Games-Kritik

"Dying Light 2" im Test: Aufgeblasene Apokalypse

Das Open-World-Zombie-Abenteuer ist ein Paradebeispiel für die Art, wie Entwickler zurzeit ihre Spiele bauen - voller guter Gameplay-Ideen, aber sinnlos gestreckt.

Da überlebt man die Zombie-Apokalypse und trotzdem wollen einem alle ans Leder. | © Techland

Patrick Raphael Paul
08.02.2022 | 28.08.2025, 16:02

Postapokalyptische Szenarien, in denen Zombies eine zentrale Rolle spielen, faszinieren die Menschen schon seit sehr vielen Jahren in der Popkultur. Und spätestens mit dem Durchbruch von "The Walking Dead” sind Zombies im Mainstream angekommen.

Die Regeln für die Überlebenden sind immer gleich: Überleben, verstecken, Essen und andere überlebenswichtige Materialien sammeln - und natürlich Zombies meiden. Denn der Biss verwandelt uns ebenfalls, und wir wollen auf gar keinen Fall selbst ein Zombie sein.

Doch worum geht es nun in "Dying Light 2"?

Wir sind Aiden und leben als Pilger in einer Welt, die schon seit 15 Jahren von Zombies dominiert wird. In dieser Welt suchen wir unsere verschwundene Schwester Mia. An Aiden und Mia wurden in der Vergangenheit schlimme Experimente durchgeführt, über die wir in Rückblenden mehr erfahren.

Wir manövrieren zwischen den natürlich reichlich heimtückischen Fraktionen, die uns in Dying Light 2 für ihre Zwecke einspannen wollen. - © Techland
Wir manövrieren zwischen den natürlich reichlich heimtückischen Fraktionen, die uns in Dying Light 2 für ihre Zwecke einspannen wollen. | © Techland

Zentrum unserer Geschichte ist die (fiktive) Stadt Villedor (Achtung: wirklich riesig). Die Menschen dort haben sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt und an die Zombie-Übernahme des Planeten angepasst und versuchen nun, hinter den Mauern eine neue Gesellschaft aufzubauen.

Dabei lernen wir in "Dying Light 2" verschiedene Fraktionen mit unterschiedlichen Interessen kennen und können mit ihnen interagieren. Wir treffen Entscheidungen hinsichtlich der Fraktionen und verändern damit nicht selten die Spielwelt. Grundsätzlich Zutaten für ein tolles Spiel also.

Die Open-World von Dying Light kann sehr schön sein, ist aber die Erkundung nicht immer wert. - © Techland
Die Open-World von Dying Light kann sehr schön sein, ist aber die Erkundung nicht immer wert. | © Techland

Spielmechaniken? Alle Spiele-Studios bitte einmal hier inspirieren lassen!

Und die Spielmechaniken in "Dying Light 2" haben uns auch ziemlich vom Hocker gehauen. Bewegungsmechaniken und Kampfmechaniken sind spitze. Vor allem das gesamte System um Klettern, Bewegung und Springen ist extrem intuitiv und mit der Zeit sogar noch verbesserbar. Wir lernen im Laufe des Spiels neue Techniken dazu, wodurch wir noch höhere und heftigere Akrobatik-Einlagen raushauen können.

Hinzu kommen gänzlich neue Techniken wie ein Grappling Hook oder ein Paraglider. Wenn wir einmal einen neuen Skill freigeschaltet haben, hat es sich jedes Mal so angefühlt, als kämen wir danach ohne ihn nicht mehr zurecht. Das ist einfach gute Charakterentwicklung, denn Verbesserungen fühlen sich wertig und besonders an.

Kreaturen der Nacht und wie wir sie bekämpfen

Dazu kommen die üblichen RPG-Thematiken: Looting, Verkaufen und Kaufen von Gegenständen sowie Crafting. Hier wird nichts groß neu erfunden, aber die Art und Weise, wie es umgesetzt wird, ist stets stimmig. Einzig, dass wir einige Loot-Spots nach einigen Stunden Spielzeit "mehrfach” gesehen haben, einfach weil sie gleich aussehen, stört uns ein wenig.

Ein wichtiger Gegenstand, den wir besitzen, ist ein Armband, das uns darauf hinweist, wie weit unsere Transformation fortgeschritten ist. Wir müssen deswegen in die Sonne oder unter UV-Licht, damit wir nicht zum Zombie werden. "Alles locker durchschleichen", wie es in so vielen anderen Spielen funktioniert, fällt also aus.

Die Spielwelt ist generell zu Tage nicht so gefährlich wie nachts. Einerseits, weil wir uns nicht darauf konzentrieren müssen, dass wir unter UV-Licht kommen, andererseits weil die Zombies sich großenteils in verlassenen Gebäuden verstecken. Allerdings sind auch sämtliche gesammelten Gegenstände bei Nacht wertvoller, weswegen es sich auch mal lohnen kann, dieses Risiko einzugehen und bei Nacht loszuziehen.

Was uns nicht gefallen hat

Kommen wir nun auf den Elefanten im Raum zu sprechen: Das Thema "Open World". Dafür gibt es natürlich unterschiedliche Spielweisen. Die Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit, tun und lassen zu können, was man will, ist, wie auch sonst natürlich, cool. Aber wie "Assassin's Creed" hat auch "Dying Light 2" den Nachteil, dass es sich durch wiederkehrende Open-World-Mechaniken künstlich aufplustert.

Klar hat ein Spiel theoretisch eine längere Spielzeit, wenn es extrem viele Sammlerstücke, Nebenquests oder Entdeckungen gibt. Wenn die allerdings alle generisch präsentiert werden, dann ist die Motivation sehr gering, auch wirklich alles einzusammeln. Diese Entwicklung ist seit mehreren Jahren sehr ungesund, und eine kompaktere Spielzeit mit exklusiverer Präsentation bei Spielelementen würde den Spaß oft deutlich erhöhen - auch bei "Dying Light 2".

Weniger wäre in diesem Fall vielleicht mehr gewesen. Wir brauchen nicht so viele Sammelstücke oder Side-Quests. Wir brauchen eine knackige und spannende Story. Und die Story ist nach starkem Beginn mehrheitlich höchstens okay. Nicht schlecht und zuweilen auch sehr gut inszeniert, aber weder Aiden noch die anderen Charaktere in "Dying Light 2" schaffen die Bindung, die wir gebraucht hätten, um uns wirklich fesseln zu lassen.

Von den versprochenen Entscheidungen, die das Spiel maßgeblich beeinflussen sollen, merkt man hier und da auch Auswirkungen - aber eben nicht mehr. Wenn wir uns zum Beispiel für die eine Fraktion entscheiden, können wir neue Ausrüstung bauen, wenn wir uns für die andere entscheiden, können wir uns leichter durch die Stadt bewegen. Eher Kleinigkeiten also. Story-Entscheidungen dagegen geben einem nur ein leichtes Gefühl der Veränderung. Da geht einfach mehr.

Unser Fazit

"Dying Light 2" ist ein schwierig zu bewertendes Spiel. Denn es bestand berechtigte Hoffnung, es könne ein Meisterwerk werden. Da ist dieses unfassbar satte Gameplay, das uns in jeder Situation Spaß gemacht und begeistert hat. Und selbst wenn mal wieder ein eher langweiliger Dialog stattgefunden hat: sobald wir wieder frei waren und die Mechaniken des Spiels ausleben konnten, hatten wir extremen Spaß.

Alles in allem ist es ein spaßiges Spiel, das leider ein bisschen zu sehr Paradebeispiel des Trends in Open-World-Spielen ist: Sie leiden unter der mehrheitlich sinnlosen Aufgeblasenheit ihrer Welt. Es ist zu hoffen, dass sich dieser Trend irgendwann umkehrt, gerade weil Spiele wie "Dying Light 2" zeigen, wie viel Spaß so richtig sauber greifende Gameplay-Mechaniken machen.