Gesundheit Vitaminmangel? Wann sich Bluttests lohnen können - und wann nicht

Viele Menschen in Deutschland befürchten einen Vitamin- oder Mineralstoffmangel bei sich. Viele Arztpraxen bieten Laboruntersuchungen des Blutes auf solche Mängel an. Liegt kein medizinischer Grund vor, zählen solche Tests zu den "individuellen Gesundheitsleistungen", kurz Igel-Leistungen, und müssen selbst bezahlt werden. Im Igel-Report von 2020 gehörten die beim Arzt angebotenen Früherkennungsuntersuchungen auf Vitamin-D- und Vitamin-B12-Mangel zu den 20 häufigsten genannten Selbstzahlerleistungen. Was bringen solche Tests auf Verdacht? Wie sinnvoll sind Vitamintests für gesunde Menschen? Tatsächlich sind solche Tests in den seltensten Fällen sinnvoll, sagen Fachleute. Der Grund: Die Ernährung in Deutschland. "Verzehrstudien zeigen, dass der Großteil der gesunden Allgemeinbevölkerung in Deutschland mit den meisten Nährstoffen gut versorgt ist. Es gibt nur wenige Ausnahmen, bei denen ein gewisses Risiko für eine Unterversorgung bestehen könnte", sagt der Ernährungswissenschaftler Lars Libuda von der Universität Paderborn. Welche Nährstoffe können tatsächlich kritisch sein in Deutschland? "Zu den potenziell kritischen Nährstoffen in Deutschland gehören Vitamin D, Folat, Jod, Kalzium und insbesondere bei jungen Frauen Eisen und Vitamin B12", sagt Libuda. Das gelte besonders für bestimmte Risikogruppen. "Zum Beispiel kann ein Eisen-Monitoring bei Schwangeren sinnvoll sein, wenn bei ihnen vorher schon mal ein Eisenmangel festgestellt wurde und ein Vitamin-D-Test für Menschen, die im Frühling und Sommer sehr wenig in der Sonne sind." Wer gehört zu den Risikogruppen? "Menschen, die sich einseitig ernähren und zum Beispiel auf bestimmte Nahrungsmittelgruppen komplett verzichten", sagt Libuda, der unter anderem Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist. Er würde aber auch dann nicht in einem ersten Schritt Bluttests empfehlen, sondern den Besuch einer professionellen, zertifizierten Ernährungsberatung. "Hier könnte nicht nur geprüft werden, welche Nährstoffe möglicherweise unzureichend zugeführt werden, sondern optimalerweise geschaut werden, wie die eigene Ernährung in Richtung einer vollwertigen Ernährung optimiert werden kann. Dann kann ein potenzieller Mangel verhindert werden." Ernährung oder Vitaminpräparate? Claudia Anna Böwingloh aus Gütersloh ist medizinische Ernährungsberaterin und arbeitet seit Langem mit Patienten, unter anderem an Kliniken in OWL. Die Vitamin-Frage sei ein wiederkehrendes Thema in ihren Beratungen. "Viele Patienten kommen wegen eines anderen medizinischen Problems und fragen nach Vitamintests oder Empfehlungen für Nahrungsergänzungsmittel." Nur ganz selten habe sie Patienten, denen sie dazu wirklich rät. "Stattdessen arbeite ich mit den meisten an einer ausgewogenen Ernährung, mit der sich leichte Mangelzustände, sollten sie überhaupt herrschen, in kürzester Zeit ausgleichen lassen." Wie ernst ist das Problem der Überversorgung? Einfach auf Verdacht regelmäßig Vitaminpräparate zu nehmen, davon raten Fachleute wie Libuda und Böwingloh ab. Im Gegenteil, sie weisen zumindest für bestimmte Vitamine auf Risiken hin. "Das Überangebot kann bei den fettlöslichen Vitaminen, das sind A, D, E und K, zum Problem werden. Diese werden nicht wie die wasserlöslichen Vitamine nach übermäßiger Aufnahme mit dem Urin ausgeschieden, sondern können sich im Körper einlagern. Das kann zu Übelkeit, Durchfall oder Hautproblemen führen", sagt Böwingloh. Sie blickt auch auf die Anreicherung von Fast Food und Fertigprodukten mit synthetischen Vitaminen und Mineralstoffen durch die Hersteller, die oft auf den Packungen vermerkt sind. "Es ist ein großes Problem, dass die meisten Menschen in Deutschland eher überversorgt sind. Das liegt auch an dieser Anreicherung. Wenn jemand zusätzlich zu angereicherten Produkten auch noch fettlösliche Vitamine zuführt, kann es zu Einlagerungen durch eine Überversorgung kommen."

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