Kultur

Abend der starken Stimmen

Rhonda mit Paloma & The Matches im Bunker Ulmenwall

Nicht retro, sondern zeitlos: Milo Milone, die Frontfrau von Rhonda, griff später auch zur Gitarre. | © Bernd Kuhn Photographic Art

19.01.2019 | 19.01.2019, 11:00

Bielefeld. So richtig hatte man sie nicht auf dem Zettel. Mehr oder weniger unangekündigt eröffneten Paloma & The Matches für Rhonda. Nachdrücklich. Die erste brillante Stimme des Abends gehörte also Bianca Paloma Marstaller, gekleidet von den Matches in ein vielseitiges, unaufdringliches musikalisches Gewand. Unaufdringlich meint dabei nicht Tapete, sondern Reduktion auf das Wesentliche.

Dabei mischen sie verschiedenste Einflüsse zu einer Spielart von Pop, die meist vordergründig leicht daherkommt, wo aber der Teufel in den Details steckt. Immer ein Hauch Retro, ob sie mit Spuren von 50er-Jahre-Brasil-Flair eröffnen oder dank Kai Kampfs lässiger Reverb-Twang auf der Gitarre Surf-Anleihen und Psychedelia verarbeiten. In dem Sinne spielen sie eine wunderbar eigene Version von Jefferson Airplanes „White Rabbit“, um dann mit dem eigenen Song „Taboo“ richtig funky zu werden. Nicht nur hier tragen die Männer so kurze wie prägnante Backing-Vocals bei. Eine Band aus Bremen, jung, lässig, frisch (es gibt bislang gerade mal drei Singles aus eineinhalb Jahren), aber man wird sie nächstes Mal definitiv auf dem Zettel haben.

Milo Milone ist nicht nur hier, um Erwartungen zu erfüllen

Brillante Stimme und lässiger Twang sind ohne Frage Schnittstellen der Soul-Band Rhonda aus Hamburg. Spaghetti-Western-Klänge begleiten ihren Weg zur Bühne in einem vollgepackten Bunker und verkörpern so bereits eine Facette des Klangkörpers Rhonda. Zwischen Soul und Morricone bewegt sich folgerichtig auch gleich der erste Song „Baby“ vom erst vor ein paar Tagen erschienenen neuen (dritten) Album „You Could Be Home Now“. Aber Sängerin Milo Milone ist nicht nur hier, um Erwartungen zu erfüllen. Sie greift, wie noch oft an diesem Abend, zur Gitarre, „Habits“ startet mit einem harschen Riff in ein semi-dreckiges Stück Power-Pop, wie wir es dann aber doch erst wieder bei den Zugaben mit der Nerves-Coverversion „When You Find Out“ zu hören bekommen. Macht nichts, deswegen sind wir ja auch nicht hier.

Milo lobt den Bunker und seine einzigartige Bühne, die es mit sich bringt, dass die Musiker fast im Kreis stehen und sich anschauen können. Man glaubt ihr, dass es ihr etwas bedeutet. Wo sonst große Stimmen gerade im Soul-Bereich oft unter eigenem Namen mit namenloser Backingband laufen, ist Rhonda mehr als Zuarbeiter, immer noch eine Band, eigen mit einer spürbar guten Chemie.

Schmeicheln, beißen, knurren, kieksen, hauchen, vibrieren, nachdenken, die Welt umarmen

Milo, Gunnar Riedel (drums), Jan Fabricius (Bass), Offer Stock (Keyboards) und Ben Schadow (Gitarren) lächeln, kommunizieren und haben große Momente im Dienst der Sache, ohne anzugeben. Ja, das gilt auch für Milo. Die mit ihrer grundsätzlich lichten Stimme alles kann, aber es eben nicht penetrant in jeder Sekunde zeigen muss: Schmeicheln, beißen, knurren, kieksen, hauchen, vibrieren, nachdenken, die Welt umarmen, so brüchig und rau, so kraftvoll, hell und klar. Diese Stimme schafft Bilder und setzt sich wie in „In My Eyes“ an die Theke einer verrauchten Eckkneipe zwischen Tarantino, Jarmusch und die zwei einsamen Typen von nebenan, um gemeinsam ins Glas zu weinen, während Dusty Springfield aus der Wurlitzer schallt.

Songs wie „Why We Stay“ oder „Off The Track“ ehren klassischen 60ies-Soul, aber auch hier sind Rhonda eher Stax als Motown. Sie lassen die Kanten dran. Wenn Offer die in Holz gefasste Vintage-Orgel von der Leine lässt und Ben seine gepflegt klaren Licks spielt, kann man in Momenten ruhig mal die Augen schließen, um Booker T., Steve Cropper & The MGs, also die Stax-Hausband, vor sich zu sehen. Ja, Dusty war auch mal in Memphis. Aber das ist eben auch das Charmante an Rhonda. Ihre Medaille hat viele Seiten. Nicht retro, sondern zeitlos. Erinnerung trifft Gegenwart, ohne zu dick aufzutragen. Begeisternd.