Kultur

Ein schönes Versprechen

Spannender Einblick: Am Freitag wird das neue Museum Peter August Böckstiegel eröffnet. Der graue Bau aus Muschelkalk bildet einen starken Kontrast zum Elternhaus des Expressionisten. Die erste Schau zeigt 70 Werke

Helle, weiße Räume: Museumsleiter David Riedel vor Peter August Böckstiegels Bild „Zwei weibliche Akte“ aus dem Jahr 1914, das quer ausgestellt wird, weil der Maler auf der Vorderseite 1924 ein Querformat mit dem Titel „Familienbild“ gemalt hat. Maler nutzten früher aus Kostengründen oft Vorder- und Rückseite. Fotos: Andreas Zobe | © Andreas Zobe

Stefan Brams
28.08.2018 | 28.08.2018, 06:00
Stefan Brams

Werther-Arrode. Es liegt eine eigentümliche Spannung über der kleinen Senke in Arrode bei Werther. Unten am kleinen Wäldchen steht das rote, aus Holz gebaute Elternhaus des westfälischen Expressionisten Peter August Böckstiegel (1889-1951). Weiter oben am Rand erhebt sich das neue, aus grauem Muschelkalkstein geschaffene Museum Peter August Böckstiegel, das an einen Findling mit scharfen Kanten erinnert.

Ein starker architektonischer Kontrast – Neues trifft auf Altes, Vergangenheit auf Gegenwart, moderne Architektur, geschaffen vom Büro h.s.d. Architekten aus Lemgo, erhebt sich aus der westfälischen Landschaft empor, ohne sie zu erschlagen. Ein Fremdkörper, ja, aber warum auch nicht, denn das alte Böckstiegelhaus war ja auch immer schon ein solcher wegen seiner ungewöhnlichen Farbgebung, aber gerade auch wegen des Malers Peter August Böckstiegel selbst, der als Expressionist der zweiten Generation auch wie ein Solitär in der westfälisch-bäuerlichen Landschaft stand.

Muschelkalkstein trifft auf Eiche: Im Vordergrund das neue Böckstiegel-Museum, im Hintergrund das Eltern- und heutige rote Künstlerhaus. - © Andreas Zobe
Muschelkalkstein trifft auf Eiche: Im Vordergrund das neue Böckstiegel-Museum, im Hintergrund das Eltern- und heutige rote Künstlerhaus. | © Andreas Zobe

Wie nun eben auch das neue Museum, das gestern mit einer großen, wie sollte es anders sein, Peter-August-Böckstiegel-Ausstellung unter dem Titel „Ausdruck seines Ursprungs“ eröffnet wurde, die aber erst ab Freitag öffentlich zu sehen sein wird.

Dies vorweg: Sowohl die von Museumsleiter David Riedel kuratierte Schau als auch der weiße, hell ausgeleuchtete Ausstellungsraum überzeugen. Die Ausstellung, weil sie aus den 1.300 Werken, die die Böckstiegel-Stiftung besitzt, 70 repräsentative Arbeiten (darunter sechs Leihgaben) zeigt, die entscheidende Lebenswege des 1889 in Arrode geborenen Malers spiegeln. Ein „Best-Of“ des Malers, wie Riedel es nennt. Ein gelungener Einstieg in den Ausstellungsbetrieb.

Ein faszinierendes, farbglühendes malerisches Frühwerk

Die hellen Ausstellungsräume überzeugen, weil sie eigentlich nur ein großer Raum sind, dem durch versetzt angeordnete Wände die Geradlinigkeit genommen wurde, so dass interessante Sichtachsen und damit überraschende Blicke auf die Schau möglich werden. Überzeugend sind auch die in Eiche gefassten, großen Fenster, die einen warmen Kontrast zu den kühlen weißen Wänden innen und dem grauen Kalkstein außen bilden und Blicke in die Landschaft und auf das Elternhaus ermöglichen. Ähnlich dürfte Böckstiegel diese ihm so wichtige Umgebung einst gesehen haben. Ein schöner Effekt, der zeigt, wie intensiv das Architektenbüro sich in die komplizierte Aufgabenstellung eingefunden hat, einen Neubau zu schaffen, der diesen Kulturraum aufnimmt.

„Ich wollte dieses Museum unbedingt bauen und bin glücklich, dass wir den Wettbewerb gewonnen haben“, sagt Architekt André Habermann, der aus Borgholzhausen stammt. „Ich wollte ein individuelles Haus für einen Individualisten schaffen.“ Es ist ihm hervorragend gelungen. Und beim Rundgang ist zudem zu sehen, dass das Gebäude selbst auch expressionistische Züge in sich trägt.

Seine Zeichnungen und Gemälde befreien sich von der Wiedergabe des Gesehenen

Riedels erste Böckstiegel-Ausstellung im neuen Museum beginnt mit dem Frühwerk. Hier lässt sich sehr schön sehen, wie der noch von der akademischen Malerei seiner Zeit geprägte Böckstiegel (sein Selbstbildnis von 1910 ist denn auch das älteste Bild in der Retrospektive) sich langsam von diesem Stil löst. Früh schon ist es die Landschaft um Arrode, die ihn fasziniert, die er nun im Stile seines großen Vorbilds van Gogh, „dem Vater der Moderne“, ganz aus der Farbe heraus entwickelt. „Seine Zeichnungen, aber auch seine Gemälde befreien sich von der Wiedergabe des Gesehenen“, betont Riedel, der von einem „farbglühenden malerischen Frühwerk“ spricht. Sein Selbstporträt vor grell-rotem Hintergrund zeigt in der Schau exemplarisch, wie sehr er sich seinem Vorbild van Gogh verbunden fühlt.

Wir sehr wiederum auch der Erste Weltkrieg Böckstiegel geprägt hat, den es 1913 zunächst nach Dresden zum Studium zog, ehe er 1915 eingezogen wurde, wird im weiteren Verlauf der Ausstellung sichtbar. Ein Selbstbildnis aus dieser Zeit kommentiert er mit den Worten „Zum Leiden bin ich nun geboren“. Seine Farben werden zwischen 1915 und 1919 deutlich gedeckter. Seine Figuren eckiger. Böckstiegel interessiert weniger der Krieg an sich, sondern die menschlichen Schicksale beiderseits der Front, das spiegeln seine Bilder deutlich. Ergreifend ist sein Werk „Kinderbegräbnis“.

Menschlicher Inhalt, strahlende Farbe und bindende Form

Nach 1919 dann die Befreiung. Der Maler kehrt nach Dresden zurück und knüpft an sein früheres Werk an. Bauernleben dominieren seine Bilder. Dabei stellt „Bauern im nächtlichen Gewitter“ einen Höhepunkt seines Schaffens dar. Er selbst nennt als seine Schaffensgesetze: „Menschlicher Inhalt, strahlende Farbe und bindende Form“.

Die Schau lässt den Besucher die Befreiung vom Krieg förmlich spüren. Auch wenn manche Kritiker seine Arbeiten als „Farbenkreischerei“ abtun, er hält an seinem Stil fest, beruhigt ihn ab den 1925er Jahren zwar ein wenig, aber den Weg seiner Kollegen in die Neue Sachlichkeit oder in die Abstraktion geht er nicht mit, wie die Ausstellung herausarbeitet. Die belegt auch sehr anschaulich, wie die Nazis ihn bedrängten, 92 seiner Bilder beschlagnahmten, und nur zuließen, dass er harmlose Blumenstillleben und Druckgrafiken zeigte. Bei einem Bombenangriff auf Dresden werden 1945 mehr als 1.000 seiner Arbeiten vernichtet. Böckstiegel ist erschüttert, er malt das zerstörte Dresden und kehrt zurück nach Arrode. Die Erschütterung zeigt sich in seinen Bildern. Doch er gibt nicht auf. Landschaftsbilder finden zurück in sein Werk. Riedel zeigt sie. Am 22. März 1951 stirbt Böckstiegel. Sein letztes Bild („Heimkehr“), dunkel aufragende Bäume in eiskalter Landschaft zeigend, beschließt diese erste Ausstellung im neuen Haus. Was für ein starker Auftakt. Was für ein Versprechen auf die Zukunft dieses Museums, das eine Bereicherung für diese Region ist. ?¦ Kommentar