Berlin. Beim Interview zu seinem neuen Film „The Dinner" (ab 8. Juni in den Kinos) im Berliner Regent-Hotel erlebte unser Mitarbeiter einen sehr herzlichen Richard Gere, der sich für seine Antworten viel Zeit ließ. Statt seinen Celebrity-Status genüsslich auszuweiden, redete der 67-Jährige sehr offen über sein Image als Sex-Symbol, das Zen des Filmemachens, Empathie und Liebe sowie über seine schwärzeste Stunde als US-Amerikaner. Über Donald Trump sagt Gere in dem Interview: „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass er tatsächlich der Präsident der Vereinigten Staaten ist!"
Mr. Gere, Sie müssen schon lange keinen Film mehr wegen des Geldes machen. Was also hat Sie gereizt, in „The Dinner" mitzuspielen?
Richard Gere: Sie haben Recht. In diesem Leben muss ich mir tatsächlich keine finanziellen Sorgen mehr machen. Für mich und die Meinen ist gesorgt. Deshalb wähle ich seit langem meine Filmprojekte sehr sorgfältig danach aus, ob sie mir künstlerisch und spirituell etwas bringen. Bei „The Dinner" war mit ein Grund der Regisseur Oren Moverman, mit dem ich vor drei Jahren schon den Film „Time Out of Mind" gemacht habe. Mit ihm arbeite ich sehr gerne zusammen. Wir liegen total auf einer Linie. Außerdem fand ich in „The Dinner" das Thema sehr interessant. Der Film ist ja nichts anderes als eine Studie in Schuld und Sühne, Humanität und Menschlichkeit. Oder der anderen Seite der Medaille: Lüge, Verrat und soziale
Barbarei.
Sie spielen einen einflussreichen Politiker, der mit allen Wassern gewaschen scheint. . .
Gere: . . . so sieht es an der Oberfläche aus. Aber der Film geht natürlich viel tiefer.
Sie spielen ihn fast wie eine Karikatur.
Gere: Ich wollte ganz bewusst das Klischee des aalglatten Politikers bedienen. Er ist ein Machtmensch, ein Womanizer, der sich nimmt, was und wen er will. Der Zuschauer soll denken: „Wir kennen diese narzisstischen, arroganten, selbstbezogenen Typen zur genüge!" Es war also wirklich sehr spannend zu zeigen, dass er doch einen viel komplexeren Charakter hat, als man zunächst für möglich hält. Er sieht als Einziger, was für die Kids wirklich gut ist. Für ihre Zukunft. So hart der Weg für sie auch sein würde. Er versteht, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Er kennt die Konsequenzen.
So mit den Erwartungshaltungen des Publikums zu spielen, hat – wenn man es auf Ihre eigene Person bezieht – eine Meta-Ebene.
Gere: (Lacht) Ich weiß, was Sie meinen: Dieser ganze „Sexiest-Man-Alive"-Quatsch, dieses reduziert werden auf Erfolg und Geld. Aber diese oberflächliche Betrachtungsweise meiner Person hat mich nie wirklich tangiert. Ich habe mich nie als Star empfunden oder fand mich gar besser als andere. Für mich gab und gibt es viel Wichtigeres im Leben. Zum Beispiel ein nützliches Glied der Gesellschaft zu sein. Gutes zu tun. Empathie für die Mitmenschen zu haben, denen es nicht so gut geht auf dieser Welt.
Aber ist man in Bezug auf die großen politischen Entwicklungen als Individuum nicht meist machtlos?
Gere: Wir sind nur machtlos, wenn wir unsere Machtlosigkeit zulassen und uns nicht dagegen wehren. Eine meiner schwärzesten Stunden als US-Staatsbürger war die Amtseinführung von Donald Trump. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass er tatsächlich der Präsident der Vereinigten Staaten ist! Aber schon am nächsten Tag haben eine Millionen Frauen – Arm in Arm – vor dem Weißen Haus gegen ihn protestiert. Das hat mich schwer beeindruckt.
Sie sind ein Mensch, der meist positiv denkt?
Gere: Ich denke immer positiv. Ich glaube, wir alle sind mit einer großen positiven Kraft beseelt. Die kann man zwar unterdrücken, aber nicht vernichten. Wir fühlen uns doch alle zu Güte und Liebe hingezogen. Stellen Sie sich vor, Sie betreten ein Zimmer mit fremden Menschen, die Sie alle anlächeln und freundlich zu Ihnen sind. Dann gehen Sie in ein anderes Zimmer voller düsterer und feindseliger Gesichter, die alle zu sagen scheinen: fuck you! Wo werden Sie sich lieber aufhalten?
Sie sind Schauspieler und praktizierender Buddhist. Gibt es da Gemeinsamkeiten?
Gere: Oh, ja – sogar sehr viele. Die Schauspielerei ist ein kreativer Prozess. Um den herstellen zu können, braucht es Freiheit, Vertrauen, Abenteuer, Magie, Weisheit, Empathie, tief empfundene Gefühle, Leidenschaft, Mut, Selbsterkenntnis, die Fähigkeit Zugang zu seinem Inneren zu finden, die Fähigkeit sich selbst positiv motivieren zu können, was dann wiederum positive Energie freisetzt. Ich betreibe die Schauspielerei ja nicht nur für mich selbst. Diese Art von Narzissmus ist mir völlig fremd. Ich bin Schauspieler, um etwas aufzuzeigen, etwas zu veranschaulichen, etwas zu erzählen, das für andere Menschen vielleicht nützlich sein kann.
Waren Sie eigentlich darauf gefasst, als Sie sich öffentlich zum Buddhismus bekannten und sehr positiv über den Dalai Lama sprachen, dass Sie deshalb zur Zielscheibe von Andersdenkenden wurden? Und in
China seitdem sogar als „persona non grata" Einreiseverbot haben.
Gere: Ich habe diesbezüglich in der ganzen Welt eigentlich nur positive Reaktionen bekommen. Bis auf China, natürlich. Aber es sind nicht die Menschen, die mich dort so vehement ablehnen – sondern die kommunistische Regierung. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Wenn diese faschistische, totalitäre Diktatur sich durch mich angegriffen fühlt, ist das völlig okay. Aber nicht ich bin auf Konfrontation mit dem Regime aus, genauso wenig wie der Dalai Lama. Es ist die Partei. Es gibt eben Menschen, die schlechte Dinge machen – aber das sind Leute, die das unter dem Einfluss einer Krankheit tun. Doch niemand ist durch und durch böse. Jeder kann geheilt
werden
INFORMATION
Zur Person
Es ist interessant zu beobachten, wie wenig Richard Gere (67) dem klischeehaften Image entspricht, das sich die Welt seit „American Gigolo" und „Pretty Woman" von ihm gemacht hat.
In den 80er und 90er Jahren war er der Prototyp des „Sexiest Man Alive", hatte angeblich zahllose Affären, darunter mit Kim Basinger und Priscilla Presley, war mit Super-Model Cindy Crawford verheiratet und gehörte zu den gefragtesten und bestbezahlten Schauspielern Hollywoods.
Gere ist seit vielen Jahren bekennender Buddhist und ein Freund des Dalai
Lama.
Sein neuer Film „The Dinner" kommt am 8. Juni in die Kinos.