Erl/Gütersloh

Vorwurf sexueller Übergriffe: Bertelsmann-Stiftung arbeitet weiter mit Gustav Kuhn

Machtmissbrauch: Festivalpräsident reagiert auf Vorwürfe von fünf Künstlerinnen gegen den Leiter der Festspiele Erl. Der Dirigent ist auch künstlerischer Leiter des Gütersloher Wettbewerbs Neue Stimmen

Unter Druck: Gustav Kuhn. | © Johann Groder apa/dpa

27.07.2018 | 27.07.2018, 06:00

Erl/Gütersloh. Fünf Künstlerinnen haben in einem offenen Brief schwere Vorwürfe gegen den Dirigenten und Leiter der Tiroler Festspiele Erl, Gustav Kuhn, erhoben. Sie erklären, dass es zu ihrer Zeit "anhaltenden Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe von Seiten des künstlerischen Leiters gegeben hat". Kuhn weist die Vorwürfe zurück und wirft den Frauen "Menschenjagd" vor.

Kuhn ist seit Jahren auch künstlerischer Leiter des Gesangswettbewerbs "Neue Stimmen" der Bertelsmann-Stiftung. Auf Nachfrage dieser Zeitung, wie die Stiftung den Fall bewertet, teilte diese mit: "Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir grundsätzlich nicht Ereignisse in externen Organisationen kommentieren." Zudem betont die Stiftung mit Sitz in Gütersloh: "Es gilt die Unschuldsvermutung. Solange es keine abschließende juristische Klärung gibt, besteht die Zusammenarbeit mit Gustav Kuhn." Der Stiftung lägen keine Beschwerden von Künstlerinnen über Kuhn vor, heißt es weiterhin.

Festivalleitung zieht Konsequenzen in Betracht

Der Präsident der Festspiele Erl, Hans Peter Haselsteiner, war Adressat des Offenen Briefs. Er reagierte gestern seinerseits mit einem Offenen Brief auf die Anschuldigungen. Die Sängerinnen Bettine Kampp , Julia Oesch und Mona Somm sowie die Geigerinnen Aliona Dargel und Ninela Lamaj hatten auch die Festivalleitung kritisiert. Die Frauen warfen ihr vor, dass sie trotz der Vorwürfe keine Konsequenzen gezogen hebe.

Haselsteiner zeigte sich in seinem Brief "einerseits schockiert und andererseits überrascht". Selbstverständlich werde er veranlassen, dass den Vorwürfen "mit Ernsthaftigkeit und Akribie nachgegangen wird". Aber erst ab Montag. "Es war Ihnen sicher nicht bewusst", schreibt er an die Frauen, " dass Ihr Outing am Tag vor Wagners Ring erfolgt; ein Zyklus, der dem Dirigenten Gustav Kuhn alles abverlangt". Die Tiroler Festspiel Erl hätten "alle zu Gebote stehenden Mittel ergriffen, um die bisher erhobenen Vorwürfe aufzuklären und zukünftige zu verhindern", erklärt Haselsteiner weiter. Die Festspiele würden Konsequenzen ziehen, wenn sie gerechtfertigt seien. "Wir halten eine Vorverurteilung von Maestro Kuhn über das Internet für im höchsten Maße unfair."

Ein Blogger hatte bereits im Februar über angeblich unhaltbare Zustände mit schlechter Bezahlung und Probenterror und mögliche sexuelle Übergriffe in Erl berichtet. Kuhn verklagte ihn. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck prüft jetzt einen Anfangsverdacht.