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PES 2020 im Test: Gut, aber wohl nicht gut genug

Wieder versucht Konami, Branchenprimus EA Sports und der FIFA-Serie den Rang abzulaufen. Reicht es diesmal?

Wie immer detailreich: Die Spielermodelle, zumindest die der ganz großen Stars. | © Konami

Jan Ahlers
19.09.2019 | 11.03.2020, 17:18

Das erbitterte Duell geht in seine nächste Runde: Branchenführer EA Sports lockt mit seiner Fußballsimulation „FIFA 20" bald Millionen Fans vor die Bildschirme. Gerade auf dem deutschsprachigen Markt führt kein Weg an FIFA vorbei. Der Rivale Konami geht mit seinem Titel „Pro Evolution Soccer", kurz PES, in diesem Jahr zwei Wochen eher ins Rennen, „eFootball PES 2020" ist schon spielbar. „The same procedure as every year, James" - kann PES 2020 dem übermächtigen Rivalen Konkurrenz machen?

Wir würden euch an dieser Stelle gerne bahnbrechende neue Erkenntnisse liefern, können es aber nicht. Während FIFA 20 allen voran durch den Volta-Modus, in dem der seit der „FIFA Street"-Reihe fast in Vergessenheit geratene virtuelle Straßenfußball wiederbelebt wird, sowie einen neuen Funmodus mit geboosteten Schuss-, Dribbling- und Sprintwerten die jährliche, rund 60 Euro teure Investition in ein besseres Saison-Upgrade rechtfertigen will, setzen Konami und PES auf die kleine Veränderung des stetig Guten: der Spielphysik.

Als Berater für die Entwickler mit an Bord: Ex-Barcelona-Star Andrés Iniesta. - © Konami
Als Berater für die Entwickler mit an Bord: Ex-Barcelona-Star Andrés Iniesta. | © Konami

PES 2020: Gut zu kontrollieren und doch unvorhersehbar

Hier, da sind sich die Experten einig, lag schon immer die Stärke. Auch PES 2020 schafft es, ab dem ersten Ballkontakt ein realistisches Fußballspiel auf den Monitor zu bringen. Das mag banal klingen, gelingt aber dem Kontrahenten seit Jahren nicht annähernd so gut. Wo im Hause EA der Erfolg fast ausschließlich aus möglichst hohen Tempowerten und dem berühmten Momentum, das fast jeden noch so souveränen Vorsprung in eine unglückliche Niederlage umwandeln kann, resultiert, fühlt sich bei PES das Spiel besser kontrollierbar an und ist zugleich herrlich unvorhersehbar.

Vergebene Chance: Die Variationen der "wilden" Frisuren von Serge Gnabry haben es nicht ins Spiel geschafft. - © Konami
Vergebene Chance: Die Variationen der "wilden" Frisuren von Serge Gnabry haben es nicht ins Spiel geschafft. | © Konami

Was bedeutet das? Ein Spielzug verläuft selten nach Schema X, jedes Tor will hart erarbeitet sein. Das Passspiel ist die wichtigste Komponente, Räume müssen mühsam gesucht und geöffnet werden. Der tödliche Pass in die Schnittstelle, seit Jahren bei PES ein Gewinnbringer, bleibt ein Gamechanger. Stolz ist Konami derweil über die Tatsache, den ehemaligen Weltklasse-Techniker Andres Iniesta an der Spielentwicklung teilhaben zu lassen. Im Spiel erklären Videosequenzen, wie durch den Spanier neue Bewegungselemente wie die Finesse-Dribblings sowie angetäuschte Pässe in freie Räume in das Spiel eingeführt wurden. Die Varianz an Steuerungsmöglichkeiten ist dadurch noch größer, allerdings werden Fehler kaum verziehen. Wer ein, zwei Sekunden den Ball ohne Idee zur Weiterverarbeitung hält, der wird ihn meist verlieren, und Zweikämpfe brauchen meist gar nicht erst geführt werden - das Leder ist sofort weg.

Auch die gefallene Legende Diego Maradona begegnet einem im Spiel - als Manager. - © Konami
Auch die gefallene Legende Diego Maradona begegnet einem im Spiel - als Manager. | © Konami

Die Krux mit den Lizenzen...

So gewinnen wir trotz frustrierender Momente Spaß am Spiel, auch weil uns das Profi-Niveau gegen den KI-gesteuerten Gegner liegt. Wir versuchen uns an einer Saison mit dem SSC Neapel, dessen Spieler auf dem Feld genau nachgebildet wurden. Gerne hätten wir eine deutsche Mannschaft verfolgt, aber das leidige Dilemma bleibt auch im mittlerweile 19. Teil der Pro-Evolution-Soccer-Reihe: Es gibt keine Bundesliga-Lizenz, nicht einmal unter veränderten Namen. Lediglich der FC Bayern, Bayer Leverkusen und Schalke 04 sind spielbar. In der Vergangenheit gab es meist rasch umfangreiche Bundesliga-Patches zum Download, allerdings nur für PlayStation 4 und den PC – Xbox-One-Nutzer schauen in die Röhre oder müssen mühsam selbst Klub für Klub editieren.

Exklusiv hat sich Konami dafür die Rechte an Juventus Turin mit Superstar Cristiano Ronaldo gesichert, während FIFA 20 den Arbeitgeber des portugiesischen Stürmers mit dem Fantasienamen „Piemonte Calcio" schmücken muss. Apropos Fantasienamen: Die gibt es bei PES 2020 natürlich zuhauf, etwa in der englischen und spanischen Liga. So kickt etwa nicht Atletico Madrid im Stadtduell gegen Real, sondern „Madrid Chamartin" gegen „Madrid Rosas". Anhänger der Reihe haben sich daran gewöhnt, für andere bleibt es ein Abschrecker und Grund, das Game im Regal stehen zu lassen.

Trainer-Novize im brasilianischen Regenwald

Dass allen voran asiatische und südamerikanische Fußballfans im Fokus des EA-Konkurrenten stehen, macht die Lizenz-Offensive auf dem dortigen Markt deutlich: So sind die chinesische und die thailändische Liga sowie die asiatische Champions League lizenziert spielbar, in Brasilien ist sogar die zweite (!) Spielklasse mit Originalnamen spielbar. Stars finden sich dort keine – einen gewissen Reiz wird es dennoch haben, als Trainer-Novize im brasilianischen Regenwald (oder dem, was von diesem noch übrig ist) eine kommende Fußball-Weltmacht aufzubauen.

Apropos Trainer: Neben den Online-Wettbewerben ist die „Meister-Liga", der Karrieremodus von PES 2020, einer der beliebtesten Modi. Aber nicht für uns, als wir ihn in der holländischen Eredivisie antesten. Obgleich die Jugendakademie fröhlich virtuell „wiedergeborene" Stars wie Jefferson Farfan und Arjen Robben als 16-Jährige mit einem Mega-Marktwert ausspuckt und die Stärke unserer mittelklassigen Erstligisten wie Zwolle, Enschede und Vitesse schnell auf vorderes Niveau hebt, spuckt die Schnellsimulation Niederlage um Niederlage aus. Viermal in Folge werden wir entlassen.

Zu wenig Realismus im Karriere-Modus

Auch sonst ist die Meister-Liga an manchen Stellen schwer mit der Realität übereinzubekommen. So finden sich jährlich junge Spieler von 16 bis 18 Jahren mit einem Marktwert von 20 bis 40 Millionen Euro – auf der Liste vereinsloser Profis. Anfangs mag das wie ein Paradies erscheinen, schnell wird es aber langweilig. Unerklärlich bleibt, weshalb einige Spieler mit einer Gesamtstärke von 80 Punkten auf 40 Millionen, andere im gleich jungen Alter nur auf fünf Millionen Euro Markwert kommen. Immerhin sind die Transferverhandlungen je nach Einstellung deutlich schwieriger als im FIFA-Karrierependant und einige Zwischensequenzen sorgen für Abwechslung, rasch kommen sie einem allerdings nicht mehr neu vor. Vollends realistisch wirkt dieser Modus nicht.

Viele, die sich an Pro Evolution Soccer ausprobieren, verlieren nach kurzer Zeit wieder die Lust. Das mag aus Bequemlichkeit geschehen, denn in PES verlangt es mehr taktisches Verständnis, mehr eigene Flexibilität und mehr Durchhaltevermögen, um erfolgreich zu sein. PES-Fans werden folglich auch an der neuesten Version viel Freude finden - ihnen machen auch die fehlenden Lizenzen nicht mehr viel aus. Unentschlossenen aber dürften sich weiterhin bei FIFA 20, zu dessen Volta-Straßenfußballmodus Konami keine ähnlich prominente Neuerung entgegengesetzt hat, schneller zurechtfinden. Hier hat Konami keine frischen Anreize geschaffen, die dem Spiel im umkämpften Markt der Fußball-Simulationen einen neuen Stellenwert verleihen würden.