Bielefeld. „Die Pressefreiheit ist nicht verhandelbar", schreibt Greta Thunberg auf Twitter. Damit bezieht sie sich auf einen Bericht des europäischen Ablegers der US-amerikanischen Zeitung Politico, der besagt, dass ungarische Staatsmedien nur mit einer Genehmigung über "sensible Themen" berichten dürfen. Solche Themen sind unter anderem die EU-Politik, Migration und europäischer Terrorismus, aber auch die schwedische Klimaaktivist steht auf der Liste. „Solche Listen dürften gar nicht existieren. Aber wenn sie es tun, ist es mir eine Ehre, mich darauf zu befinden", schreibt Thunberg weiter in ihrem Tweet.
Die Informationen sollen aus internen E-Mails mit Anweisungen an die Mitarbeiter der staatlichen Medien hervorgehen, die anonym an Politico geschickt wurden. Sie stammen aus der zweiten Hälfte des Jahres 2019. Demnach sollen auch Berichte über Menschenrechtsorganisation wie Human Rights Watch oder Amnesty International verboten sein.
Greta Thunberg erhält Sonderbehandlung
Es sollen auch besondere Regelungen gelten, wenn über die 17-jährige Greta Thunberg berichtet wird. So sollen Journalisten sogar erst dann mit dem Schreiben beginnen, wenn eine entsprechende Erlaubnis vorliegt. Laut Politico ist der "Media Service Support and Asset Management Fund" (MTVA), also die Dachorganisation des staatlichen Rundfunks in Ungarn für die Bewertung der Themen zuständig. Auch Ungarns einzige Nachrichtenagentur MIT ist dem MTVA untergeordnet. Klarheit scheint über die Bewertungskriterien nicht einmal bei den Redakteuren selbst zu herrschen. Wenn etwas abgelehnt werde, bezeichneten es leitende Redakteure manchmal als eine Berichterstattung, die "im Kampf gefallen ist”, zitiert Politico einen anonymen Mitarbeiter.
Die Dachorganisation bezog zunächst nicht Stellung zu den Vorwürfen. Dann hieß es diese Entscheidungen seien Teil eines normalen redaktionellen Prozesses – wie in jeder anderen Redaktion der Welt. Man würde „den Standards der BBC" folgen.
EU findet Pressefreiheit in Ungarn besorgniserregend
Gegen Ungarn läuft derzeit ein Misstrauensverfahren nach Artikel 7 der EU. Das Verfahren wird eingeleitet, wenn ein EU-Staat grundlegende Prinzipien der Union missachtet. Das Europäische Parlament hat das Verfahren bereits im Jahr 2018 angestoßen. Ein Grund unter vielen war die Medienfreiheit. Die Regierung von Premierminister Viktor Orbán wies solche Bedenken zurück.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen führt eine Liste zur Einschätzung der Pressefreiheit. Ungarn liegt auf dem 87. von 180 Plätzen. Zum Vergleich: Deutschland belegt in dem Ranking den 13. Platz. Der Organisation zufolge gebe es noch weitere "schwarze Listen”. Dort zu finden seien unter anderem auch die Namen unliebsamer Journalisten.