Dreifachbelastung begegnen

Die Sandwich-Falle: Eingeklemmt zwischen Sorge-Erwartungen

Familien-Verpflichtungen, Job-Verantwortung: Allen möchte man gerecht werden. Allerdings sollte man die Verantwortung für sich selbst dabei nicht aus den Augen verlieren. | © Christin Klose/dpa-tmn

24.09.2025 | 24.09.2025, 00:07

«Der Sandwich-Begriff bringt zum Ausdruck, dass man sich wie eingeklemmt fühlt zwischen zwei Sorge-Erwartungen», sagt Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes. Zum einen sind da die pflegebedürftigen Eltern, zum anderen die eigenen Kinder, die – wenn auch nicht mehr ganz klein – doch Aufmerksamkeit brauchen. Da die Sandwich-Situation in der Regel Menschen um die 50 Jahre herum betrifft, kommt meist auch noch der Beruf dazu. Ein Pensum, das kaum zu schaffen ist.

«Die Babyboomer kommen jetzt nach und nach in die Pflegebedürftigkeit hinein», sagt die Caritas-Chefin. Selbst haben sie im Schnitt allerdings weniger Kinder – die Folge: Die familiäre Erwartung an die Pflege verteilt sich auf weniger Nachkommen, hängt womöglich sogar an nur einer Tochter oder einem Sohn.

Warum Frauen besonders betroffen sind

Generell ist die Sandwich-Belastung laut Eva Maria Welskop-Deffaa vor allem ein Frauenthema. «70 Prozent der pflegenden Angehörigen sind Frauen», sagt sie. «Und auch die Sorge für die heranwachsenden Kinder fordert bei aller Gleichberechtigung immer noch besonders viel Zeit und Aufmerksamkeit der Mütter.» Während bei den Kindern allerdings die Fürsorge mit der Zeit abnimmt, kann sie auf Eltern bezogen immer mehr werden.

«Pflege fängt nicht erst mit einem Pflegegrad an», sagt Silke Niewohner. Sie ist Beraterin für Work-Life-Care-Balance und weiß, dass vieles bereits anfällt, bevor Eltern richtig pflegebedürftig sind. Etwa offizielle Briefe beantworten, Arzttermine vereinbaren, den Haushalt in Schuss halten, Entscheidungen treffen. Dazu kommt: «Es geht hier um emotionale Grenzerfahrungen. Denn in letzter Konsequenz läuft es darauf hinaus, dass die eigenen Eltern sterben werden.»

«Ich funktioniere nur noch» – wenn die Erschöpfung kommt

Wenn die Anforderungen steigen, machen Betroffene meist Abstriche bei sich selbst, sagt Coachin Niewohner. «Sie kommen an den Punkt, dass sie sich fragen: Wo ist eigentlich mein Leben geblieben?» Sie wollen allen gerecht werden, fühlen sich aber häufig, als könnten sie sich letztlich nur unbefriedigend kümmern. Die Beraterin hört oft: «Ich funktioniere nur noch. Ich darf mich gar nicht hinsetzen, denn sonst stehe ich nicht wieder auf.»

Erschöpfung und Überbelastung benennt auch Eva Maria Welskop-Deffaa als Gefahr für die Generation Sandwich. Nicht zu unterschätzen sei außerdem, dass das soziale Netz leide, weil man keine Zeit mehr habe für private Kontakte oder Hobbys. «Geht das über mehrere Jahre, führt es in eine reale Einsamkeit», sagt die Caritas-Präsidentin. «Ein Effekt, der mit dem Tod der Eltern nicht automatisch zu Ende geht.» Die Sandwich-Situation wirke dann über den akuten Belastungszeitraum hinaus.

In der Sandwich-Fürsorge müssen zudem oft eher die Kinder zurückstecken. «Wenn man mit der alten Mutter zum Arzt gehen muss, lässt sich das oft nicht aufschieben, oder zumindest nicht ohne Schuldgefühle», sagt Welskop-Deffaa. Stattdessen bleibe gemeinsame Zeit mit den Kindern oft auf der Strecke.

Wer und was kann helfen?

Um die Belastung zu verringern, reduzieren manche Menschen ihre Arbeitszeit oder bemühen sich um einen anderen Job. Das hat allerdings zwei Seiten: Es kann entlasten - gleichzeitig gibt es aktuell und in der Rente weniger Geld, und man nimmt vielleicht eine unattraktivere Tätigkeit in Kauf.

Gibt es auch Chancen in der Sandwich-Phase? «Es ist durchaus positiv, sich mit existenziellen Fragen auseinanderzusetzen», sagt Silke Niewohner. Der Blick auf die Endlichkeit und die Notwendigkeit, sich auf das Wesentliche zu fokussieren, kann neue Prioritäten setzen. «Man bekommt die Chance, herauszufinden: Was ist mir eigentlich wirklich wichtig?»

Eva Maria Welskop-Deffaa glaubt, dass im Kümmern um alte Eltern auch ein Miteinander der Generationen gelingen kann. «Die Solidaritätsbereitschaft der Enkelkinder kann wachsen», sagt sie. «Sie können kleine Dinge übernehmen, Zeit mit den Großeltern verbringen und dabei lernen, Ältere nicht nur auf ihre Pflegebedürftigkeit zu reduzieren.» Allerdings dürfe man nicht romantisieren. Voraussetzung sei, dass es keine ökonomischen Probleme oder angestauten Familienkonflikte gebe.

Und: Sandwich-Fürsorgende sollten nicht den Anspruch haben, alles allein machen zu müssen. Das A und O ist daher, alle nur mögliche Unterstützung zu nutzen, damit sich die Last auf viele Schultern verteilt. Das fängt in der eigenen Familie an: «Unter Geschwistern müssen gute Absprachen getroffen werden», sagt Welskop-Deffaa. «Nehmen Sie Ihre eigenen Urlaubszeiten ernst.»

Externe Unterstützung nutzen

Finanziell und durch Betreuung entlasten die Angebote der Pflegekassen. «Nehmen Sie zum Beispiel ambulante Dienste und Kurzzeitpflege in Anspruch», rät Welskop-Deffaa. Beraten lassen können sich pflegende Angehörige bei den Pflegekassen, Pflegestützpunkten oder Pflegeberatungsstellen sowie Wohlfahrtsverbänden wie Caritas, AWO oder Diakonie. Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) hat eine Online-Datenbank für Beratungsstellen.

Von unschätzbarem Wert sind laut Welskop-Deffaa Reha-Leistungen für pflegende Angehörige. Während der Reha können die Pflegebedürftigen in einer Kurzzeitpflege oder in der Kureinrichtung betreut werden. Verschiedene Mutter-Kind-Kurkliniken bieten inzwischen Kuren für pflegende Angehörige an. «Leider ist das Antragsverfahren unglaublich kompliziert, sodass Angehörige darin am Ende oft steckenbleiben», so die Expertin - hier kann man sich bei karitativen Diensten beraten lassen. Und: Auch Kuren zur Bewältigung der Trauersituation nach dem Tod pflegebedürftiger Eltern sind möglich.

Nur wer sich um sich kümmert, kann auch für andere sorgen

Es geht darum, die Belastungen zu reduzieren und nicht selbst krank zu werden - körperlich und seelisch. Eine psychologische Onlineberatung bietet etwa das Internetportal «pflegen-und-leben» an. «Das ist kostenlos und wird von den Pflegekassen finanziert», sagt Silke Niewohner. An einem Punkt hoher psychischer Belastung kann die Telefonseelsorge unter 0800 1110111 oder 0800 1110222 helfen.

Auch Hausärztin oder Hausarzt können und sollten Betroffene ins Vertrauen ziehen, wenn sie merken, dass sie an ihre Belastungsgrenze kommen.

Coachin Niewohner rät, sich eines klarzumachen: «Ich kann nur für andere sorgen, wenn ich für mich selbst sorge.» Nicht selten habe man sehr hohe Ansprüche an sich selbst und das, was man meine, schaffen zu müssen.

Ihr Tipp: «Fragen Sie sich, was Sie einer guten Freundin in Ihrer Situation raten würden.» Und das gilt es dann auch für sich selbst zu beherzigen.