Kultur

Ein neues Wohnzimmer für die Kunst von Hermann Stenner

Nach der Vorbereitung wird am Sonntag eröffnet. Die erste große Ausstellung ist dem namensgebenden Bielefelder Maler gewidmet

Produktiv: In nur fünf Jahren schuf Stenner sein mehr als 1.000 Werke umfassendes Werk. Dazu gehört auch sein „Christuskopf“ von 1913/14. | © Barbara Franke

Stefan Brams
16.01.2019 | 16.01.2019, 18:00

Bielefeld. Wer künftig die Villa Weber am Eingang zur Bielefelder Altstadt betritt, wird schnell feststellen: das neue Museum, das den Namen Kunstforum Hermann Stenner trägt, hat Atmosphäre. Ja, es hat mit seinen vielen kleinen und großen Kabinetten, die auf zwei Etagen versammelt sind, etwas von einem behaglichen Wohnzimmer für die Kunst des wohl bedeutendsten Bielefelder Malers. Hermann Stenner, 1893 geboren, im Dezember 1914 als Soldat gefallen, hat ein mehr als 300 Gemälde und weit über 1.000 grafische Arbeiten umfassendes Werk hinterlassen.

Dass die Bilder Stenners, über den Gustav Vriesen, Leiter der Kunsthalle Bielefeld, 1957 schrieb: „In allen Phasen hat er meisterliche Bilder gemalt", nun in Bielefeld immer wieder gezeigt werden können, ist maßgeblich zwei Akteuren zu verdanken. Zum einem dem Bielefelder Unternehmer Ortwin Goldbeck, der die alte Handwerkskammer gekauft und für zwölf Millionen Euro inklusive einem neuen Anbau hat umbauen lassen, und Hermann-Josef Bunte, der die größte Privatsammlung mit Werken Stenners und seiner expressionistischen Zeitgenossen besitzt. Diese, dem Museum per Leihvertrag überlassen, bildet den Grundstock für das neue Haus. Eine schöne Allianz für die Kunst.

"Das Forum wird die Kunst- und Kulturszene bereichern"

„Ich bin überglücklich, dass es dieses atmosphärisch so schöne Haus jetzt gibt. Meine Sammlung hat eine Heimat gefunden", sagte der Jurist anlässlich des Presse-Rundgangs durch die Ausstellung. Zudem betonte der leidenschaftliche Kunstsammler: „Ich bin nicht der Besitzer des Museums und es dient auch nicht dazu, den Wert meiner Sammlung wie in einem Durchlauferhitzer zu steigern. Sie soll zusammenbleiben und zu sehen sein." Goldbeck fügte an: „Das Forum wird die Kunst- und Kulturszene bereichern." Zwar stünden Stenner, sein Werk, seine Lehrer und seine Zeitgenossen im Zentrum der Ausstellungspraxis, darüber hinaus öffne sich das Forum aber auch nachfolgenden Künstlergenerationen bis hin zur zeitgenössischen Kunst.

Über die Ausstellungsplanung nach der Eröffnungsschau sagten die Verantwortlichen gestern noch nichts. „Wir wollen Christiane Heuwinkel, der neuen Geschäftsführerin, die am 1. April die Leitung übernimmt, nicht vorgreifen", so Werner Efing, der ehrenamtlicher Geschäftsführer bleibt.

Fotostrecke


18 Bilder
Bielefeld: Das Kunstforum Hermann Stenner wird am Sonntag eröffnet

Die expressive Farbigkeit weicht zunehmend aus seinen Bildern

Überzeugen kann nicht nur die Museumsarchitektur, sondern vor allem auch die von Anna Katz vorzüglich kuratierte erste Ausstellung „Hermann Stenner und seine Zeit". Die führt den Besuchern einen jungen, vorwärts drängenden Maler vor Augen, den es aus Bielefeld in die Welt hinaustreibt, der die Konventionen in der Malerei durchbricht, immer wieder neue Wege geht, um seinen eigenen künstlerischen Ausdruck zu finden. „Dies Streben nach dem ganz Grossen etwas in der Kunst", so umschreibt Stenner 1912/13 selbst seine Motivation.

Gleich das erste der zehn Kabinette führt den Besuchern vor Augen, wie der junge Maler sich zwischen 1909 und 1914 vom Spätimpressionismus über den Expressionismus hin zur Abstraktion und einer ganz eigenen Bildsprache entwickelt hat. Eine Art Best-Of-Stenner-Kabinett, das unter anderen so ausdrucksstarke Arbeiten wie „Heiliger Sebastian" , „Dame mit Masken" sowie „Christuskopf", „Auferstehung" und „Damenbild mit Lilie" versammelt, die zu seinen letzten Bildern gehören. Sehr schön zu sehen ist, wie die expressive Farbigkeit zunehmend aus seinen Bildern weicht und ein kaltes Blau immer stärker Einzug in seine Bildwelten hält. Ahnte Stenner, dass er bald sterben würde, erklärt das seinen immensen Ausdruckswillen, seine Malwut?

Rund 200 Bilder sind in der sehenswerten Ausstellung zu sehen

Die Schau setzt in neun weiteren Kabinetten, insgesamt sind 200 Bilder zu sehen, Stenners Werk zudem in Bezug zu Künstlern seiner Zeit wie den Westfälischen Expressionisten Böckstiegel, Tuxhorn, Sagevka und anderen, zum süddeutschen Hölzel-Kreis, zu seinen Lehrern und Maler-Kollegen in Dachau und zeigt, welche Rolle Mystik und Religion in seinem Werk spielen. Der Schau gelingt es, den Maler und sein Umfeld sehr nah an die Besucher heranzubringen. Absolut sehenswert.

INFORMATION


Sonntag, 20. Januar, 14 Uhr, Eröffnung der Ausstellung „Hermann Stenner und seine Zeit" im Kunstforum Hermann Stenner, Obernstr. 48, Bielefeld. Geöffnet bis 20 Uhr. Eintritt frei. Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 10. Juni. Öffnungszeiten ab dem 23. Januar, Mi., Do., Fr. von 14 bis 18 Uhr. Sa. und So. von 11 bis 18 Uhr.

Führungen durch die Ausstellung können unter info@kunstforum-hermann-stenner.de gebucht werden. Zur Ausstellung ist ein Katalog (224 S., 25 Euro) erschienen.

Die Basis der Ausstellungstätigkeit im Kunstforum Hermann Stenner bildet die Sammlung von Hermann-Josef Bunte, die rund 1.400 Werke umfasst, davon eine ungewöhnlich hohe Zahl von Unikaten – etwa 200 Ölgemälde sowie etwa 800 Pastelle, Aquarelle, Gouachen und Zeichnungen. Per Leihvertrag wird sie dem Kunstforum überlassen.

Ein großer Teil des Sammlungsbestandes sind Stenner-Werke. Darüber hinaus wird der Kontext des „Westfälischen Expressionismus" mit weiteren bekannten Vertretern der Region wie u.a. Peter August Böckstiegel und Victor Tuxhorn mit bedeutenden Werken aufgezeigt. Ein weiterer Sammlungsschwerpunkt bezieht sich auf Stenners Akademiejahre in Süddeutschland.