
Bielefeld. Im eigenen Bekanntenkreis verzichtet fast jeder auf irgendetwas. Oft fällt der Satz: „Das vertrage ich nicht". Oder: „Das soll ja ungesund sein." Die zuckerfreie Diät ist hip und Gluten ist zum Feind Nummer eins für alle geworden, die gesund leben wollen. Der Verzicht auf bestimmte Lebensmittel ist in Mode. Dabei haben viele Deutsche wirklich eine Lebensmittelunverträglichkeit und verzichten nicht, weil das gerade im Trend liegt. Ihr Körper tut sich zum Beispiel schwer mit der Verarbeitung von Fruktose oder Laktose.
In der Bevölkerung existiere darüber aber ein Missverständnis, sagt Udo Rabast, Ernährungsmediziner aus Hattingen. Rabast hat sich der Aufklärung in Sachen Ernährung verschrieben. Er reist durch Deutschland, ab und zu auch mal ins Ausland, um Vorträge über das zu halten, was in unserem Körper los ist. Erst im Juni ist sein Buch „Gesunde Ernährung, gesunder Lebensstil" erschienen. Darin geht es um die Frage, was dem Körper gut tut und was nicht.
Intoleranz ist selten
Und wenn er eins mit Sicherheit sagen kann, dann, dass eine Fruktose- oder Laktoseunverträglichkeit niemandem ernsthaft schaden kann. Zumindest den meisten Betroffenen nicht. „40 bis 60 Prozent der Bevölkerung haben eine Fruktosemalabsorption", sagt er. Malabsorption, erklärt er weiter, sei die richtige Bezeichnung für das, was in der Bevölkerung meistens als Intoleranz bezeichnet werde. Ein weit verbreiteter Irrtum. Aber gar nicht so leicht zu verstehen.
Richtig ist: Eine Malabsorption hat man dann, wenn bestimmte Kohlenhydrate vom Darm nicht komplett oder gar nicht aufgenommen werden können. Beschwerden seien bei einer Malabsorption „oft mild", erklärt Rabast. Die Fruktoseintoleranz dagegen sei ein schweres Krankheitsbild. Rabast: „Das ist ein Enzymdefekt, der nur bei einer Person unter 130.000 vorkommt". Nehmen diese Personen Fruktose zu sich, dann kann das für sie lebensbedrohlich werden.
Ähnlich sei es bei der Laktoseunverträglichkeit. Die trete dann auf, wenn zu wenig von dem milchzuckerspaltenden Enzym Laktase vorhanden sei. „Das ist bei fast 15 Prozent der Deutschen der Fall", so Rabast. Der Unterschied zwischen Malabsorption und Intoleranz liege dabei in der Stärke der Beschwerden. Hat jemand eine Laktosemalabsorption, dann spüre er das fast gar nicht. Stärkere Beschwerden treten erst bei der richtigen Intoleranz auf.
Vorurteile gegen Essen
In den meisten Unverträglichkeitsfällen müsse man aber von einer „unspezifischen Lebensmittelunverträglichkeit" sprechen, fügt Rabast hinzu. Die entstehen durch sogenannte „Befindlichkeitsstörungen". Das bedeutet: Hat jemand Vorurteile gegen ein Lebensmittel und beobachtet sein eigenes Essverhalten eher ängstlich, dann führt das zu Unwohlsein. Ein weiterer Grund könne eine bakterielle Keimbesiedlung im Darm sein, so Rabast. Eine „spezifische Lebensmittelunverträglichkeit" ist es erst dann, wenn eine Malabsorption oder Intoleranz nachgewiesen werden könne. Hat man eine Malabsorption und keine Intoleranz, sei alles ohnehin nur halb so schlimm.
Die Rolle von Fodmaps
In diesem Zusammenhang weist Rabast auf neuere Forschungen zu den sogenannten FODMAPs hin. Diese Abkürzung steht für das Wortungetüm „Fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccaride und Polyole". Das fasst all die Kohlenhydrate zusammen, bei denen eine Malabsorption auftreten kann. Unter ihnen zum Beispiel die Laktose, die Fructose oder auch Sorbit, Xylit und Mannit. Die Beschwerden, die durch die Unverträglichkeit all dieser Kohlenhydrate ausgelöst werden, sind zwar meist mild. Jedoch vermuten Forscher eine enge Verbindung zwischen ihnen und dem Problem des Reizdarmsyndroms. Fast 30 Prozent der Menschen mit einem Reizdarm vertragen auch die FODMAPs nicht.
Ernährungsberatung
„Sie sehen, dass die Unterscheidungen bei dem Thema wirklich schwierig sind", sagt Saskia Turrek, Ernährungsberaterin am Klinikum Westfalen in Dortmund. Dass heute so viele Menschen eine Lebensmittelunverträglichkeit hätten, erklärt sie so: „Durch immer stärker verarbeitete Lebensmittel und eine immer ungesündere Ernährungsweise werden unsere Körper immer mehr belastet." Dabei seien junge und alte Menschen gleichermaßen betroffen. Unverträglichkeiten könnten sich auch erst im Laufe des Lebens entwickeln. Dass zusätzlich viele Menschen aus „Mode" auf bestimmte Lebensmittel verzichteten, führe zu einem positiven Effekt für Betroffene. Durch die große Nachfrage hätten sie mittlerweile eine sehr gute Auswahl an Ersatzprodukten.
Wird eine Unverträglichkeit diagnostiziert, dann werde das aber zunächst diätisch behandelt. „Wenn man weiß, auf welchen Stoff der Patient reagiert, macht man zunächst eine Eliminationsdiät. In dieser Phase verzichtet der Patient auf alle Lebensmittel, die den entsprechenden Stoff enthalten", sagt die Ernährungsberaterin. Das daure meistens ein bis zwei Wochen. Danach folge eine Aufbauphase, so Turrek. „Man überprüft, ob der Patient das Lebensmittel verträgt und in welcher Menge." Ein Leben ganz ohne Fruktose oder Laktose stehe also keinem bevor, der eine Malabsorption hat.
Sie weist aber auch daraufhin, dass körperliche Beschwerden auch eine andere Ursache haben können. „So kann sich zum Beispiel durch Operationen der Weg der Nahrung durch den Verdauungstrakt verändern", nennt sie als ein Beispiel.