Hannover - Im Streit um das von Altkanzler Gerhard Schröder (74) finanzierte Kirchenfenster der Marktkirche in Hannover hat der Erbe des Architekten gegen den Einbau geklagt.
Mit der Klage werde die Unterlassung des Einbaus des von Markus Lüpertz entworfenen Fensters aus Buntglas geltend gemacht, teilte das Landgericht Hannover mit. Der Kläger Georg Bissen, der Stiefsohn des Architekten Dieter Oesterlen, beruft sich darauf, dass der Einbau des Reformationsfensters das Urheberrecht des Architekten verletze.
Bissen hat die Urheberrechte an der baulichen Gestaltung der Kirche und wehrt sich seit langem gegen das Fenster.
Fünf fette Fliegen stehen für das Böse
Im März hatte der Evangelisch-Lutherische Sprengel Hannover mitgeteilt, dass der Vorstand der Marktkirchengemeinde beschlossen habe, das 13 Meter hohe Kunstwerk einbauen zu lassen. Das Fenster wurde von Lüpertz entworfen, der sich darin mit dem Leben Martin Luthers beschäftigt.
Zu sehen sind in der eher düsteren Szenerie unter anderem eine weiße Gestalt mit erhobenen Armen und fünf fette schwarze Fliegen. Diskutiert wird der Entwurf unter anderem wegen der Fliegen, die symbolisch für das Böse stehen sollen.
        
                    Der Katholik Lüpertz gestaltete schon in der Vergangenheit Fenster von Gotteshäusern, etwa in der Dominikanerkirche Sankt Andreas in Köln. Lüpertz ist mit Schröder befreundet und gilt als einer der wichtigsten deutschen Künstler der Gegenwart. Das Fenster soll Schröder rund 100.000 Euro gekostet haben.
"Schmucklose Wucht und ruppige Großartigkeit"
Nachkriegs-Architekt Oesterlen hatte selbst von der «schmucklosen Wucht und ruppigen Großartigkeit» des Innenraums gesprochen - und es im Südschiff bei einfacher Verglasung belassen.
Sein Erbe sei davon überzeugt, dass das geplante Glasfenster dem gotisch geprägten Innenraum der Marktkirche widerspreche, weil es keines der dortigen Stilmerkmale aufweise, teilte das Gericht mit.
Bereits vorgerichtlich hätten sich die Parteien über den Entwurf, die Anfertigung sowie einen eventuellen Einbau des Reformationsfensters ausgetauscht, nachdem der Kirchenvorstand dem Kläger mitgeteilt habe, dass Schröder der Marktkirche anlässlich des Reformationsjubiläums ein Buntglasfenster schenken wolle. Eine Einigung sei nicht erzielt worden.
"Ich will die Kirche ja nicht umbauen"
Der auch als Malerfürst betitelte Lüpertz reagierte 2018 auf den Widerstand gegen das Projekt in Hannover mit Unverständnis. «Ich will die Kirche ja nicht umbauen, ihre Architektur wird durch das Fenster überhaupt nicht verändert», sagte der langjährige Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung».
INFORMATION
Fensterstreit
Von zeitgenössischen Künstlern gestaltete Kirchenfenster erregen immer wieder die Gemüter. Vor zwölf Jahren hatte ein von dem heute gefragtesten lebenden deutschen Künstler gestaltetes Fenster für Wirbel gesorgt - der damalige Erzbischof Joachim Meisner kritisierte den Entwurf von Gerhard Richter für den Kölner Dom als zu abstrakt und meinte, das Geschenk passe eher in eine Moschee. Heute ist das Richter-Fenster eine Besucherattraktion.
Auch der Leipziger Kunststar Neo Rauch kreierte ein Fenster für den Naumburger Dom in Sachsen-Anhalt. Der bedeutende Maler Sigmar Polke gestaltete kurz vor seinem Tod zwölf Fenster des Grossmünsters in Zürich in der Schweiz - für dieses Projekt war 2006 allerdings ein Wettbewerb ausgeschrieben worden.