Bielefeld. Da veröffentlicht einer seinen ersten Roman. Mit 51 Jahren. Noch dazu einen mit der gewagten Helden-Kombination Dorftrottel und Laufente. "Grund genug nervös zu werden", sagt Thomas Krüger. Und dann steht er auf der Frankfurter Buchmesse einer ganzen Regalwand gegenüber, die nur seinem Krimidebüt "Erwin, Mord und Ente" gewidmet ist. Der gebürtige Löhner hat den Durchbruch als Schriftsteller geschafft.
Mit "Erwin, Mord und Ente" trifft Krüger vermutlich den Geschmack des Publikums. Kauzig darf es da sein, komisch muss es sein, absurd sollte es sein. Ansprüche, die die Geschichte im Vorbeigehen erfüllt. Seinen Helden Erwin Düsedieker bezeichnet Krüger als Dorftrottel. Dessen Ermittlungspartner in einem Mordfall ist - wohl einmalig in der Literatur - eine stoische Laufente. Lothar prägt das Buch und "die ersten Leser aus dem Freundeskreis haben schon mehr Ente gefordert".
Die Laufente, der geniale Coup des Krimi-Debütanten, entspricht Krügers verspieltem Autorencharakter. So wie die Mixtur des Buches: Emily Brontës "Sturmhöhe" und Dantes "Göttliche Komödie" begegnen darin literweise Asia Orchidee Schaumbad mit Bambusextrakt, einem gespenstischen Kreis von Altnazis und einem Finale furioso à la Indiana Jones.
Doch die wichtigste Zutat ist das Dorf Versloh-Bramschebeck. "Mit ostwestfälischem Dehnungs-C", betont Krüger. Einen Regionalkrimi wollte er nicht schreiben, doch seine Kindheit auf dem Lande im kleinsten Ortsteil von Löhne "musste einfach mal raus", wie er sagt.
Die bitterböse überzeichnete ostwestfälische Szenerie der Mordgeschichte ist unverkennbar, auch wenn die Region nicht erwähnt wird. Die spärlichen Dialoge beschränken sich auf "Jau" und Drei-Wort-Sätze wie "Is jan Ding.". Die Dörfler betrachten Nachbarorte mit einem Argwohn, als wohnten dort wilde Stämme. Die Namen hat Krüger mitten aus dem Leben gegriffen. Wem Thiesbrummel, Westersoetebier, Düsedieker und Mickenbecker überspitzt vorkommen, dem entgegnet er: "Ich habe die Originalnamen sogar gekürzt."
Es ist jene Karikatur eines Dorfes, in der die schwer greifbare Figur Erwin Düsedieker so selbstverständlich wirkt wie Kirchturm und Dorfladen. Viele halten den Kerl mit Gummistiefeln, Trainingshose und Polizeimütze für beschränkt, belächeln ihn. Wie genau der Geisteszustand eines Mannes ist, der nur einer Laufente über den Weg traut, bleibt rätselhaft. Das tut der verschrobenen Geschichte gut. Erwin stolpert eben in eine Mordermittlung. Fertig.
Seinen vermeintlichen Dorftrottel sieht Krüger als Spiegelbild für die Westfalen in der Literatur. "Oft sind sie da die Dummen und Doofen. Aber das sind sie natürlich nicht." Er verweist auf herausragende Literaten wie Annette von Droste-Hülshoff und den Dramatiker Christian Dietrich Grabbe. "Und deshalb gelingt es eben einem Erwin Düsedieker, das komplizierte Puzzle zusammenzufügen."
Sechs Wochen hat Krüger für sein Krimi-Debüt nur gebraucht. Einigen Verlagen war es zu verschroben, der Wilhelm-Heyne-Verlag dagegen griff zu. Bei "Erwin, Mord und Ente" ist der Matchball für den Autoren verwandelt, bevor das Spiel begonnen hat. Laut Verlag liegen 50.000 Vormerkungen vor. "Heyne hat bereits Teil zwei bestellt, und ich bin fast fertig."
Natürlich geht es wieder um Dorftrottel Erwin, Laufente Lothar und - als Steigerung - eine zweite Ente. Also ganz nach Wunsch der Testleser ein Entenbuch? "Nein, Erwin steht im Mittelpunkt", beteuert dessen Schöpfer. Düsedieker hätte dazu wohl "jau, jau" gesagt und Lothar gar nichts.