Washington

Der Über-Koch: Anthony Bourdain ist tot

Der CNN-Fernsehkoch hat sich umgebracht - er wurde nur 61 Jahre alt

Dirk Hautkapp
08.06.2018 | 14.09.2022, 14:25

Washington. Es gibt Hundertausende in Amerika und der ganzen Welt, die den Nachrichtensender CNN seit 2013 nicht wegen „breaking news" eingeschaltet haben. Sondern allein wegen ihm: Anthony Bourdain.

Wenn der Askese und Genussfreude auf einzigartige Weise in sich vereinende Graumelierte den Zuschauer in seiner quotenträchtigen Reihe „Parts Unknown" auf kulinarische Entdeckungsreisen in entlegene Regionen mitnahm, lernte man weit mehr als das, was konventionelle Fernsehköche zu bieten haben.

Die Welt über die Landesküche erschlossen

Bourdain war ein Entdecker. Von Menschen. Und Regionen. Von ihren Geheimnissen. Und Schicksalen. Dass und wie er sich die Welt über die Landesküche erschloss, immer neugierig, immer empathisch, nie vor etwas fies, machte den ehemaligen New Yorker Chef-Koch zu einer moralischen Institution.

Umso größer der Schock: Der 61-Jährige hat sich Freitag nach Angaben seines Arbeitgebers bei Dreharbeiten für eine neue Sendereihe in Straßburg in seinem Hotelzimmer umgebracht. Ein befreundeter Koch fand ihn leblos. Auslöser? Bislang unbekannt.

"Einzigartiger Geschichtenerzähler"

„Seine Liebe zu großen Abenteuern, neuen Freunden, gutem Essen und Trinken und den bemerkenswerten Geschichten der Welt machten ihn zu einem einzigartigen Geschichtenerzähler", erklärte die Sendeverantwortlichen bei CNN, „unsere Gedanken und Gebete sind bei seiner Tochter und seiner Familie in dieser unglaublich schwierigen Zeit." Vor der Abreise zum G 7-Gipfel in Kanada kondolierte auch US-Präsident Donald Trump, den Bourdain zuletzt regelmäßig angegriffen hatte. "Ich mochte seine Show, er war ein markanter Typ."

Bourdain stieg mit 44 Jahren aus dem knallharten Chefkoch-Gewerbe aus. Täglich zwölf Stunden im Stehen auf engstem Raum, bei extremen Tempo und großer Hitze zu arbeiten, hatte den Experten für asiatischen Kampfsport, der so ziemlich jede Droge ausprobiert hat, früh altern lassen.

Was geht hinter der Glitzerfassade der Sternegastronomie vor sich?

Sein Anfang der 2000er Jahre erschienenes Buch „Geständnisse eines Küchenchefs" wurde schnell zu einer Aufklärungsschrift über das, was wirklich hinter den Drei-Sterne-Glitzerfassaden der Hochpreis-Gastronomie vor sich geht.

Zitat aus dem Werk: „In der Küche gibt es keine Lügen. Und auch keinen Gott. Er könnte einem sowieso nicht helfen. Entweder kann man ein Omelett zubereiten oder nicht. Entweder kann man mit den anderen Köchen mithalten, die bestellten Gerichte wieder und wieder perfekt zubereiten oder nicht. Kein Empfehlungsschreiben, kein Ausweichmanöver, keine noch so wohlformulierten Sätze und kein jämmerliches Flehen um Gnade können über die grundlegenden Fakten hinwegtäuschen. Die Küche ist die letzte Meritokratie - eine Welt des Absoluten; am Ende jedes Tages weiß man unmissverständlich, was man geleistet hat. ,Gut' und ,Böse' werden leicht und sofort als das erkannt, was sie sind."

Weil Bourdain informativ, temporeich, unterhaltsam und lebenklug zugleich auftrat („Man sieht, wie arme Menschen aus wenig etwas Wunderbares machen", sagte er oft auf seinen Reisen), war sein Erfolg im Fernsehen nur eine Frage der Zeit.

Mit Obama in der Garküche in Vietnam

Für CNN hat der mit der Schauspielerin Asia Argento, die maßgeblich zum Fall des übergriffigen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein beitrug, liiert gewesene Genussmensch Dutzende Länder besucht. Oft dabei begleitet von Prominenten, die seine Nähe suchten. Etwa der ermordete russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow, der senegalesische Sänger Youssou N'Dour oder Barack Obama. Mit dem amerikanischen Präsidenten setzte sich Bourdain in eine schlichte Garküche in Vietnam und sprach über Gott, Politik und die Welt. „Niedrige Platikhocker, günstige, aber köstliche Nudeln, kaltes Bier aus Hanoi" überschrieb Bourdain das dazu passende Bild auf seiner Facebookseite.

Die Nachricht von Bourdains Tod fällt zusammen mit einer erschreckenden Bilanz des staatlichen „Center for Desease Control and Prevention". Danach nehmen sich in den USA immer mehr Menschen das Leben. In allen Bundesstaaten (bis auf Nevada) sei die Zahl der Suizide zwischen 1999 und 2916 gestiegen. Teilweise drastisch um bis zu 60 % in North Dakota.

Im Berichtsjahr 2016 verzeichnete das Amt 45.000 Selbsttötungen in ganz Amerika. Neben Alzheimer und Drogenmissbrauch sei dies die dritthäufigste Todesursache. Waren schon früher vor allem ältere, weiße Männer und Jugendliche gefährdet, so steige inzwischen auch bei Frauen der Anteil derer stark, die ihrem Leben ein Ende setzen.

Information
Anmerkung der Redaktion:
Generell berichten wir nicht über Selbsttötungen, es sei denn, es gibt besondere Gründe für eine erhöhte Aufmerksamkeit. Wir halten uns möglichst zurück, da es bei Suiziden eine hohe Nachahmerquote gibt. Sollten Sie sich von besonderen Lebensumständen betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie 24 Stunden am Tag Hilfe und Beratung.