
Werther-Arrode. Mit einer fulminanten, klug komponierten Peter-August-Böckstiegel-Ausstellung hat David Riedel das gleichnamige neue Museum im August des vergangenen Jahres in Werther-Arrode eröffnet. Mit Wilhelm Heiner hat der künstlerische Leiter des Museums in der zweiten Ausstellung des Hauses einen Bielefelder Maler in Erinnerung gerufen, dessen Werk es wert ist, noch öfter gezeigt zu werden. Starke Akzente hat Riedel damit gesetzt, der nun dazu einlädt, sich mit Robert Sterl einen impressionistischen Maler aus Dresden zu erschließen, der völlig zu Unrecht dem Blick der Öffentlichkeit entrückt ist. Robert Sterl, 1867 geboren, 1932 gestorben, war zu seinen Lebzeiten „einer der bemerkenswertesten Vertreter des deutschen Impressionismus“, wie Riedel betont.
Dem Maler geht es um den perfekten Moment. Ihn fängt er ein
Wer das Museum betritt, erkennt, da ist etwas dran. Gleich zu Beginn der Schau kann der Porträtmaler Sterl entdeckt werden. Da ist der „Afrikaner“, gemalt 1886 noch im akademischen Stil, der beinah fotorealistisch aus dem hellen Bildhintergrund hervortritt und den Betrachter förmlich anzieht. Da ist „Der Bauernjunge“ mit verschränkten Armen, bekleidet mit weißem Hemd, Hut und Weste, um 1895 nun im impressionistischen Stil gemalt, der ziemlich abgeklärt und ernst mit weit offenen Augen aus der bäuerlichen Landschaft in die Welt schaut. Was sieht er? Den Maler? Was für ein ausdrucksstarkes Bild, das das Plakat und den Katalog der Schau ziert. Zudem ist gleich daneben „Der alte Neumann“ (1903) zu sehen. Im Gesicht des Mannes mit weißem Bart, eher schon mit expressiven Strich aufgetragen, spiegelt sich das harte Arbeitsleben eines Landmannes. Ein Werk nicht unähnlich den expressiven Bauernbildern, die auch Peter August Böckstiegel später schaffen sollte. Ein starker Auftakt zum Ausstellungsrundgang.
Böckstiegel war ebenfalls von Sterls Arbeiten fasziniert, obwohl sie nicht wirklich Umgang miteinander pflegten. Er hat seine Bilder gesammelt, sie an Bielefelder Sammler wie unter anderem den Unternehmer Josef Böllhoff und den Goldschmied Rudolf Feldmann vermittelt oder Werke Sterls aus seiner eigenen umfangreichen Kunstsammlung weiterverkauft, weil er mal wieder Geld brauchte. Sterls Werk war also schon damals in Bielefeld und Umgebung sehr präsent. Auch aus diesem Grunde passt es bestens in das neue Museum. Der Maler kehrt in einem gewissen Sinne mit dieser Schau zurück.
Der Künstler ist von der Arbeitswelt fasziniert
Wer nun weitergeht in der Ausstellung, entdeckt in Sterl einen Maler, der nicht nur von Gesichtern fasziniert ist, sondern auch von der Arbeitswelt. Während die französischen Impressionisten flirrend leichte Caféhausszenen, flanierende Menschen, See- und Flusslandschaften malen, bannt Sterl mit lockerer Hand schwer arbeitende Menschen in hessischen Steinbrüchen (beeindruckend komponiert: „Die Steinbrecher“, 1911), beim Lehmaushub und beim Ziegelbrennen vorm rotglühenden Ofen auf seine Leinwände. Bilder, in denen es um den perfekten Augenblick bei der Arbeit zu gehen scheint. Faszinierende Arbeiten eines inhaltlich ganz anders ausgerichteten Impressionisten.
Ebenso faszinierend sind seine Musiker-Bilder gleich nebenan wie das herausragende, großformatige Porträt „Generalprobe“ aus dem Jahr 1909, das den Dirigenten Ernst von Schuch mit erhobenem Arm und Taktstock im Moment höchster Konzentration zeigt. Auch in seinen Musiker-Bildern geht es, wie in den Bildern aus der harten, körperlichen Arbeitswelt der Steinbrecher, um den perfekten Augenblick.
Die Reisen nach Russland sind äußerst inspirierend für den Maler
Äußerst inspirierend sind für den Dresdner Maler seine Reisen nach Russland. Sie führen ihn zu einer neuen Freiheit des Malens. Seine Farben werden expressiver. Er findet in Bildern wie „Der Hafen von Astrachan“ und „Waldarbeiter“ (beide 1914) immer stärker zur Abstraktion, seine Malerei gewinnt weiter an Ausdruckskraft, Tiefe, der Pinselstrich wird wilder.
„Gesehen, erschaut und erlebt. Der Dresdner Impressionist Robert Sterl“ lautet der schöne Titel dieser sehenswerten Schau. Hingehen, schauen, einen fast vergessenen Maler entdecken, das ist ab Sonntag mal wieder aufs Schönste möglich im Museum Peter August Böckstiegel.