfenster , die Fenster selbst und die Unterbodenplatte aus Holz. &bdquo;Diese Dinge sind aber gut auszutauschen", beruhigt der Fachmann. Liegefläche von 1,90 Mal 1,90 Meter In der DDR, wo der Junior von 1974 bis 1990 gebaut wurden, waren die Camping-Kugeln für vier Personen ausgelegt. Heute ist der Anhänger eher ein Pärchen-Mobil. Die ausgeklappte Liegefläche bringt es auf fast 1,90 Mal 1,90 Meter. Ein Gaskocher und ein Spülbecken mit Anschluss an einen Wasserkanister komplettieren das Camping-Glück. Kalytta sorgt im Gegensatz zur Originalausstattung in manchen Wagen sogar noch für besonderen Komfort: Er baut dann eine Camping-Toilette fürs kleine Geschäft ein. Damit die Wagen europaweit auf Campingplätzen einziehen können, erhalten sie eine so genannte CE-Anschlussdose für Strom. Auf den Plätzen sind sie dann oft ein Hingucker: &bdquo;Da will jeder mal einen Blick rein werfen." Familien, die es ganz unprätentös mögen, können die Wohnfläche noch verdoppeln, denn durch ein Vorzelt lässt sich weiterer Wohn- und Schlafraum schaffen. Auch solche Varianten und Feinheiten sind gefragt, denn der QEK-Spezialist weiß: &bdquo;Der Camping-Markt boomt." Bei Neu-und Gebrauchtwagen stiegen die Preise schon vor Corona an. Ein Problem für die Geschäfte des Bokers ist aktuell, dass Campingplätze in der Pandemie vermehrt Wohnmobile zulassen und Wohnwagen ablehnen. Große Mobile seien durch ihre Ausstattung autarker. Je mehr Wohnwagen einen Platz bevölkerten, desto größer sei der Ansturm auf die Sanitäranlagen. Doch nach der Pandemie soll es auch mit den DDR-Wohnwagen aus Boke wieder bergauf gehen. Zwischenzeitlich hat Kalytta sogar den einen oder anderen verkauft. Gehandelt werden sie, je nach Variante und Ausstattung, ab 3.500 Euro. Der Schrauber hält seinem Modell in jedem Fall die Treue und hat schon Ideen für einen Umbau mit Plexiglas-Ausstelldach. Der DDR-Camper ist eben deutlich wandelbarer als es das Regime war, in dem er einst erdacht worden ist.

Meistgelesen