Kultur

Zurück im Licht der Öffentlichkeit

Das Museum Peter August Böckstiegel widmet dem Bielefelder Bildhauer, Maler und Zeichner Wilhelm Heiner (1902-1965) eine große Überblicksausstellung, die zeigt, was sein Werk so spannend macht

Von Tänzern und Musikern fasziniert: Matthias Heiner sitzt vor einem Triptychon seines Vaters Wilhelm, das dieser 1952 für das Bielefelder Theater gemalt hat. Foto: Andreas Zobe | © Andreas Zobe

Stefan Brams
03.11.2018 | 03.11.2018, 08:00
Stefan Brams

Bielefeld. Diese Ausstellung beginnt mit dem Tod – dem Tod des Malers Peter August Böckstiegel. Als dieser am 22. März 1951 stirbt, bittet der Unternehmer Josef Böllhoff den mit ihm befreundeten Maler Wilhelm Heiner, den westfälischen Expressionisten aus Arrode auf dessen Totenbett zu malen. Zu sehen ist das beeindruckende Pastell – die Seele des Toten scheint in einer Art Nebel zu entweichen – in der Ausstellung „Wilhelm Heiner – Bildhauer, Maler. Zeichner“, die am Sonntag. 4. November, um 11 Uhr im Museum Peter August Böckstiegel eröffnet wird.

Gewürdigt wird mit der von Museumsleiter David Riedel kuratierten Ausstellung ein Künstler, der zuletzt 1966 mit einer großen Ausstellung in Bielefeld geehrt wurde. Danach geriet der am 1. September 1902 in Enger Geborene über die Jahre aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit, obwohl er auch zahlreiche Kunstwerke im öffentlichen Raum wie den Bielefelder Leineweberbrunnen und Grabskulpturen auf dem Sennefriedhof geschaffen hat. Obwohl er als Kulturpolitiker in der Stadt wirkte, als Bühnenbildner am Theater arbeitete und in seinem Haus Am Goldbach 4 nach dem Zweiten Weltkrieg so etwas wie ein geistig-kulturelles Zentrum des Neubeginns etablierte. 80 Werke aus allen Schaffens-Phasen des Künstlers sind in der Schau versammelt, die damit eine Wieder- und Neuentdeckung dieses vielseitigen Künstlers ermöglicht.

"Er war kein Revolutionär, er arbeitete nicht expressiv"

Eingangs der Schau ist der Bildhauer Heiner auszumachen, dessen Figuren sich am klassischen Ideal orientieren. „Er war kein Revolutionär, er arbeitete nicht expressiv, sondern blieb wie viele Künstler seiner Generation der Figuration verpflichtet“, betont Riedel. In Berlin wird der gelernte Steinmetz in die Meisterklasse von Hugo Lederer aufgenommen. Ein Künstler im Aufbruch ist zu entdecken, ein Künstler auch, der nicht mehr lange Bildhauer sein wird, wie die Ausstellung zeigt.

Heiner zieht 1930 mit seiner Frau Anna Müller nach Paris, später nach Saintes-Marie-de-la-Mer in die Carmaque. Heiner, immer schon vom Theater, vom Tanz, vom Zirkus beeindruckt, entdeckt in Frankreich die Impressionisten für sich, studiert Aktzeichnen, wird zum Maler. „Der Farbkreis wird mein A und O“, notiert er. Inspiriert durch Frankreichs Süden explodieren die Farben in seinem Werk. Er malt Tänzerinnen und Tänzer, Artisten, Gaukler, Musiker, Stierkämpfer und farbenfrohe Reiterspiele. „Der Tanz ist der Ursprung aller Künste“, formuliert er . Besonders der Volkstanz die „Farandole“ hat es ihm angetan. Obwohl er bereits 1931 aus Frankreich zurückkehrt, gehen zahlreiche erst später entstandene Bilder auf diese intensiv erlebte Zeit zurück.

Während der Nazizeit arbeitet Heiner als Werbegrafiker

Darunter auch sein Hauptwerk – ein monumentales Triptychon, das Musiker und ausgelassene Tänzer zeigt. Gemalt hat er es im Jahr 1951 im Auftrag der Familie Oetker für das Theater Bielefeld. Noch heute hängt es dort – und ist nun als Leihgabe samt Vorstudien in der Ausstellung zu sehen. Ein Höhepunkt der Schau. Während der Nazizeit arbeitet Heiner als Werbegrafiker, seiner Malerei geht er nur noch im Privaten nach. Ein fratzenhafter Totenschädel Hitlers offenbart seine Einstellung zum Regime. Am 30. September 1944 beim großen Bombenangriff auf Bielefeld wird sein Atelier vollkommen zerstört. Teile seines Frühwerks verbrennen, Dokumente werden vernichtet.

Nach dem Krieg kehrt Heiner zurück zur Malerei, macht sich einen Namen im Kulturleben seiner Stadt, erhält 1957 den ersten Kulturpreis Bielefelds, schafft einen 300 Werke umfassenden Zyklus mit Zeichnungen großer Musiker und Dirigenten, die er in der Oetkerhalle zeichnet. Bilder von Wilhelm Furtwängler, Sergiu Celibidache, Yehudi Menuhin und dem jungen Hans Werner Henze sind in der Ausstellung zu sehen. Man meint die Musik, die sie hervorbringen zu hören, so stark ist die Ausstrahlung dieser Werke.

In der Glasmalerei und der Mosaikkunst macht er sich einen Namen

Aber auch in der Glasmalerei und der Mosaikkunst macht sich der gläubige Katholik fortan einen Namen. Von ihm stammen die mystischen Chorfenster in der Jodokus-Kirche und der „Wiederkehrende Christus“ der nicht mehr existierenden St. Pius-Kirche Bielefeld. Ein sechs Meter hohes Bild, das er unter Aufbietung seiner letzten Kräfte direkt auf einen Karton an der Altarwand gemalt hat. In der Ausstellung künden Fotos von diesem beeindruckenden Werk.

Riedel spricht von der Synthese seiner Ideen und Disziplinen, die hier in diesem beeindruckenden Werk zu erkennen sei. Am 26. April 1965 stirbt Wilhelm Heiner. In Werther-Arrode kann sein Werk nun wiederentdeckt werden. Wie schön.